Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 128 Obernzell, Pfk. Mariä Himmelfahrt (Marktkirche) 1592

Beschreibung

Baudaten im Südturm. Erster Türsturz mit Datierung und Namensinschrift für L. Östernperger (I), im Geschoß auf Höhe des zweiten Rundbogenfensters, an der südlichen Seite des Türsturzes, und zweiter Türsturz mit Datierung und Spruch (II), im Geschoß über dem zweiten Rundbogenfenster, an der westlichen Seite des Türsturzes. Jeweils in den oberen horizontalen Balken eingeritzt, zwischen der Jahreszahl eine Rosette (I, II), Jahreszahl zwischen dem Spruch (II). Baudatum im Geschoß auf Höhe des zweiten Rundbogenfensters (III), in einer Nische auf der Ostseite, gemalt. Baudatum Zeichen oder Buchstaben zwischen der Jahreszahl im Geschoß über dem zweiten Rundbogenfenster (IV), über der Tür auf den Putz gemalt. Holz (I, II); auf Putz aufgemalt (III, IV). Teil vom Putz mit Inschriftenverlust abgebröckelt (IV).

Maße: Bu. 1,5 cm (I), 3 cm (II).

Schriftart(en): Minuskel (I, II), Arabische Ziffern (III, IV).

  1. I.

    · 15 · // 92a) · L · Östernpergerb) ·

  2. II.

    [Pr]ẹißc) Gott vor · 15 · // 92d) · allen dingen

  3. III.

    1593

  4. IV.

    [15] P̣ 93e)

Kommentar

Die in Holz eingeritzten Inschriften zeigen schreibschriftliche Züge und entbehren trotz des flüchtigen Charakters nicht eines gewissen Gestaltungswillens. Dieser kommt schon allein dadurch zum Ausdruck, dass die Schrift durchaus kräftig in das Holz vertieft ist. Auch die Zierelemente wie die Rosetten und die rautenförmigen Worttrenner drücken eine Tendenz zum Dekorativen aus. Bei der Schrift selbst handelt es sich um eine Minuskel, die Einflüsse aus Fraktur oder Bastardschrift nicht von der Hand weisen kann, jedoch wegen ihres kursiven Charakters nicht als Fraktur angesprochen werden sollte. Schaft-s reicht unter die Zeile und weist einen leicht pfahlförmigen Schaft auf. Der Bogen des p ist in der Mitte eingeschnürt. Ein Buchstabe, bei dem das Schreibschriftliche besonders hervortritt, ist das Schaft-r, bei dem der Schaft leicht gebogen von links oben auf die Grundlinie geht und von dort sofort die Fahne nach rechts oben gezogen wird, sodass der Buchstabe v-förmig wirkt. n tritt in verschiedenen Varianten auf, darunter ein zur Minuskelform verkleinertes kapitales N, und ein n, bei dem der Bogen oben geknickt und dann nach unten durchgebogen wird. Die Oberlänge bei l weist eine Schlaufe auf. a ist einstöckig. d ist unzial. Die Bögen bzw. runden Buchstaben – vor allem im Mittellängenbereich – sind oval. Die gemalten Schriftzüge sind aufgrund ihres eher schlechten Erhaltungszustandes und der Tatsache, dass sie nur arabische Ziffern umfassen, bei der Schriftanalyse zu vernachlässigen.

Die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt wurde in den Jahren 1740 bis 1745 erbaut. Der Südturm basiert jedoch noch auf den Resten einer älteren Konstruktion. Diese gehörte zu einem spätgotischen Vorgängerbau, der 1592 errichtet wurde1). Hiervon zeugen auch die Baudaten an den Türstöcken im Turm. Die beiden gemalten Jahreszahlen von 1593 beziehen sich wohl auf eine Phase der „Innenausstattung“, bei der vielleicht der Putz angebracht wurde.

Laut Röttger in Kdm Wegscheid stamme die Inschrift vom Zimmermann. Wer der darin genannte Östernperger war, bleib offen. Röttger konnte diesen nicht näher identifizieren. Der Name Östernperger erscheint in Obernzell knappe 50 Jahre später: Miller berichtet von einem Pflegerichter namens Wolf Östernperger, den er um 1640 belegt2). Ob dieser mit der hier genannten Person in Zusammenhang stand, ob er vielleicht ein Nachfahre des L. Östernperger war, ist möglich, aber nicht sicher.

Textkritischer Apparat

  1. Jahreszahl durch Rosette unterbrochen; die ersten beiden Worttrenner in Form eines oben offenen Kreises.
  2. Worttrenner in Form einer liegenden konturierten Raute.
  3. Anfang des Balkens abgeschnitten bzw. von Stange verdeckt, ergänzt nach Kdm Wegscheid: zu erkennen sind noch Teile eines Versals, erster sichtbarer Buchstabe e: im Mittellängenbereich, jedoch mit drei Balken und(!) Bogen, evtl. Verschreibung oder Ligatur für re.
  4. Jahreszahl durch Rosette unterbrochen; Worttrenner in Form einer liegenden konturierten Raute, vor der Rosette in Form eines kleinen Kreises.
  5. Teil der Jahreszahl mit Putz abgebröckelt; Lesung P unsicher, möglicherweise Meisterzeichen.

Anmerkungen

  1. Vgl. hierzu Röttger, Kdm Wegscheid 64f.
  2. Miller, Obernzell 27.

Nachweise

  1. Kdm Wegscheid 65 (nur I und II).

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 128 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0012807.