Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 112(†) Städtisches Museum / ehem. St. Nikolai 1590

Beschreibung

Epitaph des Bürgermeisters Heinrich Flörke. Rötlicher Sandstein. Das Epitaph, das bereits Ende des 19. Jahrhunderts im oberen Teil beschädigt war,1) hing bis zum Jahr 1958 außen am Südschiff von St. Nikolai. Nach älteren Aufnahmen handelte es sich um eine große, rechteckige Inschriftentafel, die von Hermenpilastern und Rollwerk gerahmt wurde. Im Schriftfeld ein Setzungsvermerk (mit Totenlob und Sterbevermerk, A) und ein Bekenntnis des Auferstehungsglaubens (B). Über einem Fries eine weitere Tafel mit einer Inschrift (C, Betrachtung), seitlich davon je eine von einem Obelisken bekrönte kleine Tafel mit einem Wappenschild darauf. Auf der unten geschweiften Unterhangtafel unter einem Totenkopf und über einer Sanduhr eine Mahnung in Form einer Sentenz (D), die schon vor 1958 vollständig verwittert war, links und rechts der Unterhangtafel Wappenschilde.2) Heute ist noch die Tafel mit der weitgehend zerstörten Inschrift A erhalten sowie die Giebeltafel mit der Inschrift C. Beide Stücke befinden sich im Städtischen Museum.3) Die Buchstaben der Inschriften sind erhaben gehauen.

Inschriften A, B und C ergänzt nach Fotografie, Inschrift D nach Zeichnung.

Maße: Epitaph:4) H. ca. 300 cm; B. 150 cm. Fragmente: H. 99 cm; B. 95 cm (A, B). H. 53 cm; B. 59,5 cm (C). Bu. 4 cm (A), 3 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien (A), humanistische Minuskel mit Kapitalisversalien (B, C).

LWL-Denkmalpflege, Landschafts- u. Baukultur in Westfalen [1/3]

  1. A

    [D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) S(ACRVM) / D(OMINO) HENRICOFLÖRCKEN , / JOHAN(NIS) F(ILIO) CONSVLI HVIVS INCLI/TAE VRBISPRVDEN]T[ISS(IMO) , SYNCERAE / RELIGIONIS , AEQVI]TATIS E[TPAC]IS / [OBSERVANTISS(IMO) , M]INISTER[II EV]ANGELII /[SCHOLARVM ET] PAVPERVM [PROM]OTORI / [SINGVLARI , ETM]VLTIS ALIIS DEI DO[NIS / PRAESTANTISS(IMO) , VRSVLA ORTH ,RE]LICTA / VIDVA , PIETATIS ET AMORIS CONIVGALIS / ERGO ,H(OC) M(ONVMENTVM) F(IERI) F(ECIT)] A(NN)O CHRI(STI) 1590[MENSE MAIOa)/ OBIIT A(NN)O . 88 . 9 FEBRVARII / AETATIS SVAE 58]

  2. B†

    Scio quod Redemptor meus vivit et in / novissimo die de terra resurgam et rursum / circumdabor pelle mea et in carne / meo videbo Deum etc Iob . XIX .5)

  3. C

    Omnis caro foenum , et om/nis Grati[a eius sic]ut flos agri / Exa[ruit] foenum , et decidit / flos , quoniam Spiritus Domin[i] / afflauit eum . Vere foenum / estpopulus , exaruit foenum , / et decidit flos . Verbum / autem DEI nostri manet / in AEternum . ESAIAE . XL .6)

  4. D†

    Mors certa est incerta est hora agnita nulli /[- - -]b) quamlibet esse / puta7)

Übersetzung:

Dem allgütigen und allmächtigen Gott geweiht. Herrn Heinrich Flörke, Sohn des Johannes, dem sehr klugen Bürgermeister dieser berühmten Stadt, dem größten Verehrer des wahren Glaubens, der Gerechtigkeit und des Friedens, dem einzigartigen Förderer des evangelischen Kirchenamtes, der Schulen und der Armen, dem durch viele andere Gottesgaben höchst Vortrefflichen, hat Ursula Orth als zurückgelassene Witwe aus Frömmigkeit und ehelicher Liebe dieses Denkmal setzen lassen im Jahr Christi 1590 im Monat Mai. Er starb im Jahr 88 am 9. Februar, seines Alters 58 (Jahre). (A)

Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und ich werde am Jüngsten Tag aus der Erde auferstehen und werde wieder mit meiner Haut umgeben werden und in meinem Fleisch werde ich Gott sehen etc. (B)

Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Anmut ist wie die Blume auf dem Feld. Das Gras ist verdorrt und die Blume abgefallen; denn der Geist des Herrn hat sie angeweht. Wahrhaftig, das Gras ist das Volk. Das Gras ist verdorrt, die Blume abgefallen. Das Wort unseres Gottes aber bleibt in Ewigkeit. (C)

Der Tod ist gewiß, ungewiß ist die Stunde, keinem bekannt, [deshalb] sieh jede beliebige als [die letzte] an. (D)

Versmaß: Elegisches Distichon (D).

Wappen:
Flörke8)Swibbe9)
Kruse10)unbekannt11)

Kommentar

Die humanistische Minuskel der Inschrift C zeigt stumpf auf der Zeile endende Hasten, deutliche Ober- und Unterlängen von b, d, p, q und Schaft-s, doppelstöckiges a mit kleinem unteren Bogen, leicht spitzovales o sowie t mit unten umgebrochener Haste und kleiner Oberlänge.

Heinrich Flörke wurde 1530/31 als Sohn des Johann Flörke geboren. Im Jahr 1547 immatrikulierte er sich an der Universität Köln.12) In erster Ehe heiratete er Anna von der Lippe, in zweiter Ehe Ursula Orth.13) Heinrich Flörke wurde im Jahr 1541 auf Betreiben seines Vaters ins Kaufmannsamt aufgenommen.14) Im Jahr 1563 lassen sich zwei Bürger namens Heinrich Flörke in Lemgo nachweisen, der eine in der Rampendal-Bauerschaft, der andere in der Tröger Bauerschaft.15) Im Jahr 1582 fungierte Heinrich Flörke als Beisitzer im Ratskollegium, 1583 und 1585 als Bürgermeister.16) Er war ein Onkel des 1611 verstorbenen gleichnamigen Lemgoer Bürgermeisters (Nr. 172). Dies belegen die Wappen auf den beiden Epitaphien.17) Das Bibelzitat der Inschrift C wurde bewußt in Anspielung auf den Namen Flörke (lat. ‚flos‘ = die Blume) gewählt (vgl. a. Nr. 172).

Textkritischer Apparat

  1. IO am Ende der nächsten Zeile nachgetragen und durch Klammer eingefügt.
  2. Extremam idcirco zu ergänzen nach Walther, Proverbia sententiaeque, der allerdings eine allgemeine, nicht auf Lemgo bezogene Überlieferung des Textes bietet. Die Inschrift war an dieser Stelle bereits zerstört, so daß Wilkens hier eine Fehlstelle hat.

Anmerkungen

  1. Zeichnung von H. Wilkens, Ende 19. Jahrhundert, LLB Detmold, Lippe-Bildsammlung, 4 L 39; Abb. in: LH 22, 1983, S. 26.
  2. Fotografie, undat., WAfD Münster (Foto Ohle Lemgo). BKD Lemgo, S. 222, Abb. 183 (Zustand vor 1958).
  3. Inv.Nr. 85/2710 (Lapidarium).
  4. Maße des vollständigen Epitaphs nach BKD Lemgo, S. 221.
  5. Iob 19,25f.
  6. Is 40,6–8 mit geringfügigen Abweichungen vom Vulgatatext. Der Umstand, daß hier gratia anstelle von gloria im Vulgatatext steht, deutet auf eine Übertragung des Luthertextes ins Lateinische hin, der an dieser Stelle ‚Güte‘ verwendet. Vgl. dazu a. Nr. 153.
  7. Walther, Proverbia sententiaeque, Bd. 3, S. 927, Nr. 15117, der Beginn in leicht abweichender Form: Mors certa est incerta dies. Walther, Proverbia sententiaeque 8, Nr. 345f3, verzeichnet auch die Variante Mors certa – hora incerta!
  8. Wappen Flörke (zwei gekreuzte Geweihstangen?). Nach Waldeyer, Flörcken, S. 27, soll es sich bei dem Wappeninhalt um zwei Blütenstengel handeln. Dagegen sprechen aber nicht nur die Ausführung auf diesem Epitaph, sondern auch die anderen in Lemgo vorkommenden Beispiele des Wappens.
  9. Wappen Swibbe (drei Eichhörnchen, 2:1). Die Identifizierung des Wappens nach der Wappenbeischrift Nr. 172.
  10. Wappen Kruse (drei Krausköpfe, 2:1). Die Identifizierung des Wappens nach der Wappenbeischrift Nr. 172.
  11. Wappen unbekannt (zwei gekreuzte Spaten).
  12. Matrikel Köln, Bd. 2, S. 101,631.
  13. Waldeyer, Flörcken, S. 27.
  14. Matrikel Kaufmannsamt, Nr. 495. Seine Brüder Franz, Simon und Cort wurden in den darauffolgenden Jahren ebenfalls ins Kaufmannsamt aufgenommen (Nr. 505, 510, 516).
  15. Bürgerbuch, Nr. 1074 u. 1298.
  16. Bürgerbuch, Nr. 10168, 10178, 10202.
  17. Die Wappen widerlegen eindeutig, daß es sich um Vettern dritten Grades handelt, wie Fink (Epitaphien, S. 172) annimmt. Auch die in der Plögerschen Sammlung (Sta Lemgo, Plögersche Sammlung, Flörke) enthaltene Angabe, derzufolge Heinrich Flörke 1583 im Gogerichtsprotokoll Cordt Flörke, den Vater des 1611 verstorbenen Bürgermeisters, als seinen Bruder bezeichnet, belegt eindeutig, daß es sich um Onkel und Neffe handelt.

Nachweise

  1. Fotografie, undat., WAfD Münster (Foto Ohle Lemgo).
  2. Zeichnung von H. Wilkens, Ende 19. Jahrhundert, LLB Detmold, Lippe-Bildsammlung, 4 L 39.
  3. BKD Lemgo, S. 221f. (A, B, D) mit Abb. 183.
  4. Waldeyer, Flörcken, S. 26f. mit Abb. der Zeichnung von Wilkens.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 112(†) (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006k0011200.