Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 160 Untergriesbach, Pfk. St. Michael vor 1626

Beschreibung

Epitaph für den Vikar Leonhard Huber. Am südwestlichen Vierungspfeiler. Im Obergeschoß geschwungener Giebel mit Volutengiebel, darin Reliefmedaillon mit Vollwappen. Im Hauptgeschoß zwischen Pilastern Relief: in der rechten Bildhälfte Kreuz mit Strahlenkranz und Titulus (I), am Kreuzfuß Schädel, im Hintergrund Stadtansicht, über dem Kreuz Schriftband (II), vor dem Kreuzschaft Nest, darin Pelikan mit Jungen, darunter Schriftband (III), in der linken Bildhälfte Verstorbener, kniend mit gefalteten Händen und Rosenkranz im Superpelliceum, vor ihm am Boden ein geschlossenes Buch, darauf ein Birett, hinter ihm stehend Johannes der Täufer in Felltunika und Toga, die Rechte auf der Schulter des Verstorbenen, mit der Linken ein offenes Buch mit Inschriften (IV, V) vor den Verstorbenen haltend, am oberen Bildrand darüber Wolken mit Engelsköpfen, zwischen dem Verstorbenen und dem Gekreuzigten Schriftband (VI). In der Sockelzone Unterhang mit konkavem Schriftfeld mit gerundeten Seiten, an den Seiten Voluten, mit Spruch (VII) und Grabschrift (VIII), Vorlinierung sichtbar. Kalkstein. Oberfläche der Rahmung teils leicht abgebrochen.

Maße: H. 107 cm, B. 66 cm, Bu. 0,5 cm (IV, V), 1 cm (II, III, VI), 1,5 cm (I, VIII), 1,8 cm (VII).

Schriftart(en): Fraktur (VIII), Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/4]

I.

  1. · I · N · R · I ·

II. Über dem Kreuz.

  1. SIMILIS FA//CTVS SVM PELICANO S//OLITV/OINISa) PSAL(MVS) · 101b) ·

Übersetzung:

Ich bin ähnlich einem Pelikan in der Einöde.

III. Unter dem Pelikan.

  1. IN ME MORS ET VITA

Übersetzung:

In mir ist der Tod und das Leben.

IV. Auf der linken Buchseite.

  1. ECCE AGNVS / DEI QVI TOL=/LIT P(EC)C(A)TA / MVNDIc)

Übersetzung:

Siehe, das Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt.

V. Auf der rechten Buchseite.

  1. DONA NOBIS / PACEM · ET / REQVIEM / SEMPIT/ERNAMd)

Übersetzung:

Schenke uns Frieden und ewige Ruhe.

VI. Vor dem Verstorbenen.

  1. IN TE DOMINE SPERAVI ET NON / CONFVNDAR IN AETERNVM · PSAL(MVS) · 70 ·

Übersetzung:

Auf dich, Herr, hoffte ich und ich werde in Ewigkeit nicht verwirrt werden.

VII. Auf dem Schriftfeld.

  1. DEVS SE MIHI, EGO ME DEOe) .

Übersetzung:

Gott [gab] sich mir [hin], ich [gebe] mich Gott [hin].

VIII.

  1. Anno Chr(ist)i 16⟨26⟩ den ⟨27⟩ Tag ⟨AVG(VSTI)⟩ Alhie starb vnd ligt begraben . / der Ehrwürdig vnd Geistlich Herr Leonhard Hueber von Landtshuet gebürtig / dessen vnd seiner Vatter vnd Muetter auch 11 Geschwistriget Seelenf) . Sich / Gott Erbarmen auch genedig vnd Barmherczig sein wölle Ameng) ·

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Ps 101(102),7; (II) Io 1,29; (IV) nach dem Agnus Dei der Totenmesse; (V) Ps 70(71),1. (VI)

 
Wappen:
Huber1).

Kommentar

Auf dem Epitaph finden zwei Schriften Verwendung: Kapitalis findet sich bei den lateinischen (Bibel-)Zitaten, die vor allem den Bildbereich ergänzen; für den deutschen Text der Grabschrift hingegen wird Fraktur verwendet. Die Kapitalis ist im vorliegenden Fall die Schrift der ausgezeichneten Textstellen. Sie ist eher schlicht gehalten. Die Strichstärke ist durchgehend eher fett; auf das Spiel zwischen Haar- und Schattenstrichen wird verzichtet. Ebenso sind die Buchstabenproportionen tendenziell gleich breit. Es tritt – neben M, dessen Mittelteil nicht auf die Grundlinie reicht – beispielsweise ein G mit stark gebogener Cauda, die quasi einen gegenläufigen Sinus zum Bogen bildet, auf. Auch die Q-Cauda ist augenfällig: sie reicht in den Buchstaben, ist geschwungen und geht weit in die Unterlänge.

Die Fraktur dagegen wird aufwändiger gestaltet, was in erster Linie durch den Einsatz von eingerollten und mehrfach verschlungenen Zierstrichen geschieht, die vor allem an den Oberlängen ansetzen. Der A-Versal ist besonders reich mit floralen Ornamenten ausgeschmückt: der Buchstabe besteht in erster Linie aus geschwungenen, sich oben überkreuzenden Schäften, die an den oberen Enden in Blattranken enden; diese Schäfte werden von Zierlinien begleitet, der linke Schaft endet auch unten in floralen Ranken; der Zwischenraum zwischen den Schäften ist ebenfalls vollständig mit einem senkrechten Ornamentalstab gefüllt, der den A-Balken ersetzt.

Das Epitaph weist ein relativ ausführliches Programm auf, bei dem neben den entsprechenden Bibelzitaten und einem Heiligen als Assistenzfigur auch eine symbolische Darstellung miteinbezogen wird: so spiegelt das Bild des Pelikan, der seine Jungen mit seinem eigenen Blut füttert2), gleichzeitig auch den Opfertod Christi am Kreuz, vor dem der Vogel dargestellt ist, wider. Ähnliche Bildprogramme finden sich im bearbeiteten Material sonst nicht. Es fällt auch auf, dass Leonhard Huber als begleitenden Heiligen weder seinen Namenspatron, den Hl. Leonhard, noch den Kirchenpatron, den Hl. Michael, wählte, sondern den Hl. Johannes den Täufer.

Laut Grabschrift stammte Leonhard Huber aus Landshut. In der Fürbitte wird auch seiner Eltern und seiner elf Geschwister gedacht. Krick belegt ihn als Vikar von St. Michael in Untergriesbach; er hat nach Krick 1609 – also 17 Jahre vor seinem Tod! – resigniert3).

Textkritischer Apparat

  1. Kein Trennzeichen erkennbar; Verschreibung: O statt D.
  2. Schriftzug durch Knicke im Schriftband unterbrochen; zweite Zeile zentriert; Worttrenner am Textende in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte.
  3. Danach Wechsel von der linken zur rechten Buchseite.
  4. Kein Trennzeichen erkennbar.
  5. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Grundlinie, der rechts in eine Zierlinie ausläuft, die unter die Zeile geht; Zeile zentriert, vergrößerte Anfangsbuchstaben.
  6. Es folgt Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Grundlinie mit links auslaufendem, unten bogenförmig um den Quadrangel umlaufendem und oben s-förmig auslaufendem Zierstrich.
  7. Worttrenner am Zeilenende in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte mit einem links auslaufenden, gewellten Zierstrich; Text zentriert angeordnet.

Anmerkungen

  1. Nach unten durchgebogener Sparren, allseits begleitet von je einer Lilie.
  2. Der Pelikan, der sein Jungen füttert, findet sich schon sehr früh in der christlichen Kunst als Bild für Christi Opfertod. In diesem Fall erinnert die Darstellung zusammen mit dem Spruch in me mors et vita an die in der Zeit verbreitete Emblematik, wo sich ähnliche Kombinationen finden, vgl. hierzu Emblemdatenbank: http://emblems.let.uu.nl/f1691227.html (29.01.2009); dort ein Beispiels aus Daniel de la Feuille, Devises et emblemes (1691) mit dem Pelikan und dem Spruch In morte vita.
  3. Krick, Seelsorgevorstände 509.

Nachweise

  1. Kdm Wegscheid 116; Miller, Lkr. Wegscheid 2, 137.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 160 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0016005.