Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 115 Dortmund, Museum für Kunst und Kulturgeschichte 1591

Beschreibung

Kaminsturz.1) Das aus der Deele des Hauses Mittelstr. 26 stammende steinerne Kamingewände wurde 1908 an das damalige Städtische Museum Dortmund verkauft. Ursprünglich ruhte der architektonisch gegliederte Sturz auf Volutenkonsolen, getragen von freistehenden toskanischen Säulen auf verzierten Postamenten. Die Konsolen waren vorne mit Löwenköpfen, außen mit Rosen in Beschlagwerk geschmückt. Erhalten ist heute lediglich die beschädigte Sandsteinplatte der Kaminfront, die durch Triglyphen in drei Felder gegliedert wird, das Deckgesims ist verloren, den unteren Abschluß bildet ein Faszienarchitrav.2) Das breite Mittelfeld enthält in querrechteckiger Rollwerkkartusche zwei Wahlsprüche (A, B) sowie eine Jahreszahl zwischen Initialen (C). Die Wappen der Bauherren befinden sich in den Seitenfeldern. Die Platte ist im rechten Teil senkrecht durchgebrochen und insgesamt an Rändern und Oberfläche vielfach bestoßen, die Oberkante unregelmäßig weggebrochen, die rechte obere Ecke ausgeklinkt. Die Inschriften sind im eingetieften Schriftfeld erhaben ausgeführt, die Buchstaben beschädigt.

Maße: H. 59 cm; B. 281,5 cm;3) Bu. 3,5–5,5 cm, 7 cm (Ziffern).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/5]

  1. A

    VNVS QVISQ(VE)a) PRO SE ET DEVS PRO NOBIS / OMNIBVS 4)

  2. B

    SI DEVS PRO NOBIS QVIS CONTRA NOS 5)

  3. C

    I(OBST) W(IPPERMANN) · 15 91 · C(ATHARINA) V(ON)b) B(RIEL)

Übersetzung:

Ein jeder für sich und Gott für uns alle. (A)

Wenn Gott für uns ist, wer (kann dann) gegen uns (sein)? (B)

Wappen:
Wippermann6)Briel7)

Kommentar

Die Satzanfänge und das Wort DEVS sind durch Versalien hervorgehoben. Kennzeichnend für die leicht schrägliegende Kapitalis sind Sporenbildung, M mit kurzem Mittelteil und geschwungene Cauda bei R und Q, bei letzterem bis unter die Grundlinie reichend.

Die beiden lateinischen Sprüche finden sich in der gleichen Kombination auch am zugehörigen Torhaus Mittelstr. 24 (Nr. 121), das dieselben Besitzer 1593 erbauten. Das Römerbrief-Zitat Si deus pro nobis ... galt in der Reformationszeit als protestantische Devise.8)

Jobst Wippermann (* um 1568, † um 1634) war ein Sohn des Karsten Wippermann und der Lineke Brautlacht (vgl. Nr. 81). Zusammen mit seiner Ehefrau Catharina von Briel (* um 1570, † 1612) ließ er 1591, im Jahr der Eheschließung, das aufwendige Kamingewände vermutlich von dem Lemgoer Bildhauer Georg Crosmann für die Deele des Hauses Mittelstr. 26 anfertigen. Das Haus gehörte zum Besitz der Catharina von Briel, die in erster Ehe mit dem Lemgoer Bürger Johann Clausing († 3. 10. 1590) verheiratet war.9) Jobst Wippermann „der Reiche“10) ist 1593/95 als Mitglied des Lemgoer Kaufmannsamtes belegt.11)

Textkritischer Apparat

  1. Unziales Q, dessen unteres Bogenende den Schaft geschwungen als Kürzungszeichen überschneidet.
  2. V kleiner und hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Inv.Nr. C 2586 (Depot).
  2. Das ursprüngliche Aussehen des Kamingewändes dokumentiert eine vor 1939 im Dortmunder Museum aufgenommene Fotografie. BKD Lemgo, S. 797, Abb. 953.
  3. Maße des ehemaligen Kamingewändes nach Dokumentation im Museum Dortmund: H. ca. 250 cm (bis zum Gesims), ca. 360 cm (einschl. Abzug); B. ca. 281 cm.
  4. Der Spruch ist auch im Deutschen geläufig. Vgl. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 2, Sp. 1009, Nr. 17; Bd. 4, Sp. 529, Nr. 3.
  5. Rm 8,31. Nachweis als Devise: Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 297.
  6. Wappen Wippermann (mit achtstrahligem Stern belegter Balken, begleitet von 3 Stechringen, 2:1).
  7. Wappen Briel (von einem Pfeil schräglinks durchbohrtes Herz).
  8. Zum Auftreten in Hausinschriften: Schmülling, Hausinschriften, S. 123. Beachtenswert ist der dortige Hinweis auf einen 1540 datierten Stich von Aldegrever, der Philipp Melanchthon zeigt, dessen Porträt das Römerbrief-Zitat als Wahlspruch beigegeben ist.
  9. Zu den Personen: Sta Lemgo, Plögersche Sammlung (v. Briel/Brill, Klasing, Wippermann).
  10. Zu Biographie und Herkunft: BKD Lemgo, S. 790. Schepper, Wippermann, S. 215f. Brenker/Meyer, Stammtafeln, S. 224f.
  11. 1593 und 1595 leistete er das Eintrittsgeld für seine Söhne Christian (vgl. Nr. 189) und Johannes. Matrikel des Kaufmannsamtes, Nr. 672 u. 679.

Nachweise

  1. Schacht, Sta Lemgo, Bibl. 517, S. 64.
  2. Nachlaß Schacht, Sta Lemgo, Nr. 6.
  3. BKD Lemgo, S. 798 mit Abb. 953.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 115 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006k0011504.