Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 176 Rathaus, Apothekenauslucht 1612

Beschreibung

Werkstein, Gebälkfries, Säulen und Brüstungstafeln an der sogenannten Apothekenauslucht. Nördlicher Abschluß der Marktfront des Rathauses, das im Nordflügel seines vierteiligen Westtraktes seit 1559 die Ratsapotheke beherbergte. Zu deren Erweiterung wurde 1611/12 dem Apothekenbau an der Nordwestecke marktseitig die zweigeschossige, bauplastisch aufwendige Auslucht angefügt.1) Über verputztem Bruchsteinsockel ein Werksteinbau aus rötlichem und hellem Sandstein. Der Giebel 1930 teilerneuert, größere Restaurierungen 1961, 1974 und 1978, dabei zuletzt farbige Neufassung in drei Braunstufen.2) Die weitgehend durchfensterte Auslucht schmückt ein Volutengiebel mit reich durchgebildetem Beschlagwerk, die Giebelspitze bildet das architektonisch gerahmte Stadtwappen im Flachrelief vor Beschlagwerk. Ein Greif und ein Löwe halten den auf einer Maskenkonsole ruhenden Rollwerkschild, darüber die Jahreszahl A, erhaben auf eingetieftem Grund. Dieser obere Giebelteil, ehemals von einer Standfigur des Äskulap anstelle des heutigen Obelisken bekrönt, wurde 1930 vollständig durch eine Kopie ersetzt. Die Auslucht verbindet üppigen Ornament- und Figurenschmuck mit klarer architektonischer Gliederung. Als vertikale Hauptachsen sind die Ecken und die Mitte der Marktfront betont, über den drei kannelierten Lisenen des Sockels stehen in beiden Fensterzonen Ziersäulen. Ornamentierte Zwischenpfosten gliedern die Front in sechs, die Schmalseiten in je zwei Fensterbahnen. Die Geschosse trennen über den Ecken und der Mittelachse verkröpftes Gebälk und Gesimse. Auf dem Gebälk des Obergeschosses eine Belehrung in Form dreier Bibelzitate (B), die zugehörige Bibelstellenangabe (C) an der Schauseite rechts der Mittelsäule über dem Fries in eingetieftem Schriftfeld eingehauen. Die Säulen sind im unteren Teil mit figürlichen Darstellungen verziert. Die drei Obergeschoß-Säulen zeigen Allegorien der Fünf Sinne im Flachrelief, die am Sockelstreifen über den Säulenbasen durch Tituli bezeichnet sind: an der linken Ecksäule Tactus (D) und Auditus (E); an der Mittelsäule Visus (F); an der rechten Ecksäule Gustus (G) und Odoratus (H). Die Inschriften sind mit Ausnahme von C erhaben gehauen und in Gold vor dunklem Hintergrund gefaßt.

Die Obergeschoß-Brüstung ist wie die Fensterzone gegliedert. In den Brüstungsfeldern unter Rundbogen eine Bildnisreihe zehn berühmter Ärzte, Alchemisten und Philosophen von der Antike bis zur Renaissance in Hochreliefs, getrennt durch Beschlagwerkstreifen, die an den Ecken und an der Mittelachse der Brüstung als mit Masken besetzte Lisenen gebildet sind. Die durch Tituli in den Nischenbögen bezeichneten Gelehrten erscheinen in Halbfigur hinter niedrigen, verschieden gestalteten Brüstungen und sind durch Attribute sowie durch kurze Lehrsätze charakterisiert. An der Nordseite: Pedanius Dioskorides (I) mit Heilpflanze und Buch, vor der Brüstung ein in Verse gefaßtes Lob (J); Aristoteles (K) mit Zirkel und Weltkugel. Marktfront: Rhases (L) mit Buch, darunter die Inschrift M; Claudius Galenus (N) mit Buch, darunter die Inschrift O; Hippokrates (P) mit aufgeschlagenem Buch, darin die Inschrift Q; Hermes Trismegistos (R) mit Rollwerktafel, darauf die Inschrift S, oben rechts steigt der Phönix aus der Asche auf; Raimundus Lullus (T) mit drei Blumen, darunter eine Kartusche mit der Inschrift U, oben links und rechts ein Hexagramm und ein Löwe, der einen Drachen bezwingt; Geber Arabs (V) mit Schriftrolle, darunter ein Schriftband mit der Inschrift W, oben links der Pelikan, der seine Jungen mit seinem Blut nährt. Südseite: Andreas Vesalius (X) am Seziertisch mit menschlichem Arm auf einem Buch, darunter die Inschrift Y; Paracelsus (Z) mit Degen, darunter auf einer Kartusche die Inschrift AA, oben links und rechts Sonne und Feuer. Die Inschriften der Brüstungsfelder sind erhaben gehauen und vergoldet, der Hintergrund ist dunkel gefaßt.

Maße: Bu. ca. 7–8 cm (A), ca. 8 cm (B), ca. 2 cm (C), ca. 4 cm (D–H), ca. 3–5 cm (I–AA).

Schriftart(en): Kapitalis (B–P, R–T, V–AA), Griechisch (Q), humanistische Minuskel mit Kapitalis-Versalien (U).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/24]

  1. A

    1612

  2. B

    WEN DU KRANK BIST SO BITTE DEN HERN // VND LAS AB VON SVNDEN SO WIRD ER DICH GESVND MACHEN 3) // DAR NACH LAS DEN ARTZ ZV DIR DEN DER HOCHST HAT IN GESCHAFF(EN) 4)// DIE ARTZ(N)EI KOMPT VOM HER(N) V(N)D DER APOTEKER / BEREIT SI a) 5)

  3. C

    SIRACH DAS [..] CAPITTEL

  4. D

    TACTVS

  5. E

    AVDITVS

  6. F

    VISVS

  7. G

    GVSTVS

  8. H

    ODORATVS

  9. I

    PEDANIUS // DIOSCORIDES

  10. J

    LAVS MEDICO HERBA/RUM SPECIES USUS/Q(UE)b) PROBATOSNOS=/SE SED HIC DANDA EST / PALMA DIOS[C]ORIDI

  11. K

    ARISTOTELES

  12. L

    RHASES

  13. M

    QUIETE (ET) ABSTINE(N)T[IA]c)6)

  14. N

    CLAVDIVS · GALENVS

  15. O

    VOLVPTATES · VSVRAEd) MORBI ·

  16. P

    HIPPOCRATES

  17. Q

    TO ΘΕΥ / [..] TO / ΘΕΙΟΥe)

  18. R

    HERMES TRISMEGISTOS AEGYPT(IACVS)

  19. S

    QVOD EST / SVPERIVS / EST SICVT / ID QVOD / EST INFER/IVS7)

  20. T

    R(AYMUNDUS) LULLIUS HISPANUS

  21. U

    cum Igne tan=/Dem In gratiam / redit Aqua

  22. V

    GEBER // ARABS

  23. W

    IN SOLE ET SALE / NATURAE SUNT / OMNIA

  24. X

    ANDREAS // VESALIVS

  25. Y

    [O]CYUSf) IUCUNDE TUTOg)

  26. Z

    TH(EOPHRASTVS) PARACELSVS GERMANVS

  27. AA

    SEPARATE ET / AD MATURITA=/TEM PERDVCITEh)

Übersetzung:

Der Tastsinn. Das Gehör. Der Gesichtssinn. Der Geschmack. Der Geruchssinn. (D–H)

Es ist dem Arzt ein Ruhmestitel, die Arten (und) erprobten Anwendungen der Kräuter zu kennen, aber hier ist die Palme dem Dioscorides zu verleihen. (J)

Durch Ruhe und Enthaltsamkeit. (M)

Die Lustbarkeiten sind die Ursachen der Krankheit. (O)

Was höher ist, ist gleich dem, was niedriger ist. (S)

Schließlich söhnt sich Wasser wieder mit dem Feuer aus. (U)

In der Sonne und im Salz sind alle Naturkräfte enthalten. (W)

Schneller, auf angenehme Weise, sicher. (Y)

Trennt und führt zur Reife! (AA)

Versmaß: Elegisches Distichon (J).

Kommentar

Die Inschrift Q im Buch des Hippokrates ist wohl im Zuge einer Restaurierung entstellt oder bereits aus einer entstellten anderen Fassung übernommen worden. Ihr Sinn (oder ursprünglicher Wortlaut) kann nicht sicher geklärt werden (vgl. aber den Deutungsversuch in Anm. e).

Die Apothekenauslucht, über deren Erbauung nur spärliche Nachrichten überliefert sind, wurde wahrscheinlich unter Leitung des Hermann Roleff und seines Sohnes Johann errichtet, die das Amt des Stadtbaumeisters seit 1598 bzw. seit 1612 bekleideten. Der skulptural reich dekorierte Bau galt aufgrund seiner künstlerischen Qualität zunächst als letztes Werk Georg Crosmanns († 1612),8) der ab Januar 1612 das Amt des Stadtbaumeisters kurzzeitig innehatte. Die Reinigung der Steinmetzarbeiten im Jahr 1961 ließ deutliche Unterschiede in deren künstlerischer Ausführung und im Material der einzelnen Teile zutage treten. Die Reliefs des Galen und Lullus sind aus rötlichem Sollingsandstein gefertigt, die übrigen acht Reliefs aus weißem Obernkirchner Sandstein. Als mögliche Schöpfer der beiden erstgenannten, der lokalen Stiltradition zugeordneten Reliefs gelten Georg Crosmann und Johann Roleff. Die restlichen Bildnisse werden aufgrund ihres vergleichsweise expressiveren Figurenstils als Vorläufer des Frühbarock gewertet und wurden Ernst Crosmann,9) dem Sohn des Georg, oder Hans und Jonas Wolf, Mitgliedern einer für den Bückeburger Hof tätigen Hildesheimer Künstlerfamilie, zugeschrieben.10) In Hildesheim gab es an einem Fachwerk-Erker aus der Zeit um 1610 (1945 zerstört) ebenfalls ein Bildprogramm von Naturforschern und Ärzten, in der Bauplastik das bislang einzige bekannt gewordene Vergleichsbeispiel.11) Die Allegorien der Fünf Sinne werden Johann Roleff zugeschrieben.12)

Aus paläographischer Sicht ist eine Unterscheidung verschiedener Hände bei der Buchstabengestaltung nicht möglich, da die Inschriften insgesamt wenig charakteristische Merkmale aufweisen und zugleich untereinander differieren, z. B. was die U/V-Schreibung betrifft. Daher läßt sich lediglich konstatieren, daß die Inschrift U des Lullus-Reliefs durch Verwendung einer in ein Zweilinienschema gestellten humanistischen Minuskel aus dem Rahmen fällt und daß die Inschriften N und O des Galen-Reliefs ebenso wie Inschrift B nicht den auffällig weit nach oben gezogenen Sporn am unteren Balken von E und L der anderen Inschriften aufweisen. Die Kapitalisinschriften des Galen- und des Lullus-Reliefs, die aus stilistischen Gründen und aufgrund des anderen Materials einem Bildhauer zugeschrieben werden, weisen keine zwingenden Übereinstimmungen auf, zumal das Galen-Relief V-Schreibung, das Lullus-Relief dagegen U-Schreibung enthält.

Der sogenannte Naturforscherfries ist schon häufig Gegenstand von Untersuchungen gewesen, in denen es auch um die Vorlagen für die Reliefs und ihre Inschriften ging. Bislang haben sich für fünf Reliefs – Hermes Trismegistos, Geber Arabs, Lullus, Paracelsus und Vesalius – Vorlagen aus dem Bereich der Druckgraphik nachweisen lassen.13) Hermes Trismegistos14), Geber Arabs15), Raimundus Lullus und Paracelsus entsprechen ihren jeweiligen Porträts auf dem von Aegidius Sadeler gestochenen Titelkupfer zur Basilica chymica des Oswald Croll (1609) sowohl ikonographisch als auch im Wortlaut der beigefügten Inschriften.16) Die Darstellung des Paracelsus (1493–1541) hat Sadeler wiederum offenbar direkt oder indirekt von einem Porträtstich des Augustin Hirschvogel (1540) übernommen, der dazu denselben Text mit einer geringfügigen Abweichung (adducite statt perducite) bietet.17) Auch für die Darstellung des Andreas Vesalius (1514 – 1564) läßt sich eine graphische Vorlage nachweisen: Das Relief geht auf ein Holzschnitt-Porträt für das Titelblatt zu dessen Anatomie-Lehrbuch De humani corporis fabrica (Basel 1543) zurück. Dort findet sich unterhalb der Kante des Seziertisches auch der gleiche Text,18) der einen über Celsus (um 25 v.–um 50 n. Chr.) vermittelten Grundsatz des Asklepiades (124–ca. 60 v. Chr.) zusammenfaßt: Asclepiades officium esse medici dicit, ut tuto, ut celeriter, ut iucunde curet.19) Auch der dem persischen Arzt Rhases (865–921) beigegebene Text (M) geht wohl auf Celsus zurück, der Ruhe und Enthaltsamkeit als wirksame Therapie empfahl.20) Der Text der Inschrift O zu dem in Rom tätigen griechischen Arzt Galenus (129–199 n. Chr.) fand bereits 1593 in dem „Emblematum liber“ des Jean-Jacques Boissard Verwendung, dort aber ohne Bezug auf Galenus.21) Der Gentilname Claudius ist Galenus erst in der Renaissance, dann aber fast regelmäßig beigegeben worden.22) Der Lehrsatz S entstammt der Tabula smaragdina, einer kosmologisch-alchemistischen Dikta-Sammlung, die den apokryphen Schriften des Hermes Trismegistos zugerechnet wird und seit dem 12. Jahrhundert in lateinischen Übersetzungen weite Verbreitung fand.23) Der auf Raimundus Lullus (1235–1316) bezogene Satz U lässt sich zwar nicht wörtlich nachweisen, basiert aber auf dessen Ausführungen zur Qualität des Feuers und zum Wesen des Gegensatzes am Beispiel der Elemente.24) Dem in Rom tätigen griechischen Arzt Pedanius Dioskorides (um 40–um 90 n. Chr.) ist als einzigem der am Lemgoer Fries dargestellten Gelehrten kein Lehrsatz zugewiesen, sondern ein Distichon, das seine besonderen Kenntnisse der Heilkräuter hervorhebt (J). Tatsächlich hatte Dioskorides mit „De materia medica“ das bis ins 17. Jahrhundert hinein maßgebliche Lehrwerk der Arzneimittelkunde verfaßt.25) Vergleichbare bildliche Darstellungen berühmter Persönlichkeiten mit metrischen Unterschriften waren im 16. und 17. Jahrhundert recht verbreitet26), etwa in Stichen Theodors de Bry (1527–1598), der die Porträtierten ebenfalls in Halbfigur unter einem mit Namen versehenen Rundbogen abbildete. Deutliche Parallelen hinsichtlich der Bildkomposition und der Ikonographie lassen sich zwischen dem Dioskorides-Relief und einem von Bry angefertigten Porträtstich des Mediziners und Botanikers Leonhart Fuchs (1501–1566) feststellen.27) Beide sind bärtig, tragen zeitgenössische Tracht, halten in der rechten Hand ein Heilkraut und fassen mit der linken Hand ein geschlossenes Buch. In dem Leonhart Fuchs beigegebenen Distichon werden dessen Verdienste als denen des Dioskorides und des Galenus gleichwertig gerühmt.28) Ein zumindest indirekter Zusammenhang zwischen den Porträts Theodors de Bry und dem Lemgoer Dioskorides-Relief ist anzunehmen.

Nicht nachgewiesen sind bislang Vorlagen für die Reliefs des Aristoteles (384–322 v. Chr.) und des Hippokrates (um 460–375 v. Chr.).

Das Text-Bild-Programm der Lemgoer Apothekenauslucht dokumentiert das gestiegene Selbstbewußtsein des Apothekers zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Als biblische Rechtfertigung der Zubereitung und Anwendung von Arznei wurde – unter anderem von Luther – immer wieder das Buch Jesus Sirach herangezogen, dessen einschlägige Verse in der Inschrift B paraphrasiert werden. Die vor allem vom lutherischen Protestantismus vertretene Vorstellung, daß Heilkräuter und andere Arzneimittel als Zeichen göttlicher Güte und Vorsehung zu betrachten und vom Menschen entsprechend zu nutzen seien29), schlug sich in der medizinisch-pharmazeutischen Literatur der zweiten Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nieder.30) Die Illustrationen zu diesen Werken verweisen in der Auswahl der dargestellten Personen und Texte – wie auch bei den Lemgoer Reliefs – auf die lange Tradition der Heil(mittel)kunde.31) Als möglicher Urheber des inhaltlich anspruchsvollen Text-Bild-Programms der Apothekenauslucht kommt der damalige Ratsapotheker Wolrad Ferber (* 1578, † 1633, vgl. Nr. 206) in Frage, dessen Kontakte zu gelehrten Zeitgenossen seine humanistischen Interessen bezeugen.32) Ferber dürfte sich gut in der medizinischen und pharmazeutischen Literatur seiner Zeit ausgekannt haben und so möglicherweise auch die Holzschnittvorlagen für die Gestaltung der Auslucht gefunden haben.

Textkritischer Apparat

  1. Die drei letzten Worte aus Platzgründen zweizeilig.
  2. Heute E anstelle des Q. Aus inhaltlichen und metrischen Gründen kommt hier nichts anderes als QUE in Frage, vermutlich aus einem auf der Zeile stehenden q falsch restauriert.
  3. abstinete Krafft.
  4. VSVRAE] vestrae Meier (Erker, S. 89); V(E)S(T)RAE BKD Lemgo (S. 530).
  5. Die ersten beiden Buchstaben der zweiten Zeile ergeben in ihrem heutigen Erscheinungsbild keinen Sinn. Nach freundlicher Auskunft von Dr. Diethard Nickel (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Corpus medicorum Graecorum) könnte an dieser Stelle ursprünglich ΑΓΩ gestanden haben. Syntaktisch ist als Endbuchstabe des letzten Wortes statt Y ein N erforderlich, dessen erste Haste möglicherweise verloren gegangen ist. Nickel schlägt daher folgende Lesung als ursprüngliche Fassung vor : τὸ δεοῦ / ἂγω τὸ / δεῖον („Die Sache Gottes betreibe ich, das Göttliche.“) Er erkennt in diesem Text eine Anspielung auf die Epitheta des Hippokrates ο θειος oder o θειοτατος. Angesichts des unklaren Buchstabenbefundes kann diese Deutung allerdings nicht mit hinreichender Sicherheit erfolgen. Die von Meier (Erker, S. 89) unter Berufung auf W. von Brunn (in: Die medizinische Welt 1939, Nr. 6, S. 199) vorgeschlagene Interpretation einer im ionischen Dialekt gehaltenen Version to theukos to theion in der Bedeutung ‚das Buch das göttliche‘ vermag weder vom Buchstabenbefund noch vom Inhalt her zu überzeugen.
  6. Y in Form eines auf der Zeile stehenden q, möglicherweise falsch restauriert.
  7. In dem als Vorlage dienenden Kupferstich (vgl. Kommentar u. Anm. 12) lautet die hier unterhalb der Tischplattenkante ausgeführte Inschrift OCYVS IOCVNDE ET TVTO. Abb. in Kat. Renaissance, Bd. 1, S. 214. Ob das O am Beginn des ersten Wortes versehentlich weggelassen wurde oder heute verloren ist, läßt sich nicht mehr feststellen.
  8. Nach Wolfgang Muntschick (Die alchemistischen Symbole des Naturforscherfrieses an der Ratsapotheke in Lemgo. In: LH 2, 1979, H. 7, S. 28–34, hier S. 31) soll auf dem Knauf des Degens, den Paracelsus hält, „unscheinbar“ das Wort Azoth „eingraviert“ sein. Hierfür gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte am Objekt.

Anmerkungen

  1. Vgl. BKD Lemgo, S. 525f.
  2. BKD Lemgo, S. 501 u. 532f. Einzelberichte Denkmalpflege 1953–61, S. 139; 1974–76, S. 502; 1977–79, S. 540.
  3. Nach Sir 38,9.
  4. Nach Sir 38,2.
  5. Nach Sir 38,7.
  6. Walther, Proverbia sententiaeque, Nr. 39857i20a: Quiete et abstinentia multi magni morbi curantur. („Durch Ruhe und Enthaltsamkeit werden viele schwere Krankheiten geheilt.“) Walther verweist auf den römischen Enzyklopädisten Aulus Cornelius Celsus, in dessen Werk sich dieser Gedanke allerdings nicht wörtlich, sondern nur in abgewandelter Form nachweisen läßt: satisque est uti quiete et abstinentia; Aulus Cornelius Celsus, De Medicina VI, Kap. 6.
  7. Tabula Smaragdina: Quod est inferius, est sicut id quod est superius, et quod est superius, est sicut id, quod est inferius, ad perpetranda miracula rei unius; Julius Ruska, Tabula Smaragdina. Ein Beitrag zur Geschichte der hermetischen Literatur (Heidelberger Akten der von Portheim-Stiftung 16), Heidelberg 1926, S. 2.
  8. Meier, Rathaus, S. 20. Meier, Erker, S. 87. Meier, Ärzte-Fries, S. 131. Mit Einschränkung Gaul, Renaissance-Baumeister, S. 25ff. u. 31, der vermutete, nach Georg Crosmanns Tod habe sein Sohn Ernst den Großteil der figürlichen und dekorativen Steinmetzarbeiten an der Auslucht unter Beteiligung von Johann Roleff ausgeführt.
  9. Gaul, Renaissance-Baumeister, S. 26f.
  10. Gaul, Apotheken-Erker, S. 2. BKD Lemgo, S. 528f. Kat. Renaissance, Bd. 1, S. 213. Meier, Lemgo, S. 105, erwog die Zuschreibung aller zehn Figuren an Ernst Crosmann.
  11. Gaul, Apotheken-Erker, S. 2. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 177.
  12. BKD Lemgo, S. 531.
  13. Georg Edmund Dann, Über die Herkunft der Halbfiguren am Rathauserker. In: Zur Geschichte der Pharmazie, Beilage zur Deutschen Apothekenzeitung 12, 1960, II, Nr. 4, S. 25. Karl Meier, Die graphischen Vorlagen des Meisters der Halbfiguren am Lemgoer Ratsapothekenerker. In: MLG 32, 1963, S. 182–188. Kat. Renaissance, Bd. 1, Nr. 383–384, S. 212–215 mit weiteren Angaben zur Literatur.
  14. Hermes Trismegistos ist der spätere griechische Name des äpyptischen Gottes Thot. Er galt bereits in der Antike als Verfasser astronomisch-astrologischer und alchemistischer, „hermetischer“ Literatur; G. Jüttner, Art. „Hermes Trismegistos“, LexMA 4, Sp. 2171.
  15. Die Person des Geber Arabs ist unhistorisch. Er soll im 8. Jahrhundert einer hermetischen Schule vorgestanden haben, der ein umfangreiches naturphilosophisch-alchemistisches Werk zugeschrieben wurde; G. Jüttner, Art. „Gabir-Corpus (Geber)“, LexMA 4, Sp. 1071f.
  16. Vgl. Kat. Renaissance, Bd. 1, Nr. 383 mit Abb. des Titelblattes zu: Oswald Croll, Basilica chymica, Frankfurt/M., 2. Ausgabe Claude de Marne und Jean Aubry, 1609. Den Kupferstich für das Titelblatt schuf Aegidus Sadeler d. J. (1570–1629), vgl. F. W. H. Hollstein, Dutch and Flemish etchings, engravings and woodcuts, Bd. 21, Amsterdam 1980, S. 80, Nr. 391; Bd. 22, Amsterdam 1980, Nr. 391 (Abb.).
  17. Fritz Krafft, „Die Arznei kommt vom Herrn, und der Apotheker bereitet sie“: biblische Rechtfertigung der Apothekerkunst im Protestantismus: Apotheken-Auslucht in Lemgo und Pharmako-Theologie (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie 76), Stuttgart 1999, S. 110f.
  18. Vgl. Kat. Renaissance, Bd. 1, Nr. 384 mit Abb., Holzschnitt (WRM Schloß Brake, Inv. S 24/88), Kopie eines anonymen Künstlers, 1542 nach dem Titelblatt: Andreas Vesalius, De humani corporis fabrica libri septem, Basileae ex officina Joannes Oporini, 1543. Nach Meier (Erker, S. 88, Anm. 3) stammt die Vorlage für das Titelblatt wiederum von Jan Stephan von Calcar (1499–1546/50), vgl. Hollstein, (wie Anm. 16), Bd. 4, Amsterdam 1949, S. 84.
  19. „Er sagt, es sei die Aufgabe des Arztes, sicher, schnell und angenehm zu heilen.“ Aulus Cornelius Celsus, De medicina III, Kap. 4.1; vgl. Krafft (wie Anm. 17), S. 115.
  20. Vgl. Anm. 6.
  21. Jean-Jacques Boissard, Emblematum liber, Frankfurt am Main 1593, S. 75 (dort voluptatis statt voluptates), abgebildet bei Krafft (wie Anm. 17), S. 114, Abb. 20.
  22. Krafft (wie Anm. 17), S. 106, Anm. 76.
  23. Wolfgang Muntschik, Die alchemistischen Symbole des Naturforscherfrieses an der Ratsapotheke in Lemgo. In: LH 2, 1979, H. 7, S. 29; J. Telle, Art. „Tabula smaragdina“, LexMA 8, Sp. 399, vgl. Anm 7.
  24. Raimundi Lulli opera latina 53: Tabula generalis, ed. V. Tenge-Wolf (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis CLXXXI), Turnhout 2002, S. 61, 90, 113f., 123f.
  25. J. M. Riddle, Art. „Dioskurides im Mittelalter“, LexMA 3, Sp. 1095ff.
  26. Krafft (wie Anm. 17), S. 112f.
  27. Abgebildet bei Krafft (wie Anm. 17), S. 97, Abb. 11.
  28. Si qua Dioscoridi si qua est data fama Galeno / Participem exaliqua me quoq(ue) parte habet.
  29. Krafft (wie Anm. 17), S. 5f., 43–48.
  30. Krafft (wie Anm. 17), S. 62–66 und passim.
  31. Mehrere Texte, die in Lemgo als Inschriften ausgeführt sind (S, U, W, AA), wurden 1618 auch für die Gestaltung des Titelblatts des Opus chymicum von J. D. Mylius (1618) verwendet. Krafft (wie Anm. 17), S. 102, Abb. 13.
  32. Meier (wie Anm. 13), S. 186. Hartmut Meyer-von Froreich, Zur Geschichte des Apothekenwesens der Grafschaft und des Fürstentums Lippe von den Anfängen bis zum Jahre 1918. Diss. Marburg 1979, S. 63f. u. 96.

Nachweise

  1. Preuß, Alterthümer2, S. 51 (A, B).
  2. Karl Meier, Der Erker der Ratsapotheke in Lemgo. In: MLG 20, 1951, S. 87-92.
  3. Karl Meier, Der Ärztefries an der Ratsapotheke in Lemgo. In: Hessisches Ärzteblatt 19, 1958, S. 129–131.
  4. Hartmut Meyer-von Froreich, Zur Geschichte des Apothekenwesens der Grafschaft und des Fürstentums Lippe von den Anfängen bis zum Jahre 1918. Diss. Marburg 1979, S. 93–95 (I–AA).
  5. Wolfgang Muntschick, Die alchemistischen Symbole des Naturforscherfrieses an der Ratsapotheke in Lemgo. In: LH 2, 1979, H. 7, S. 28–34, hier S. 29 (B, S, U, W).
  6. BKD Lemgo, S. 529–532 mit Abb. 597, 601–605.
  7. Kat. Renaissance, Bd. 1, Nr. 382, S. 213 (B).
  8. Fritz Krafft, «Die Arznei kommt vom Herrn, und der Apotheker bereitet sie»: Biblische Rechtfertigung der Apothekerkunst im Protestantismus: Apotheken-Auslucht in Lemgo und Pharmako-Theologie (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie 76), Stuttgart 1999.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 176 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006K0017600.