Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 183 Aicha vorm Wald, Pfk. St. Petrus und Paulus 2. H. 16. Jh. / 1. H. 17. Jh.

Beschreibung

Epitaph mit fragmentarischer Grabinschrift für einen Paul N. An der Nordwand der Seelenkapelle, vierte Platte von Westen und zweite von unten. Hochrechteckige Platte, im oberen Bereich zweiteiliges Relief in mit Ketten und Masken verziertem Profilrahmen. Oben Bekehrung des Paulus: oben in der Mitte Gottvater in einem Wolkenkranz, in der Mitte am Boden Paulus, den Blick gegen den Himmel gerichtet, rechts von ihm sein aufspringendes Pferd, rechts davon zwei(?) Männer, die das Pferd zu zähmen versuchen, am rechten Bildrand eine weitere Figur auf einem Pferd(?); in der unteren Reliefhälfte links der Verstorbene kniend auf einem Podest, vor ihm am Boden ein Buch(?), über ihm ein Schriftband mit verlorener Inschrift, in seinen gefalteten Händen endend, in der rechten Bildhälfte Kreuz mit heute verlorenem Titulus, von mindestens drei Engeln umgeben, die in Kelchen sein Blut auffangen; im unteren Bereich der Platte Schriftfeld in Rollwerkrahmen mit Literaturzitat (I) und Grabinschrift (II), Schrift erhaben. Kalkstein. Oberfläche der Platte mit Text- und Bildverlust erheblich zerstört; Platte in der oberen Hälfte diagonal, im unteren Bereich quer gebrochen.

Maße: H. 120 cm, B. 64 cm, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/2]

I. Text ergänzt nach Meditationes de humana conditione1).

  1. VND[E] S[VPERBIT HOMO CVIVS] CO(N)C[E]PTIO [CVLPA]a) NASCI P[OEN]Ab) VITA LABORc) NEC[E]SS[E] ṂOR[I] POST HO(M)I(N)EM VER[MI]S [P]O[ST] V[E]RME(M) F[ET]ORd) [ET]e) HOR[ROR]f) EṬg) SIC ỊN NO(N) HO[MINEM]f) VER[TIT]VR O(M)NIS HOMOh)

Übersetzung:

Wodurch wird der Mensch überleben, dessen Empfängnis aus Schuld [besteht]: geboren werden ist eine Strafe, das Leben ist eine Anstrengung, zu sterben ist unvermeidlich. Nach dem Mensch [kommt] der Wurm, nach dem Wurm [kommt] Gestank und Schauder; so verwandelt sich jeder Mensch in einen „Nichtmenschen“.

II.

  1. ANNOi) D(OMI)NI M 〈 – – –〉k) / STARḄ DER ERWIRḌ[ – – – ] / ḤẸRR PAVL[ – – –/ – – –l)/ – – – ] / VRSTENḌ [ – – –

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Meditationes de humana conditione bzw. Sprichwort1). (I)

Versmaß: Elegische Distichen2). (I)

Kommentar

Die schlecht erhaltene Schrift ist erhaben gearbeitet, was in der Gegend eher seltener auftritt. Wegen der Verwendung von Kapitalis, aber auch im Hinblick auf den voll ausgeprägten Grabmaltyp des Epitaphs mit Andachtsszene kann die Inschrift grob in die zweite Hälfte des 16. bzw. in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts eingeordnet werden.

Ungewöhnlich ist die Rezeption eines asketischen Textes auf dem Grabdenkmal. Sie ist im untersuchten Raum eine Seltenheit. In der Regel finden sich auf den zeitgenössischen Epitaphien meist Bibelzitate.

Trotz der gelungenen Auflösung des Zitates ist die Lesung der Grabschrift nicht geglückt. Somit konnte auch die Person nicht mehr identifiziert werden. Einzige sichere Information ist der Vorname Paul. Das verwendete Epitheton erwirdig könnte auf einen Geistlichen deuten. Die Darstellung des Verstorbenen im Relief ist wegen der Oberflächenabnutzung nur mehr auf die Grundformen reduziert und lässt dadurch keine Schlüsse mehr auf die Kleidung und somit auf die mögliche Stellung als Kleriker zu. Unter den bei Krick aufgelisteten Kirchherren und Vikaren von Aicha findet sich kein Paul3).

Textkritischer Apparat

  1. Bruchstelle im Stein quer durch Zeile.
  2. Anhand der Schaftreste evtl. PAENA.
  3. Im zitierten Text labor vita; durch das Vertauschen der beiden Wörter stimmt das Versmaß nicht mehr (für den Hinweis bedankte ich mich bei Herrn Dr. Jan Ilas Bartusch, Inschriftenkommission Heidelberg).
  4. Anhand der Schaftreste evtl. FAETOR.
  5. Im zitierten Text; Schaftreste weisen nur eine Buchstabenstelle auf, evtl. für eine et-Ligatur.
  6. Wort bzw. Endung evtl. gekürzt.
  7. Nicht im zitierten Text.
  8. Kürzungszeichen im gesamten Text nicht mehr erkennbar, erschlossen.
  9. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  10. Rest der Zeile für Datum freigelassen; unsicher, ob innerhalb der freigelassenen Stelle weiterer vorgeschriebener Text, wie z.B. iar oder am.
  11. Am Beginn der Zeile evtl. weitere freigelassene Textstelle.

Anmerkungen

  1. Die beiden Zitate stammen offenbar aus dem Werk: Meditationes de humana conditione, vgl. MPL 184, Sp. 490. Der Autor dieser Schrift ist unbekannt. Sie wird verschienen Schriftstellern zugeschrieben, darunter Bernhard von Clairvaux. Siehe auch TPMA 2, 170.
  2. Durch gewisse Abweichungen vom Originaltext stimmt der Vers nicht ganz, vgl. Fußnote c).
  3. Vgl. zu den Pfarrern in Aicha vorm Wald Krick, Seelsorgevorstände 88ff.

Nachweise

  1. Kdm Passau 17(?).

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 183 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0018308.