Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 124 Obernzell, ehem. fürstbischöfliches Schloss (1583)

Beschreibung

Kamin im Festsaal im zweiten Stock im südlichen Teil des Schlosses, an der Nordwand, in der Mitte. Auf der Vorderseite des dreieckigen Rauchkastens Bemalung: in der Mitte der gemalten Darstellung ein ruhendes Dromedar mit Lastenpaket in angedeuteter Landschaft, darüber geschwungenes Schriftband mit Inschrift (I). Der Kamin unterbricht ein hölzernes Gebälk mit Sprüchen (Nr. 122), das auf Höhe der Türstürze den gesamten Raum umläuft. Links und rechts des Kamins bezieht sich der jeweilige Spruch auf dem Gebälk auf den Kamin (II und III). Bemalter Stuck (I), Holz, gefasst (II, III). Von 1971 bis 1973 restauriert1).

Maße: H. 106 cm, B. 261 cm, Bu. 2 cm (II, III), 2,5 cm (I).

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/4]

I.

  1. NONa) // SVEFROb) MAS DE LO QVEc) // PVEDO

Übersetzung:

Ich (er)leide nicht mehr als ich (ertragen/erleiden) kann2).

II. Links vom Kamin

  1. ASPICEd) QVI TRANSIS, QVI SIM, VEL QVOD MIHI NOMEN. QVAEVEd) SIT VTILITAS, SVM CALEFACTOR EGO. NOMINEd) CAMINVS DICOR COGNOMINE FORNAX, AESTASd) QVEM SPERNIT, SED VENERATVR HYEMS

Übersetzung:

Erblicke, der du vorbeigehst, wer ich bin, und welcher mein Name ist. Oder welcher der Nutzen ist: ich bin ein Erhitzer. Mit Namen werde ich Kamin genannt, mit Beinamen Ofen, welchen der Sommer verschmäht, den aber der Winter verehrt.

III. Rechts vom Kamin

  1. CVJVSd) IN HAC AVLA QVATIVNTVR FRIGORE MEM=/BRAe), HVC VENIAT MEDICVS NAMQVE FIDELIS ERO. / SEDd) TAMEN HAVD POSSEM GELIDAM RECREARE CATE=/RVAMe) NI MIHI VVLCANVS SVPPEDITARET OPEM.

Übersetzung:

Wessen Glieder in dieser Halle von der Kälte durchgeschüttelt werden, der komme hierher, ich werde nämlich ein getreuer Arzt sein. Aber ich könnte dennoch nicht die eiskalte Schar wiederherstellen, wenn nicht Vulkan mir die Kraft verliehe. (III)

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Giovio, Imprese. (I)

Versmaß: Elegische Distichen. (II, III)

 
Wappen:
Hochstift Passau/Trenbach3).

Kommentar

Die Bemalung des Rauchkastens scheint in das Programm des gesamten Saales zu gehören und ist wohl auch gleichzeitig entstanden. Daher wird die Nummer in das Jahr 1583, auf das auch die Wappenreihe der Päpste datiert ist (vgl. Nr. 123), eingeordnet.

Da die Malerei restauriert ist und somit auch der darin integrierte Schriftzug nachgefahren wurde, kann keine genauere Schriftanalyse vorgenommen werden. Es handelt sich um eine relativ unauffällige Kapitalis. Ähnliches gilt für die beiden auf dem Gebälk befindlichen Sprüche, die zusammen mit dem Spruchzyklus (Nr. 122) angefertigt wurden und ebenfalls restauriert sind.

Der Aufbau und die Form des Kamins weisen auf italienischen Einfluss4).

Der Spruch I in Zusammenhang mit der Darstellung ist in den Bereich der Emblematik bzw. der so genannten „imprese“ – eine Art Lehrbilder – einzuordnen. Text und Bild finden sich bei Paolo Giovio in seinem „Dialogo dell’imprese militari et amorose“5). Anbei wird erklärt, dass der Kardinal Ippolito d’Este I.6) diese „impresa amorosa“ geführt hätte. Die Aussage „nicht mehr zu (er-)tragen, als man kann“ wird durch die Darstellung des Kamels (Dromedars) unterstrichen: für dieses Tier sei es typisch, dass es sich hinkniet, um beladen zu werden; ist das Gewicht jedoch genug, steht es auf und signalisiert damit, dass es nicht mehr Lasten tragen kann.

Urban von Trenbach könnte mit dieser Literatur bei seinem Studium in Italien vertraut worden sein. Was genau Urban mit diesem (Lehr-)Bild aussagen wollte bzw. warum er ausgerechnet dieses wählte, ist nicht bekannt. Vielleicht soll das Bild auf Probleme in seiner Amtszeit, die er offenkundig unter anderem mit dem Domkapitel hatte7), anspielen und seinen Gegnern signalisieren, dass sie auch bei ihm auf Grenzen stoßen könnten.

Die anderen beiden Sprüche II und III beschäftigen sich hingegen direkt mit dem Kamin und umfassen im Gegensatz zu den restlichen Sprüchen (Nr. 122) je zwei elegische Distichen. Durch diese spricht quasi der Kamin zum Leser. Auch hierdurch unterscheiden sich die beiden Inschriften von den anderen. Ein konkretes Vorbild für den Text konnte bislang nicht ausfindig gemacht werden. Die Anspielung auf Vulkan bietet sich in Bezug auf einen Kamin jedoch an und findet sich häufig in Verbindung mit solchen in bildlicher Darstellung besonders in Italien8).

Textkritischer Apparat

  1. Davor ein aus fünf Ornamenten zusammengesetztes Kreuz; es folgt ein Knick im Schriftband.
  2. Die korrekte Form des Wortes müsste SVFFRO lauten, es handelt sich dabei um eine ältere spanische Form, die vor allem im 15. und 16. Jahrhundert verbreitet war2); SVEFRO findet sich jedoch bereits bei Giovio.
  3. Es folgt ein Knick im Schriftband.
  4. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  5. Bei Dölzer, Freskomalerei 34 anderer Zeilenumbruch (vgl. Versmaß!).

Anmerkungen

  1. Vgl. Arbeitsbericht Willy Walchers in den Unterlagen der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, inzwischen ans BHStA München abgegeben (dort 2009 noch ohne Signatur). Der Bericht stammt aus dem Jahre 1973, darin ist das Jahr 1971 genannt.
  2. Für diesen Hinweis sowie für die genauere Erläuterungen zur Wortform wie auch für die Übersetzung danke ich Frau Dr. Dagmar Dietz-Hertrich, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Romanische Philologie der LMU München.
  3. Bi 49, Taf. 79; Feld 4 Drachenkopf bei Siebmacher irrig ohne Stab. Nach Röhrer-Ertl, Fingerzeig: Version D.
  4. Vgl. hierzu kurz Riechmann, Prachtkamine Nr. 66.
  5. Paolo Giovio, Dialogo dell’imprese militari et amorose 1554; eingesehen Auflage Lyon 1574, 132f.
  6. Ippolito I. d’Este (geb. 1479, gest. 1520), unter anderem Erzbischof von Mailand (1497–1520); 1493 Kardinal.
  7. Vgl. hierzu beispielsweise kurz: Leidl, Bischöfe 35f.
  8. Vgl. hierzu: Riechmann, Prachtkamine 251 Anm. 1 (Beispiele in Italien) und Nr. 66 (Obernzell) und Nr. 62 (Münster/Westf., Rathaus, Rüstkammer: Kamin mit Darstellung Vulkans, 1579/1580, 1945 zerstört).

Nachweise

  1. Miller, Obernzell 54 (nur Sprüche beiderseits des Kamins in deutscher Übersetzung); Schmid, Obernzell 14 (nur Sprüche des Kamins in deutscher Übersetzung); Riechmann, Prachtkamine Nr. 66 (nur mit den beiden Versinschriften des Inschriftenfrieses; ohne die Inschrift auf dem Rauchkasten); Handbuch Keramikmuseum 151f.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 124 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0012409.