Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 205 Mittelstr. 11 1631

Beschreibung

Schwellbalken. Zweigeschossiges giebelständiges Fachwerkhaus, die Fassade zur Mittelstraße wurde 1888 im Erd- und Obergeschoß in Stein erneuert. Erhalten ist der dreigeschossige Fachwerkgiebel, dessen Balken und Füllhölzer mit Zierschnitzereien versehen sind.1) Die untere Giebelschwelle trägt ein Gebet (A) und die Namen der Hausbesitzer (B), die durch Diamantquader gerahmt sind. Darunter das Datum in zwei Feldern über dem dritten und vierten Balkenkopf, die das über die ganze Balkenbreite verlaufende Taustabornament unterbricht. Die Inschriften sind erhaben in zeilenhoch eingetieften Schriftfeldern ausgeführt, in Gold auf Blau gefaßt. Auf dem rechten Drittel des Schwellbalkens eine moderne Inschrift.2)

Maße: Bu. ca. 10 cm, 8 cm (Jahreszahl).

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. A

    KEIN BESSER TREW AVFF ERDEN IST :DEN NVR BEI DIR HERR IESV CHRIST : 3) //

  2. B

    BERNDT // DREIER : ELISABET · SCHMITS //AN(N)Oa) // 1631

Versmaß: Deutscher Reimvers (A).

Kommentar

Die Kapitalis der Inschriften von 1631 unterscheidet sich in der Ausführung deutlich von dem modernen Schrifttyp der anschließenden Renovierungsinschrift, so daß eine komplette Erneuerung der Inschrift auszuschließen ist. Der Umstand, daß die Renovierungsinschrift ein Drittel des Schwellbalkens einnimmt, während das Baudatum 1631 klein unterhalb der Inschriften von 1631 gesetzt ist, läßt mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf schließen, daß der Text von 1631 auf dem rechten Teil des Balkens noch weiterging, in diesem Teil aber zerstört war.

Die Inschrift A zitiert zwei Verse des Kirchenliedes Ach Gott, wie manches Herzeleid, das Martin Moller (1547–1606) in seinen Meditationes sanctorum patrum, Görlitz 1587, publizierte.3) Im Lippischen könnte dieses Lied bekannt gewesen sein durch Die Fünff Haupt Stücke Christlicher Lehre des Conrad Höier, gedruckt Stadthagen 1614.4) Der in beiden Publikationen gleichlautende Untertitel des Liedes nennt es ein Trostgebet in mühseliger Zeit, im Jahr 1631, während des Dreißigjährigen Krieges, eine angemessene Hausinschrift.

Die Jahreszahl 1631 dokumentiert nicht das Baujahr des bestehenden Gebäudes, das teilweise noch aus dem mittleren 16. Jahrhundert stammt, sondern einen größeren Umbau des Hauses Mittelstr. 11 durch seine damaligen Besitzer.5) Der Bauherr Berndt Dreier erwarb 1624 das Lemgoer Bürgerrecht,6) war Kramer und bekleidete bis zu seinem Tod 1669 verschiedene Ämter als Gilderepräsentant.

Textkritischer Apparat

  1. Retrogrades N; Kürzungszeichen fehlt.

Anmerkungen

  1. BKD Lemgo, S. 768.
  2. UMGEBAUT . 1888 . ERNEUERT . 1924 . A H SAUERLÄNDER. Eine weitere Inschrift an der westlichen Traufenseite dokumentiert die letzte Sanierung des Hauses 1979.
  3. Dazu: Wackernagel, Kirchenlied, Bd. 5, Nr. 121, S. 84f., Strophe 6, Vers 1–2. Fischer, Kirchenlieder-Lexicon, Bd. 1, S. 10f. Hdb. EKG, Bd. III/2, S. 269–271 und Sonderbd., S. 445f. Elke Axmacher, Mystische Frömmigkeit und reformatorische Theologie. Zu Martin Mollers Lied Ach Gott, wie manches Herzeleid. In: Das protestantische Kirchenlied im 16. und 17. Jahrhundert. Text-, musik- und theologiegeschichtliche Probleme, hg. v. Alfred Dürr u. Walther Killy, Wiesbaden 1986 (Wolfenbütteler Forschungen 31), S. 39–47.
  4. Conrad Höier († 1624) war Subprior des lutherischen Stifts Möllenbeck bei Rinteln. Die Verfasserfrage wird unterschiedlich beurteilt (vgl. Anm. 3): Bei Wackernagel gilt das Lied Ach Gott, wie manches Herzeleid als C. Höiers Werk. Fischer und die nachfolgende Forschung plädieren für M. Mollers Urheberschaft.
  5. Vgl. BKD Lemgo, S. 768–770. Zur Besitzgeschichte und Person des Bauherrn (ohne Quellenbelege): Fritz Waldeyer, Die Steinbachschen Häuser in der Mittelstraße. In: LH 6, 1979, S. 18–20.
  6. Bürgerbuch, Nr. 3568.

Nachweise

  1. Schacht, Sta Lemgo, Bibl. 517, S. 174.
  2. Sauerländer, Alte Hausinschriften.
  3. Rädeker, Häuser, S. 74.
  4. Pahmeier/ Süvern, ILL Lemgo, TB 21–14.
  5. Fritz Waldeyer, Die Steinbachschen Häuser in der Mittelstraße. In: LH 6, 1979, S. 18.
  6. BKD Lemgo, S. 768 mit Abb. 904.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 205 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006K0020503.