Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 122 Obernzell, ehem. fürstbischöfliches Schloss (1582/1583)

Beschreibung

Gebälk mit (heute) 54 Sprüchen, davon zwei zum Kamin gehörig (Nr. 124), im Fries, im Festsaal, auf Höhe des Gebälkes der beiden Türrahmen auf der Nordseite; den gesamten Saal umlaufend, die Seitenwände der Fensternischen mit einbeziehend. Holz, gefasst. Fries in Schriftfelder eingeteilt, Felder durch florale Ornamente abgeteilt, im Feld meist vierzeilige Inschrift mit Sprüchen in Latein, an einigen Stellen Teile in Hebräisch, Griechisch und Altsyrisch, meist die letzte bzw. vorletzte Zeile des Spruches ausmachend. Gebälk weiß, Schrift schwarz, die Schriftfelder abteilende Ornamente rot, an Gesims und Architrav bläulich-graue Bemalung. Gesamtes Gebälk restauriert; einige Abschnitte des Frieses leer: hier möglicherweise Inschriften verloren; Originalität der Spruchreihenfolge unsicher1). Für die folgende Edition wurden die Sprüche durchnummeriert, an der Ostseite beginnend, im Uhrzeigersinn umlaufend, analog zu der darüber befindlichen und noch original durchgezählten Päpstereihe (vgl. Nr. 123). Angeblich sollen die Sprüche ursprünglich auch durchgezählt gewesen sein und 64 Inschriften umfasst haben (heute sind es insgesamt 54)2). Hiervon ist jedoch weder am heutigen Zustand noch in der kopialen Abschrift bei Dölzer etwas erkennbar.

Maße: H. 35 cm (Fries), 13, 5 cm (Schriftfeld), B. 56 cm (Schriftfeld), Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis, westsyrische Schrift (Serto; 4, 6), Griechisch (3, 7, 19, 22, 24, 38), Hebräisch (2, 10)3).

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/9]

Ostseite

  1. 1.

    QVOTIDIEa) EXAMINA CONSCIENTIAM / QVID TOTO DIE VIDERIS, LOQVVTVS / SIS, EGERIS, HIS RITE PERACTIS DEO / LARGITORI GRATIAS AGE, ET SIC PERGE.

Übersetzung:

Täglich prüfe das Gewissen darauf hin, was du den ganzen Tag über gesehen, geredet und getan hast; und wenn du das alles auf die richtige Weise vollbracht hast, dann danke Gott, dem Spender, und fahre so fort.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Zusammengefasst nach Vives, Introductio Satz 188 und 189 (quid bis perge).

Kommentar

Der Spruch ist der erste auf der Ostseite; davor ist der Fries ungefähr im Umfang eines Schriftfeldes leer.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.

  1. 2.

    SIa) QVID PECCAVERIS DEVM / DEPRECARE ET POST HAC ABSTINE / NE SERVVS PECCATI FIAS, NAMb)

Übersetzung:

Wenn du eine Sünde begangen hast, dann bitte Gott um Vergebung und enthalte dich ihrer von da an, damit du kein Knecht der Sünde wirst, denn: ... .

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Io 8,34 (servus peccati).

Kommentar

Der hebräische Text kann aus dem heutigen Schriftbefund nicht mehr rekonstruiert werden.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgen hebraisierende Zeichen. Ursprünglich wohl hebräischer Text, durch die Renovierung verdorben. Am linken Rand der Zeile ein florales Ornament.

  1. 3.

    MEMINERISa) PRAECIPVE EORVM IN / QVIBVS SALVVSb) ES NE TE RVRSVM / DECIPIANT ET MERITO PEREAS / ΚΥΩΝ ἘΠÍ ΤÓ ἸΔΙΟΝ (ΕΞΔΡΑΜΑϹ?)c)

Übersetzung:

Erinnere dich vor allem an die [Sünden], in denen du dich (schon einmal) verfangen hast, damit sie dich nicht erneut betören und du nicht verdientermaßen zugrunde gehst: Der Hund kehrt zum Eigenen zurück.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 156 (memineris bis decipiant) und nach Prv 26,11 (Textabschnitt in Griechisch, evtl. Grundlage für den gesamten Spruch).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert; Konjunktiv statt Imperativ.
  2. In der Vorlage bei Vives, Introductio Satz 156 hier falsus; mutmaßlich in der Inschrift verfälscht, da decipiant falsus wiederaufnimmt.
  3. Sic, die runde Klammer und das Fragezeichen in der Inschrift, bei Dölzer, Freskomalerei 23 letzter Buchstabe ein ε?; Text möglicherweise fälschlich für Κύων ἐπὶ τòv ἴδιον (der Hund kehrt zu seinem Eigenen zurück), danach wohl ursprünglich ἐκδραμών.

  1. 4.

    CVIVSVISa) HOMINIS EST ERRARE NVLLIVS / (· NISI INSIPIENTIS ·) PERSEVERARE IN ERRORE / ITAQVE bašnaṯ 1581 mš[īḥōitō]b) AT QVI STAT VID=/EAT NE RVRSVM CADATc).

Übersetzung:

Es ist jedem Menschen zu Eigen, zu irren, keinem (aber) (außer dem Törichten) ist es zu Eigen, im Irrtum zu verweilen: Im christlichen Jahr 1581(?)1). Aber der, der steht, sollte sehen, dass er nicht wiederum fällt.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 157 (cuiusvis bis errore) bzw. M. Tullius Cicero, Philippica 12, 5 (cuiusvis bis errore) und nach 1 Cor 10,12 (qui bis cadat) bzw. TPMA 11, 120 (qui bis cadat).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Für die Transliterierung der syrischen Inschrift bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Dr. Hubert Kaufhold, Leopold-Wenger-Institut; Lesung unsicher.
  3. Es folgt ein florales Rankenornament nach dem Punkt; bei Dölzer, Freskomalerei 23 am Ende der dritten Zeile anderer Zeilenumbruch.

Anmerkungen

  1. 1.Die Übersetzung des syrischen Teiles ist sehr unsicher. Für die Hilfe und den Hinweis, dass der Text problematisch ist, danke ich Herrn Prof. Dr. Dr. Hubert Kaufhold.

  1. 5.

    QVIAa) IMPVNITVM NON DEBET ESSE / PECCATVM, PVNIATVR A TE, NE TV PRO / ILLO PVNIARIS, PERPENDE REGNVM DEI / VIM PATI, ET VIOLENTOS RAPERE ILLVD.

Übersetzung:

Weil die Sünde nicht ungestraft bleiben darf, soll sie von dir bestraft werden, damit nicht du an ihrer Stelle bestraft wirst. Bedenke, dass das Reich Gottes Gewalt erleidet und Gewalttätige darüber herfallen!

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Aurelius Augustinus Sermo 20, 2 (CCSL XLI, 263) (quia bis puniaris) und nach Mt 11,12 (regnum bis illud).

Textkritischer Apparat

  1. Schrift vergrößert.

  1. 6.

    FACILIVSa), TVTIVS, JVCVNDIVSQVE EST, / BENE ACEREb), NAM PECCATVM TIMORIS / ET SOLICITVDINIS PLENVM EST kul / gēr d-sanyōṯō ˓ōḇeḏ sōnē l-nuhrōc)

Übersetzung:

Leichter, sicherer und angenehmer ist es, gut zu handeln, denn die Sünde ist voll von Furcht und Kummer: Jeder nämlich, der Böses tut, hasst das Licht.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 579 (facilius bis est) und Io 3,20 (Textabschnitt in Altsyrisch).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Wort falsch ergänzt, lies AGERE, so auch bei Dölzer, Freskomalerei 24.
  3. Für die Translitterierung der syrischen Inschrift bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Dr. Hubert Kaufhold, Leopold-Wenger-Institut; am linken Rand der Zeile ein florales Rankenornament; bei Dölzer, Freskomalerei 24 am Ende der dritten Zeile anderer Zeilenumbruch.

  1. 7.

    NVLLAa) POENA CRAVIORb) POENA CONSCI,/ENTIAEc), SIC ERGO VIVE VT PECCATVM / JVDICEM TE HABEAT, NON PATRONVM, / NE TE MANEAT ΠΥΡΑ ΖΤΟΥd) ΟΡΟΣe).

Übersetzung:

Es gibt keine schlimmere Strafe als die Strafe des Gewissens. Lebe daher so, dass die Sünde in dir einen Richter hat und keinen Beschützer, damit dich nicht das Feuer (der Hölle) erwarte.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Isidor von Sevilla, Synonyma de lamentatione animae peccatricis 2, 61 (MPL 83, Sp. 859) (nulla bis conscientiae) und nach Aurelius Augustinus Sermo 20, 2 (CCSL XLI, 263) (peccatum bis patronum).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Lies GRAVIOR, so auch bei Dölzer, Freskomalerei 24.
  3. An Stelle der Trennstriche ein Komma.
  4. Entweder τὰ πυρά = das Feuer (metaplast. Plural) oder ἡ πυρά = der Scheiterhaufen.
  5. τὸ ὄρος = der Berg oder ὁ ὅρος = die Grenze, das Ziel.

  1. 8.

    MAGNAa) VIS EST CONSCIENTIAE IN VTRAMQVE / PARTEM VT NEC TIMEANT QVI NIHIL COM=/MISERVNTb), ET POENAM SEMPER ANTE OCVLOS / VERSARI PVTENT, QVI PECCAVERVNTc).

Übersetzung:

Groß ist die Kraft des Gewissens, und zwar in beiden Richtungen: es bewirkt, dass einerseits die, die nichts begangen haben, nichts fürchten, andererseits die, die gesündigt haben, dass ihnen die Strafe stets vor Augen stehe.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach M. Tullius Cicero, Pro T. Annio Milone Oratio 61 (magna bis peccaverunt).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 24 hier anderer Zeilenumbruch.
  3. Es folgt ein florales Ornament nach dem Punkt.

  1. 9.

    – – –]IMORI ISS[– – –]PO[– – –]ON / NONDVM I[.]NI[– – –]AINAMO[– – –]T[.]V / OVIAa) FOVIRSI DECOA CVC[– – –]V / [– – –]VEI ITI SI IMPVNI AIISSb)[– – –

Kommentar

Die Buchstaben dieses Abschnittes konnten offenbar nicht mehr ganz rekonstruiert werden. In der kopialen Überlieferung bei Dölzer ist dieser Spruch nicht berücksichtigt. Die noch erkennbaren Teile der Inschrift wurden bei der Restaurierung in Konturschrift ausgeführt.

Textkritischer Apparat

  1. Ursprünglich möglicherweise QVIA.
  2. Buchstabenbestand ab IMPVNI möglicherweise auf IMPVNI[T]ATIS SPE[M] zu ergänzen, ein Ausdruck, der in dem bereits in der vorhergehenden Nummer zitierten Werk M. Tullius Cicero, Pro T. Annio Milone Oratio 43, auftritt; der Rest der Inschrift kann leider nicht nach dieser Stelle ergänzt werden.

  1. 10.

    PAVPERVMa) NE OBLIVISCITOR NIHIL · (E)N(IM) · VERI(VS) / CHRISTO OLIM QVI NOBIS DIXITb) QVI BIS / DAT CITO DATc)

Übersetzung:

Du sollst die Armen nicht vergessen; denn es gibt nichts Wahreres als Christus, der uns einst gesagt hat: wer zweimal gibt, gibt schnell ... .

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Ps 9,33 (pauperum bis obliviscitor), nach Io 14,6 (nihil bis Christo) und nach TPMA 4, 199 (qui bis dat).

Kommentar

Bei diesem Text ergeben sich zwei Probleme: das hier verwendete Sprichwort heißt eigentlich bis dat, qui cito dat (doppelt gibt, wer schnell gibt). Hinzu kommt, dass dieser Ausspruch in der Inschrift Christus zugeschrieben wird. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um ein Bibelzitat.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgt ein kleines Ornament.
  3. Davor kein Spatium; bei Dölzer, Freskomalerei 25 nach CHRISTO nur fragmentarische Textabschrift der lateinischen Inschrift. Dahinter hebraisierende Zeichen, wohl ursprünglich hebräischer Text, durch Renovierung verdorben. Es folgt ein florales Rankenornament, das den Rest der Zeile ausfüllt.

  1. 11.

    Text ergänzt nach Dölzer, Freskomalerei 29. ETSI SCI]P[E]Ma)[, (INQVIT QVIDAMb) – – –/PECCATVM ME]VMc) D[E]A[Md) – – – / HOMINESQVE LATEREe) – – –]Nf)[– – –/PEC]CAL[Ig) T]V[RP]IIV[DINEMh)] NON [PECCANS.]

Übersetzung:

Selbst wenn ich wüsste, hat jemand gesagt, dass meine Sünde vor Gott und den Menschen verborgen bleiben werde, würde ich trotzdem nicht sündigen, weil ich mich vor mir selber schämen müsste.

Kommentar

Die Inschrift wurde bei der Restaurierung in Konturschrift ausgeführt. Der Text dieses Abschnittes konnte offenbar nicht mehr ganz rekonstruiert werden, obwohl er bei Dölzer in Teilen überliefert ist. Aus den offenbar nur noch äußerst fragmentarisch erkennbaren Buchstabenresten konnte die Stelle bei Dölzer offenbar nicht mehr identifiziert werden. Bei genauerer Betrachtung können die wenigen Buchstaben jedoch diesem (fragmentarischen) Spruch zugewiesen werden. Trotzdem kann kein vollständiger Text rekonstruiert werden. Bei Dölzer ist dieser Spruch zwischen dem 27. und dem 28. aufgenommen.

Textkritischer Apparat

  1. Das rekonstruierte P muss zu einem R ergänzt werden.
  2. Runde Klammer in der kopialen Abschrift der Inschrift enthalten, in der Klammer auf mittlerer Höhe ein Punkt; wo diese Klammer schließt, geht aus der Abschrift Dölzers nicht hervor; mutmaßlich schloss sie nach QVIDAM; bei Dölzer, Freskomalerei 29 Rest der Zeile mit Punkten ausgefüllt.
  3. Vor V zwei parallele Hasten angedeutet.
  4. Das rekonstruierte A muss in ein V geändert werden; mutmaßlich wurde bei der Restaurierung ein noch erkennbarer Schrägschaft zu einem A statt zu einem V ergänzt; bei Dölzer, Freskomalerei 29 Rest der Zeile mit Punkten ausgefüllt.
  5. Wort ergänzt.
  6. Bei Dölzer, Freskomalerei 29 Reste der Zeile mit Punkten ausgefüllt; in der Rekonstruktion ein einzelnes N dazwischen.
  7. Das rekonstruierte L muss in ein T geändert werden.
  8. In der Rekonstruktion zwei parallele Hasten angedeutet, ursprünglich I und T.
   

Südseite

  1. 12.

    ALTIORAa) TE NE QVAESIERIS / PRAESERTIM DIVINA QVI ENIM / SCRVTATVR MAJESTATEM OPPRI=/METVR A GLORIAb).

Übersetzung:

Erstrebe nichts, was höher ist als du, und schon gar nicht, was göttlich ist, denn wer der Majestät (Gottes) nachspürt, der wird von (ihrer) Herrlichkeit erdrückt werden.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 128 (altiora bis quaesieris) und 127 (qui bis gloria) bzw. auch nach Sir 3,22 (altiora bis quaesieris) und Prv 25,27 (qui bis gloria).

Kommentar

In der kopialen Überlieferung bei Dölzer ist Spruch Nr. 12 zwischen dem 23. und dem 24. aufgenommen

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgt ein florales Ornament nach dem Punkt.

  1. 13.

    MELIORAa) SEMPER TIBI IMITANDA / PROPONE, SECTARE PRO VIRIBVS BONITA=/TEMb), BONVS ENIMc) BONIS ET MALIS, / MALVS NEC MALIS NEC BONISd)

Übersetzung:

Nimm dir immer vor, Besseres nachzuahmen! Strebe nach Kräften nach dem Guten! Denn ein guter Mensch ist sowohl zu guten als auch zu bösen Menschen, ein schlechter aber weder zu guten noch zu schlechten gut.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 25 anderer Zeilenumbruch, dort auch am Ende der dritten Zeile ein Ornament.
  3. Es müsste nach ENIM wohl zusätzlich BONVS ET eingefügt werden.
  4. Es folgt ein florales Ornament.

  1. 14.

    VIVEa) IGITVR VT VIVAS. / ET CVIVS PVDEBIT PIGEAT / NEC FECERIS QVOD FACTVM / NOLISb).

Übersetzung:

Lebe also, um zu leben; habe an Dingen, die du später bereuen wirst, keinen Gefallen; und tue nichts, was du später wirst ungeschehen haben wollen!

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Satellitium Nr. 44 (vive bis vivas), Nr. 113 (cuius bis pigeat) und Nr. 114 (ne bis nolis).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Lies möglicherweise noles; Nach dem Punkt folgen drei unterschiedliche, florale Rankenornamente, die die restliche Zeile ausfüllen.

  1. 15.

    QVODa) SI OMNIA FECERIS TE TAMEN SERVVM / INVTILEM RECORDARE QVIA PRAETER DEBITVM / ET NE ID QVIDEM NIHIL PRAESTITERISb), / HVMILIAR(E)Sc) AVTEM SVB POTENTI MANV DEId).

Übersetzung:

Wenn du denn alles getan hast, dann denke daran, dass du doch nur ein unnützer Knecht bist, weil du außer dem, was du schuldig gewesen bist, nichts vorzuweisen hast, und nicht einmal das! Demütige dich aber unter Gottes mächtiger Hand!

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Bernardus Clarevallensis, In die Pentecostes Sermo 2, 6 (Winkler, Bernhard 8, 169) (omnia bis inutilem) bzw. nach Lc 17,10 (servum inutilem) und nach 1 Pt 5,6 (humiliares bis dei).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Sic!
  3. Sic! Stelle möglicherweise verdorben, lies HVMILIARE.
  4. Es folgt eine vierblättrige Blüte.

  1. 16.

    DEVSa) AVTEM HVMILIA RESPICIT, SEDb) / ALIAc) A LONGE COGNOSCIT, RESISTIT SV=/PERBIS HVMILIBVS AVTEM DAT GRATIAM. / VT EXALTATI HVMILIENT(VR)d), HVMILES EXALTENT(VR).

Übersetzung:

Gott aber beachtet das Niedrige, aber er erkennt das Andere [schon] von weitem; er stellt sich den Hochmütigen entgegen, den Demütigen aber gibt er Gnade, damit die Hochmütigen erniedrigt, die Demütigen erhöht werden.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Ps 146(147),6 (deus bis respicit), nach 1 Pt 5,5 (resistit bis gratiam) bzw. nach Iac 4,6 (resistit bis gratiam) und nach Mt 23,12 (exaltati bis exaltentur) bzw. nach Lc 14,11 (exaltati bis exaltentur).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 26 hier anderer Zeilenumbruch.
  3. Ursprünglich wohl ALTA, vgl. Ps 135,6.
  4. Eine Kürzung für die Passivendung -VR fehlt, bei Dölzer, Freskomalerei 26 vorhanden.

  1. 17.

    DIFFICILIAa) QVIDEM HAEC, SED LABOREM PRO / COELESTI PRAEMIO, QVIS, NISI AMENS, REFVGIAT? / ADNITERE IGITVR, INVOCATO DIVINO AVXILIO, / TAVRVM TOLLES, QVI VITVLVM SVSTVLERISb).

Übersetzung:

Schwierig sind diese Dinge wohl; aber wer würde die Anstrengung um himmlischen Lohn wohl scheuen außer einem Wahnsinnigen? Strenge dich also an, und wenn du die göttliche Hilfe angerufen hast, dann wirst du, der du ein Kalb gehoben hast, auch einen Stier heben.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 576 (laborem bis refugiat) und TPMA 9, 332 (taurum bis sustuleris).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgt ein Ornament nach dem Punkt.

  1. 18.

    TEa) OFFENDENTI IGNOSCE IMITANSb) CREATOREM / QVI SOLIS RADIOS CVM BONIS TVM MALIS IM=/PERTITc), IGNOSCERE ENIM GENEROSI PECTORIS / EST, IRAM RETINERE, ATROCIS, ET BRVTORVMd).

Übersetzung:

Hat dich jemand beleidigt, so verzeihe ihm, indem du den Schöpfer nachahmst, der die Sonnenstrahlen nicht nur Guten, sondern auch Schlechten zukommen lässt, denn Verzeihen ist Zeichen einer edlen Gesinnung, den Zorn zu bewahren ist Zeichen einer grausamen Gesinnung und der Dummen.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Mt 5,45 (qui bis impertit) und nach Vives, Introductio Satz 541 (ignoscere bis brutorum).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 26 MITANS.
  3. Bei Dölzer, Freskomalerei 26 am Ende der zweiten und dritten Zeile anderer Zeilenumbruch.
  4. Bei Dölzer, Freskomalerei 26 folgt nach dem Punkt ein Ornament.

  1. 19.

    INIVRIAa), OMNINO OBLIVIONE VLCISCENDAb) / EST, ὉΡΓÍΕΣΤΕc), ΚΑÌ ΜΉ ἉΜΑΡΤΑΎΕΤΕd), Ὁ ἭΛΙe) / ΜΗ ἘΠΙΔΥΕΤΩ ΈΠΙ ΤΩ῀ ΠΑΡΟΡΓΙΣΜΩ῀ ὙΜΩΝ. / BEATI ENIM MITES ET MANSVETI CORDEf).

Übersetzung:

Eine Ungerechtigkeit muss durchaus mit Vergessen gerächt werden: Lasst euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen, denn selig sind die Milden und im Herzen Sanften.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Satellitium Nr. 128 (iniuria bis ulciscenda), nach Eph 4,26 (Textabschnitt in Griechisch) und nach Mt 5,4 und 5,8 (beati bis corde).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 26 hier anderer Zeilenumbruch.
  3. Sic, für ΟΡΓΙΖΕΣΘΕ.
  4. Sic, für ΑΜΑΡΤΑΝΕΤΕ; ΑΜΑΡΤΑΥΕΤΕ schon bei Dölzer, Freskomalerei 26.
  5. Sic, für ΗΛΙΟΣ; bei Dölzer, Freskomalerei 26 folgt am Ende dieser Zeile zusätzlich ein Ornament.
  6. Es folgt ein florales Ornament.

  1. 20.

    MINITARIa) MVLIERCVLARVM EST NEC / PROBATVMb) AT CONVICIVM CONVICIO / REGERERE EST LVTVM LVTO PVRGAREc).

Übersetzung:

Drohen ist eine Tätigkeit liederlicher Weiber und hat sich nicht bewährt. Eine Schmähung mit einer Schmähung zu vergelten ist jedoch so töricht, wie wenn man Schmutz mit Schmutz reinigen wollte.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 449 (minitari bis probatum) und 448 (convicium bis purgare).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 27 PRORARUM.
  3. Es folgt ein florales Rankenornament in der Mitte der nachfolgenden Zeile; bei Dölzer, Freskomalerei 27 am Ende der dritten Zeile anderer Zeilenumbruch.

  1. 21.

    CAVEa) NE CVM EO QVEM QVANDOQVE EX / ANIMO DILEXISTI SIMVLTATEM, EXERCEASb). / AMICITIAS ENIM IMMORTALES ESSE OPORTETc)

Übersetzung:

Hüte dich davor, mit einem Menschen, den du einst im Grund der Seele geschätzt hast, in Feindschaft zu leben. Es gehört sich nämlich, dass Freundschaften unsterblich sind.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach TPMA 4, 35f. (amicitias bis oportet).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgt eine Leerzeile mit einem floralen Rankenornament in der Mitte.
  3. Bei Dölzer, Freskomalerei 27 Zeilenumbruch am Ende der dritten Zeile und an Stelle der ornamentalen Zeile florales Rankenornament am Ende einer vierten Zeile.

  1. 22.

    DELIBERAa) ἈΜΑΘÍΑ ΜῈΝ ΘΡÁΣΟΣ ΛΟΓΙΣΜÒΣ ΔῈ / ὌΚΝΟΝ ΦΈΡΕΙ. NEC QVIDQVID IVCVNDAMb) TIBI DICENTI. / IDEM CREDIDERIS ESSE ALIIS AVDIENTIBVS, NEC, / OMNIBVS DATVR ET MVLTA ET OP(P)ORTVNA DICERE.

Übersetzung:

Überlege: Unbedachtsamkeit bringt Tollkühnheit (mit sich), nüchterne Überlegung (dagegen) Vorsicht: weder darfst du glauben, dass alles, was du als dir Angenehmes sagst, auch anderen, die die zuhören, angenehm ist, noch ist es allen gegeben, sowohl vieles als auch Zweckmäßiges zu sagen.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Thucydides, Historiae 2, 40, 3 (Textabschnitt in Griechisch), nach Vives, Introductio Satz 476 (nec bis audientibus) und nach TPMA 13, 253 (et multa bis dicere).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert; bei Dölzer, Freskomalerei 27 im gesamten Text anderer Zeilenumbruch.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 27 QUICQUID JUCUNDUN, also mutmaßlich quidquid iucundum.

  1. 23.

    SVPERFLVAa) NE EXPETITO, NEC ENIM AVRVM SI NON / VTARE A COENO DIFFERT, NISI QVOD MAGIS ANGIT / EIVS CVSTODIA STVLTITIAM NECESSARIA NON EXPLENT / SVPERFLVA CVM OBRVANT NON SATIANTb).

Übersetzung:

Du sollst nicht nach überflüssigen Dingen streben, denn Gold unterscheidet sich nicht vom Schmutz, wenn du es nicht benützt; abgesehen davon, dass die Bewachung des Goldes mehr Ängste verursacht als die des Schmutzes. (Aber so ist die Torheit nun einmal:) Mit dem Notwendigen gibt sie sich nicht zufrieden, an Überflüssigem aber kann sie nicht einmal, wenn sie damit überschüttet wird, genug kriegen.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 41 (nec bis custodia) und 104 (stultitiam bis satiant).

Kommentar

In der kopialen Überlieferung bei Dölzer folgt auf diesen Spruch Nr. 12.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgt ein florales Rankenornament, das den Rest der Zeile ausfüllt.

  1. 24.

    NATVRAa) NECESSARIA DOCVIT, QVAE SVNT PAVCA / ET PARABILIA, STVLTITIA SVPERFLVA EXCOGITAVIT, / QVAE SVNT INFINITA ET DIFFICILLIMA COMPARATV, / APAGE DICTVM ILLVD, BELVINVM Ἤ ΠÌΘΙ Ἠ ἌΠΙΘΙ.

Übersetzung:

Die Natur hat das Notwendige gelehrt, das wenig und leicht zu verschaffen ist; die Torheit hat das Überflüssige ersonnen, das unbegrenzt und äußerst schwer zu erwerben ist. Hinweg also mit jenem viehischen Ausspruch: „Saufe oder verschwinde!“.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 102 (natura bis difficillima), Walther, Carmina Nr. 35065 (Textteil in Griechisch).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.

  1. 25.

    – – –] APPRIME CHARVM ESSE / O[– – –]AMICE[– – –]R[– – –]ND[– – –/– – –]a)ARI[– – –

Kommentar

Der Text dieses Abschnittes konnte offenbar nicht mehr ganz rekonstruiert werden. In der kopialen Überlieferung bei Dölzer fehlt dieser Spruch gänzlich. Die Farbgebung der Inschrift ist heller als bei den übrigen Feldern, wahrscheinlich weil man den Text bzw. die Buchstaben nicht mehr sicher rekonstruieren konnte. Aus den wenigen noch nachvollziehbaren Worten konnte kein Text erstellt werden.

Textkritischer Apparat

  1. Dazwischen eine Leerzeile ohne ersichtliche Schriftreste.

  1. 26.

    SOMNVS VT MEDICINA CVRANDO CORPORI / SVMENDVS NEC EXISTIMANDVM VITAE ID / TEMPVS QVOD SOMNO IMPENDITVR, VITA · (E)N(IM) · / VIGILIA EST, SOMNVS VERO MORTIS IMAGO.

Übersetzung:

Schlaf muss wie eine Medizin zur Pflege des Körpers genommen werden, und man darf nicht meinen, dass die Zeit, die man auf den Schlaf verwendet, dem Leben [verloren geht]; denn das Leben ist eine Wache, der Schlaf aber ist das Abbild des Todes.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 116 (somnus bis sumendus) bzw. M. Tulius Cicero, Tusculanae disputationes 1, 92 (Somnum bis mortis), Vives, Introductio Satz 117 (nec bis est) und TPMA 10, 105 (somnus bis imago).

  1. 27.

    MENSAEa) TVAE ILLOS ADHIBE QVI TE SVAVI ET DOCTA / POSSINT COLLOQVVTIONE INSTITVERE ET MELIOREM / PERITIOREMQVE REDDERE, INSVPER OMNIA SINT TALIA / QVALIS ILLE, INTER CVJVS MVNERA VERSAMVRb).

Übersetzung:

Lade jene an deinen Tisch, die dich mit angenehmer und gelehrter Unterhaltung bilden und dich besser und kundiger machen können! Überdies seien alle Dinge so beschaffen wie jener, zwischen dessen Gaben wir uns befinden!

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 163 (mensae bis reddere) und 322 (omnia bis versamur).

Kommentar

In der kopialen Überlieferung bei Dölzer folgt an dieser Stelle Nr. 11.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgt ein florales Ornament nach dem Punkt, das den Rest der Zeile ausfüllt; Ornament fehlt bei Dölzer, Freskomalerei 28.

  1. 28.

    SIa) VERO VIRTVTIS ET SAPIENTIAE NVLLVS IN VITA / TERMINVS STATVENDVS CVM VITA ENIM FINIENDVM / [– – –]b) REGINA ET PRINCEPS OMNIVMc) / PRAESTANTISSIMA, VIRTVTEM VERO DICO PIETATEMd).

Übersetzung:

Wenn aber der Tugend und der Weisheit im Leben keine Grenze gesetzt werden kann ... kann nämlich nur mit dem Leben zugleich beendet werden ..., dann [ist die Tugend] die herrliche Königin und Fürstin aller Dinge; unter Tugend verstehe ich die Frömmigkeit.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 194 (sapientiae bis finiendum), 17 (regina bis praestantissima) und 18 (virtutem bis pietatem).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Stelle verblasst; Reste noch erkennbar.
  3. Bei Dölzer, Freskomalerei 29 folgt angedeuteter fragmentarischer Text, der den Rest der Zeile ausfüllt (Punkte und RV), heute nicht mehr erkennbar.
  4. Es folgt nach dem Punkt ein florales Rankenornament; Ornament fehlt bei Dölzer, Freskomalerei 29.

  1. 29.

    PROHIBEa) LINQVAMb), NAM IRRIDERE BONA EPHASc) MA=/LA CRVDELITAS MEDIA STVLTITIA ET QVI QVAE VVLT / DICIT QVAE NON VVLT MVLTOTIES AVDIT SVPERBVS / MITIBVS DISCORS SVPERBIS ETIAM MVLTO MAGISd).

Übersetzung:

Hüte deine Zunge! Denn Gutes zu verspotten ist Frevel, Böses zu verspotten ist Grausamkeit, und Gleichgültiges zu verspotten ist Torheit; und wer sagt, was er will, muss oftmals hören, was er nicht will. Ein Hochmütiger ist Sanftmütigen zuwider, anderen Hochmütigen aber noch viel mehr.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Ps 33,14 (prohibe linguam) und Vives, Introductio Satz 429 (irridere bis stultitia) und 574 (superbus bis magis) und TPMA 6, 189 (qui bis audit).

Kommentar

Dieser Spruch ist in der kopialen Überlieferung bei Dölzer zwischen Nr. 31 und 33 aufgeführt, Nr. 32 ist dort vor Nr. 31 angesetzt.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Ebenso Dölzer, Freskomalerei 30; LINQVAM gibt keinen Sinn, ursprünglich LINGVAM.
  3. Davor Lücke, ursprünglich NEPHAS, bei Dölzer, Freskomalerei 30 ebenfalls Lücke.
  4. Es folgt ein florales Ornament nach dem Punkt, das den Rest der Zeile ausfüllt.

  1. 30.

    CIBIa) SOMNI POTVS RECREATIONES, ET / TOTA CORPORIS CVRATIO NON AD VO=/LVPTATEM EPICVRIAM, SED AD SANITA=/TEM ET DEI GLORIAM REFERENDAb) EST.

Übersetzung:

Speisen, Schlaf und Getränke sind Erquickungen, und die ganze Pflege des Leibes hat nicht epikureischer Lust, sondern der Gesundheit und dem Ruhme Gottes zu dienen.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 86 (cibi bis est).

Kommentar

In der kopialen Überlieferung bei Dölzer folgt Spruch Nr. 30 direkt auf Nr. 28; im Anschluss an Nr. 30 wird Nr. 32 angeführt.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. F in Konturschrift.

  1. 31.

    NONa) SOLVM NOBIS NATI SVMVS, SED / ETIAM PARTEMb) SIBI VENDICANTc) RELIGIO / PARENTES PATRIA AMICI NOSTRA IGITVR / CVRA ET SALVS FIDESQVE MVTVA SIT.

Übersetzung:

Wir sind nicht nur für uns geboren, sondern die Religion, die Eltern, das Vaterland und die Freunde beanspruchen auch je einen Teil für sich. Daher seien unsere Sorge, unsere Hilfe und unsere Treue gegenseitig.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach M. Tullius Cicero, De officiis 1, 22 (non bis nostra).

Kommentar

In der kopialen Überlieferung bei Dölzer folgt Nr. 31 erst auf Nr. 32; an Nr. 31 reiht sich dort Nr. 29 an. Im heutigen Befund vor Ort folgen drei leere Felder, die den Fries bis zum Ende der Südseite ausfüllen. Hier findet sich auch bei Dölzer nichts; allerdings weicht die Reihenfolge bei Dölzer genau in diesem Bereich von der heutigen ab. Es könnte sein, dass hier bei der Restaurierung eine Umstellung vorgenommen wurde. Die leeren Felder wurden bei der Durchzählung für die Inschriftenedition nicht berücksichtigt.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Wort konnte von Dölzer, Freskomalerei 30 offenbar nicht mehr gelesen werden, dort nur fragmentarisch wiedergegeben.
  3. VENDICANT statt VINDICANT.
   

Westseite

  1. 32.

    SIa) COGERIS INTERESSE EX SAPIEN/TIBVS DISCE VT MELIOR, EX STVL=/TIS VT CAVTIOR FIAS ITA VT API=/CVLA E VENENO MEL COLLIGES.

Übersetzung:

Wenn du gezwungen wirst, teilzunehmen, [so] lerne von den Weisen, besser, von den Toren, vorsichtiger zu werden: dann wirst du so, wie das Bienchen, aus Gift Honig sammeln.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 167 (ex bis melior) und 168 (ex bis fias) und (möglicherweise) nach TPMA 5, 14 (apicula bis colliges).

Kommentar

In der kopialen Überlieferung bei Dölzer befindet sich Nr. 32 zwischen Nr. 30 und Nr. 31.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.

  1. 33.

    DELECTATIO CORPORIS FVGACISSIMA / NOCENTISSIMA, PECVDINAa) QVA NECb) / APERTE ERVIc) LICET DESTRVCTIO COR=/PORISd) ET ANIMI OMNIAe) FVGIENDA

Übersetzung:

Die Ergötzung des Leibes ist äußerst flüchtig, sehr schädlich und viehisch, und man darf sie auch nicht in der Öffentlichkeit genießen. Die Zerrüttung des Leibes und der Seele ist in jeder Hinsicht zu vermeiden.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Zusammengefasst nach Vives, Introductio Satz 69 (delectatio bis pecudina), 71 (nec bis licet) und 72 (fugienda).

Kommentar

In der kopialen Überlieferung bei Dölzer gehen dieser Nummer einige Unterschiede in der Reihenfolge voraus. Ab Nr. 33 deckt sich Dölzers Anordnung wieder mit dem heutigen Befund vor Ort.

Textkritischer Apparat

  1. Wort von pecus, pecudis: Vieh (wohl Mischung aus pecudeus/pecudalis und pecuinus); dasselbe Wort auch in der Vorlage bei Vives.
  2. Rest der Zeile ab PECVDINA bei Dölzer, Freskomalerei 30 nur äußerst fragmentarisch überliefert.
  3. Falsch ergänzt; in der Vorlage bei Vives an dieser Stelle frui.
  4. Bei Dölzer, Freskomalerei 30 hier anderer Zeilenumbruch.
  5. Es folgt eine Lücke; mutmaßlich Wort verdorben, ursprünglich OMNINO.

  1. 34.

    CVBITVMa) ITVRVS LEGE VEL AVDI / ALIQVOD DIGNVM, QVOD MEMORIAE / MANDETVR VT ETIAM NOCTVRNIS / VIGILIIS DISCAS ET FIAS MELIORb)

Übersetzung:

Ehe du zu Bett gehst, lies oder höre etwas, das würdig ist, dem Gedächtnis anvertraut zu werden, damit du auch während der Nachtwachen lernst und besser wirst.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 194 (cubitum bis melior).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgt ein geflügelter Engelskopf.

  1. 35.

    CONSIDERAa), PRAETER CVLPAM ET / PECCATVM HOMINI NIHIL POSSE / ACCIDERE, QVOD SIb) HORRIBILE AC / VALDE PERTIMESCENDVMc)

Übersetzung:

Bedenke, dass außer Schuld und Sünde dem Menschen nichts geschehen kann, was schrecklich und sehr fürchtenswert ist.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach M. Tullius Cicero, Epistolae ad familiares 5, 21, 5 (praeter bis pertimescendum).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Sic, lies SIT.
  3. Es folgt ein florales Rankenornament, das den Rest der Zeile ausfüllt.

  1. 36.

    PREMIMVRa) SAEPIVS NOSTRIS ERRO=/RIBVS, QVAM REBVS IPSIS QVVM / MAGNA, MALA AVT BONA CENSEMVS / QVAE TAMEN NON SVNTb).

Übersetzung:

Wir werden häufiger von unseren Irrtümern als von den Dingen selbst bedrängt, weil wir sie für groß, schlecht oder gut halten, was sie letztendlich nicht sind.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 229 (premimur bis sunt) bzw. Epiktet, Encheiridion 5.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgt ein Fisch nach dem Punkt; am Ende der zweiten und am Beginn der vierten Zeile jeweils Lücke (Textverlust?).

  1. 37.

    VITAa) SIMILIS EST CARCERI VNIVS DIEI ETb) / TOTVM VITAE SPATIVM VNI DIEI AEQVALEc) / PER QVEM INTVLIT LVCEM ITERVM SECEDI=/MVS POSTERISQVE VITAM TRADIMVSd)

Übersetzung:

Das Leben ähnelt einem Kerker eines einzigen Tages, und die gesamte Zeit des Lebens gleicht einem einzigen Tag. Durch [das Tor, durch]1) das ... das Licht hereingebracht hat, gehen wir wieder hinaus und übergeben das Leben unseren Nachkommen.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert; erste Zeile eingerückt.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 31 am Ende der ersten und dritten Zeile anderer Zeilenumbruch.
  3. Im folgenden Abschnitt fehlt möglicherweise ein Teil.
  4. Es folgt ein florales Ornament.

Anmerkungen

  1. 1.Ergänzt von Herrn Dr. Uwe Dubielzic, München.

  1. 38.

    VITAa) CERTE NIHIL ALIVD EST QVAM PEREGRI=/NATIOb) TOT CASIBVS ET INCERTO GENERI MOR=/TIS SVBIECTA NIHILQVE NISI CVRSVS AD MORTEM / ΣΠΙΘΑΜῊc) ΤΟΥ ΒΊΟΥ, ΓΟΜΦΟΛΥΞd) Ὁ ἌΝΘΡΩΠΟΣe)

Übersetzung:

Das Leben ist sicherlich nichts anderes als eine Pilgerschaft, die so vielen Zufällen und einer unsicheren Todesart unterworfen ist, und nichts anderes als ein Lauf zum Tod: eine kleine Spanne des Lebens; eine Seifenblase ist der Mensch.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 36 (vita bis subiecta) und Walther, Carmina Nr. 37246 (Textabschnitt in Griechisch) bzw. TPMA 2, 19 (Textabschnitt in Griechisch).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 31 am Ende der ersten und zweiten Zeile anderer Zeilenumbruch.
  3. Π fälschlich mit Mittelbalken.
  4. Bei Dölzer, Freskomalerei 31 richtig ΠΟΜΦΟΛΥΞ.
  5. Bei Dölzer, Freskomalerei 31 fälschlich ΑΝΘΡΩΠΟΣ; es folgt ein florales Rankenornament.

  1. 39.

    DIESa) ISTE QVEM TANQVAM EXTREMVM REFOR=/MIDASb) AETERNI NATALIS EST, ET VERAE VITAE / INITIVM, AC EX HAC LACHRIMARVM VALLE / EREPTIO, ET AD GAVDIVM ASSVMPTIOc)

Übersetzung:

Dieser Tag, welchen du als den letzten scheust, ist der Geburttag des ewigen Tages und der Beginn des wahren Lebens sowie die Befreiung aus diesem Tränental, und die Aufnahme in die Freude.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach L. Annaeus Seneca, Ad Lucilium Epistulae morales 102, 26 (dies bis est) und nach Ps 83,7 bzw. Salve Regina (lachrimarum valle).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 32 im gesamten Text anderer Zeilenumbruch.
  3. Es folgt ein florales Rankenornament, das den Rest der Zeile ausfüllt.

  1. 40.

    TVNCa) IN TENEBRIS TE VIXISSE DICES / CVM TOTAM LVCEM TOTIVSb) ASPICERISc) / QVAM NVNC PER ANGVSTIASd) VIAS / OCVLORVM INTVERIS ET MIRARISe).

Übersetzung:

Dann ... gelebt hast, wenn du dereinst das ganze Licht, das du jetzt nur durch die sehr engen Bahnen deiner Augen betrachten und bewundern kannst, mit deinem ganzen Selbst erblickt hast.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach L. Annaeus Seneca, Ad Lucilium Epistulae morales 102, 28 (tunc bis miraris).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Sic, lies TOTVS.
  3. Sic, lies ASPEXERIS.
  4. Sic, ANGVSTISSIMAS; bei Dölzer, Freskomalerei 32 Lücke zwischen ANGVSTIAS und VIAS, möglicherweise fehlt hier ein Wort.
  5. Bei Dölzer, Freskomalerei 32 folgt ein Fragezeichen am Ende der Zeile.

  1. 41.

    MORSa) JVSTI BONA PROPTER REQVIEM / MELIOR PROPTER SECVRITATEM, OPTIMAb) / PROPTER NOVITATEM, BONIS ENIM EST / BONA, MALA VERO MALISc).

Übersetzung:

Der Tod des Gerechten ist gut wegen der Ruhe, besser wegen der Sicherheit und am besten wegen der Erneuerung, denn für die Guten ist er gut, für die Schlechten aber schlecht.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Bernardus Claraevallensis, Epistola 105 Ad Romanum Romanae curiae Subdiaconum (Winkler, Bernhard 2, 770) (bona bis novitatem) und nach Aurelius Augustinus, De civitate Dei Lib. 13, Cap. 10 (CCSL XLVIII, 386) (bonis bis malis).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 32 am Ende der zweiten und dritten Zeile anderer Zeilenumbruch.
  3. Es folgt ein florales Rankenornament, das den Rest der Zeile ausfüllt; fehlt bei Dölzer, Freskomalerei 32.

  1. 42.

    NONa) MALA MORS PVTANDA EST, / QVAM BONA VITA PRAECESSITb) / SIC MALAM MALA SEQVITVRc).

Übersetzung:

Der Tod darf nicht für schlecht gehalten werden, dem ein gutes Leben vorausgegangen ist. [denn wie einem guten Leben ein guter Tod folgt,] so folgt dem schlechten [Leben] ein schlechter [Tod].

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Aurelius Augustinus, De civitate Dei Lib. 1, Cap. 9 (CCSL XLVII, 13) (non bis sequitur).

Kommentar

Im Anschluss an diesen Spruch folgt ein freier Raum bis zum Ende der Westseite; die Nordseite beginnt ebenfalls mit dem leeren Fries. Erst östlich der westlichen Tür setzen die Inschriften wieder ein.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgt eine Leerzeile, die in der linken Hälfte mit einem floralen Rankenornament aufgefüllt ist; bei Dölzer, Freskomalerei 32 folgen Punkte offenbar für einen ausgefallenen Textteil; vermutlich könnte der ausgefallene Text wie folgt gelautet haben: NAM VT BONAM VITAM BONA MORS.
  3. Es folgt ein florales Rankenornament.
    Nordseite

  1. 43.

    MAJORa) EST AVCTORITAS SCRIPTVRAb) QVAM / OMNISc) N[– – –]NI INGENI [– – –]TICV[– – –]TAS VNVM / ENIM CONSTANTEM SIMPLICEM ET SANCTVM / SENEM HABEd) QVO SOLO CONSTAT VERITAS.

Übersetzung:

Größer ist die Autorität der Schrift als alle Einsicht des menschlichen Geistes, denn sie hat einen widerspruchsfreien, einfachen und heiligen Sinn, worin allein die Wahrheit besteht.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Agrippa von Nettesheim, De incertitudine Cap. 100 (Köln 1575) (major bis veritas).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Davor Lücke, ergänze möglicherweise HVIVS; urspr. wohl SCRIPTVRAE.
  3. Rest der Zeile fragmentarisch in Konturschrift; zu ergänzen ist H[VMA]NI INGENI[I PERS]PICA[CI]TAS, demnach sind einige Buchstaben offensichtlich falsch rekonstruiert; Stelle auch schon bei Dölzer, Freskomalerei 33 nur mehr fragmentarisch.
  4. Offensichtlich falsch ergänzt: in der Vorlage bei Agrippa von Nettesheim sensum habet.

  1. 44.

    VIDESa) SOLEM IN COELO CVRRENTEM, FVLGEN=/TEMb) CALENTEM; SIC IGNIS TRIA HABET: MOTV(M), / LVCEM, FERVOREM; DIVISO ERGO PRIVS SOLE / VEL IGNE, TVNC DIVIDE DEMVM TRINITATEM.

Übersetzung:

Du siehst die Sonne, wie sie am Himmel läuft, wie sie strahlt und wie sie glüht; so hat [auch] das Feuer drei Teile: die Bewegung, das Licht und die Hitze; wenn du also zunächst die Sonne oder das Feuer (ein-)geteilt hast, dann teile erst recht die Dreieinigkeit (ein).

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Aurelius Augustinus (?), Sermones dubii, Sermo 384: De Trinitate, sive de scripturis veteribus et novis contra Arianos Cap. III (MPL 39, Sp. 1689) (vides bis calentem und diviso bis trinitatem) und (Auctor incertus) Sermo 44: De Pietate, Charitate et suffragiis defunctorum (MPL 40, Sp. 1319) (ignis bis fervorem).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 33 anderer Zeilenumbruch.

  1. 45.

    INJVRIAa) NON FIT NISI LAEDATVR ANIMVS, NEMOb) / IGITVR LAEDITVR, NISI A SE IPSO, QVIA STVLTA / EST DE ALIENIS SVPERBIA ALIENVM AVTEM EST / QVICQVID AMITTI ET REMOVERI POTESTc).

Übersetzung:

Es geschieht kein Unrecht, außer wenn die Seele verletzt wird; folglich kann man nur von sich selbst verletzt werden, weil der Stolz auf fremde Dinge dumm, alles das aber, was aufgegeben und entfernt werden kann, fremd ist.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 253 (iniuriam bis animus), Johannes Chrysostomus, Quod nemo laeditur nisi a se ipso (MPG 52, Sp. 459/460)1).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 33 anderer Zeilenumbruch.
  3. Es folgt ein florales Rankenornament.

Anmerkungen

  1. 1.Johann Chrysostomus wurde im Mittelalter in erster Linie lateinisch rezipiert, vgl. hierzu Malingrey, Tradition, passim.

  1. 46.

    OMNESa) AMICOS HABERE, OPEROSVM EST, SATISb) / EST INIMICOS NON HABERE, IN MINORES TE / COMEM, IN MAJORES REVERENTEM, IN PARES / FACILEM ET TRACTABILEM PRAEBEc).

Übersetzung:

Alle zu Freunden zu haben ist beschwerlich; genug ist es, keine Feinde zu haben. Erweise dich gegenüber Geringeren freundlich, gegenüber Höheren ehrerbietig, gegenüber Gleichen zugänglich und umgänglich!

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach L. Annaeus Seneca, Ad Lucilium Epistulae morales 14, 7 (omnes bis habere) und Vives, Introductio Satz 531 (in minores bis praebe).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 33 im gesamten Text anderer Zeilenumbruch.
  3. Es folgt ein florales Rankenornament.

  1. 47.

    VTa) IN VIA SIC IN VITA QVO QVIS / EXPEDITIOR, ET LEVIORIBVS SARCINIS / IMPLICITVS, HOC LEVIVS ET JVCVN=/DIVSb) ITER FACIT ET AMBVLATc).

Übersetzung:

Wie auf einem Wege, so (geht es auch) im Leben: je weniger man bepackt ist und je leichter die Bündel sind, die man zu tragen hat, desto leichter und angenehmer ist die Reise, die man macht - geradezu ein Spaziergang.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Vives, Introductio Satz 37 (in via bis facit).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe hochgestellt.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 34 anderer Zeilenumbruch.
  3. Es folgt ein florales Ornament.

  1. 48.

    INTERa) EVM QVI DECEM ANNIS VIXIT, ETb) / EVM QVI MILLE, CVM FINIS ADVENERIT, OM=/NE TANTVNDEM EST TRANSACTVM NISI / QVOD SENIOR PLVRIBVS PECCATIS DISCEDIT

Übersetzung:

Zwischen dem, der zehn Jahre gelebt hat, und dem, der tausend [gelebt hat], ist, wenn das Ende gekommen ist, alles, was (zuvor) geschehen ist, gleich viel, außer dass der ältere mit mehr Sünden weggeht.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach Eusebius Hieronymus, Epistola 60, 14, 3 (CCSL LIV, 567) (inter bis discedit).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 34 in der ersten und zweiten Zeile anderer Zeilenumbruch.

  1. 49.

    NONa) REPENTE IN MORTEM INCIDIMVS, / SED MINVTATIM PROCEDIMVS QVOTIDIEb) / MORIMVR, QVOTIDIE ENIM AMITTITVR / ALIQVA NOSTRAE PARTICVLA VITAEc).

Übersetzung:

Wir stürzen nicht plötzlich in den Tod, sondern gehen ihm Schritt für Schritt entgegen; täglich sterben wir, denn täglich verlieren wir ein Teilchen unseres Lebens.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach L. Annaeus Seneca, Ad Lucilium Epistulae morales 24, 19f. (non bis vitae).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 35 anderer Zeilenumbruch.
  3. Es folgt ein florales Ornament.

  1. 50.

    HVNCa) PRAESENTEM DIEM QVEM AGIMVS / CVM MORTE PARTIMVR, NEC VNI AVTb) / ALTERI, SED OMNIBVS, CVRRICVLO VITAE / FINITO, FATVM COMMVNE ESTc).

Übersetzung:

Diesen gegenwärtigen Tag, den wir [eben] verbringen, teilen wir mit dem Tod; und das Schicksal ist nicht für den einen oder für den anderen, sondern, nachdem der Lauf des Lebens beendet ist, für alle gleich.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach L. Annaeus Seneca, Ad Lucilium Epistulae morales 24, 20 (hunc bis partimur).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 35 am Ende der zweiten und dritten Zeile anderer Zeilenumbruch.
  3. Es folgt ein florales Rankenornament, das den Rest der Zeile ausfüllt.

  1. 51.

    MORIARa) IGITVR, SED NEC PRIMVS, NECb) / VLTIMVS, HAC ENIM CONDITIONE IN=/TRAVI VT EXIREM, TV MODO CHRISTE / MEI MISERERE, ET LAETVM RESVSCITA.

Übersetzung:

Also werde ich sterben, aber weder als erster noch als letzter; ich bin nämlich unter der Bedingung [ins Leben] eingetreten, dass ich [wieder aus ihm] austrete; du, Christus, erbarme dich nun meiner, und erwecke [mich] als Fröhlichen wieder zum Leben.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Nach L. Annaeus Seneca, De remediis fortuitorum 1 (moriar bis exirem).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Bei Dölzer, Freskomalerei 35 am Ende der ersten und zweiten Zeile anderer Zeilenumbruch.

  1. 52.

    ANNVATa) NOCb) MVNVS VIRIS PATEATc) TRIN ET VNOd) HAEC TIBI SINT MENTE CARNEM SVTERRI VINCVLIe) SI TE NON ELECTENTf) CVM MORTIS VINCVLA NEC=g)/ CVMQVE OLIM FLERISh) ME PRAEDIXISSE VIDEBIS.

Übersetzung:

Möge dir der dreieinige (Gott) dieses Unterfangen ... gnädig gestatten! Dies sollen dir ...; wenn sie dich (selbst) dann nicht beugen werden, wenn sie die Fesseln des Todes um dich schlingen werden; und wenn du dereinst weinen wirst, dann wirst du (ein)sehen, dass ich (es) vorhergesagt habe.

Versmaß: Leoninische Hexameter.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert; zwischen V und A eine Lücke.
  2. Fälschlich für HOC; HOC auch bei Dölzer, Freskomalerei 35.
  3. VIRIS PATEAT verfälscht, ursprünglicher Befund unklar.
  4. Sic, lies TRINVS ET VNVS; bei Dölzer, Freskomalerei 35 offenbar bereits unsichere Stelle: nach MVNVS Leerstelle, danach AT TRINO ET UNO ?.
  5. Sic, nach SINT Befund unklar: MENTE CARNEM möglicherweise verfälscht, SVTERRI VINCVLI sicher falsch; Textstelle bereits bei Dölzer, Freskomalerei 35, unsicher: nach CARNEM nur noch fragmentarischer Text.
  6. Sic, lies FLECTENT; bei Dölzer, Freskomalerei 35 bereits ELECTENT.
  7. Sic, lies NECTENT; bei Dölzer, Freskomalerei 35 bereits nur noch fragmentarischer Text, am Ende ein ?.
  8. Sic, lies FLEBIS.

Kommentar

Der letzte Spruch auf der Nordseite endet kurz vor dem Rahmen der östlichen Tür; östlich der Tür ist der Fries leer.

Bei der bei den lateinischen Textteilen verwendeten Schrift handelt es sich um Kapitalis. Der gesamte Fries wurde bei der Sanierung des Festsaales 1972/1973 restauriert. Der Schriftbefund entspricht demnach nicht mehr dem Original. Teile des Gebälks (vor allem an der Nordwand) waren ausgelagert. Große Teile waren mit rotbrauner Farbe überstrichen. Die ursprüngliche Fassung war noch an einigen Stellen sichtbar. Die Schrift bildete in manchen Bereichen ein leichtes Relief gegenüber der stärker geschwundenen Holzoberfläche. Hier war der Originalbefund noch bis zu einem gewissen Grad fassbar4). Das Gebälk wurde derart bearbeitet, dass die Fassung abgenommen und eine neue nach den Originalbefunden angebracht wurde. Dabei wurden unter Berücksichtigung der noch erkennbaren Inschriftenreste und unter Vorlage der kopialen Überlieferung bei Dölzer die Inschriften, soweit als möglich rekonstruiert5). An einigen Stellen, an denen der jeweilige Text nicht mehr identifiziert werden konnte, sind Buchstabenreste in Konturschrift angedeutet. In anderen Abschnitten ist der Fries leer.

Die einzelnen „Sprüche“ setzen sich aus Zitaten, Paraphrasen und auch Anspielungen aus literarischen Vorlagen – neben Latein auch in Griechisch, Hebräisch und Altsyrisch – zusammen. Häufig zitiert wird das Werk „Ad veram sapientiam introductio“ des spanischen Humanisten Juan Luis Vives6). Es ist bei knapp der Hälfte der Inschriften – zumindest bei Teilen davon – als Vorlage zu identifizieren. Ergänzt wird dieses Inschriftenprogramm durch Bibelstellen und Sprüche antiker und christlicher Autoren wie vor allem Cicero, Seneca und Augustinus.

Mit dem Titel „Ad veram sapientiam introductio“ könnte man wohl auch am besten den Inhalt des Inschriftenzykluses benennen: Ähnlich wie bei Vives werden auch hier einzelne Aussagen aneinander gereiht, die im weitesten Sinn eine Art Leitfaden für einen moralisch-vernünftigen, „weisen“ Lebenswandel darstellen. Konkret angesprochen werden verschiedene Problematiken: einige der Sprüche beschäftigen sich mit der Sünde und deren Bewältigung (vgl. hierzu vor allem Nr. 2 bis 8, der auch z.B. Nr. 35) beispielsweise durch Gewissenserforschung (vgl. Nr. 1), in einem weiteren, etwas größeren Teil wird über die Bedeutung von Leben und Tod reflektiert (vgl. vor allem Nr. 37 bis 42, 47 bis 51), andere Sprüche beinhalten im weitesten Sinne Anleitungen, Ratschläge oder Weisheiten fürs Leben. So thematisiert beispielsweise Spruch Nr. 21 die Freundschaft, Nr. 27 die richtige Auswahl der Tischgesellschaft oder Nr. 34 die Abendlektüre. Dazwischen finden sich aber auch Aussagen, die eigentlich nicht als Anweisungen für das vorbildliche Leben gelten können: so bietet Spruch Nr. 44 eine auf Augustinus zurückgehende erklärende Metapher für die Dreieinigkeit.

Die Textpassagen in Altsyrisch – sowohl bei Nr. 121 als auch bei dieser Sprüchereihe – umfassen in erster Linie Zitate aus dem Neuen Testament. Syrisch stand bei den (deutschen) Humanisten der Zeit durchaus im Interesse, aber die tatsächliche Kenntnis der Sprache war nicht weit verbreitet. Als Pionier des Syrischen im süddeutschen Raum gilt Johann Albrecht Widmanstetter (1506–1557, also ca. eine Generation vor Urban von Trenbach), der unter anderem als Förderer eines Erstdrucks des Neuen Testaments in syrischer Sprache (1555) auftrat, was zumindest eine gewisse Verbreitung des Syrischen in der Zeit ermöglichte7). Ein Druck dieses syrischen Neuen Testaments – das wie die Inschriften in Serto, also der westsyrischen Schrift, geschrieben ist – könnte vielleicht auch für die Obernzeller Inschriften als Vorlage gedient haben. Trotzdem ist aber wohl auch davon auszugehen, dass Urban selbst dieser Sprache – zumindest bis zu einem gewissen Grad – mächtig war.

Anders als mit Syrisch verhält es sich bei den hebräischen Schriftzügen. Aus den ungelenken, aber an sich korrekten Buchstaben kann heute kein sinnvoller Text mehr gelesen werden. Es ist nicht klar, ob die Inschriften von Anfang an falsch erstellt wurden oder ob hier im Laufe der Zeit – im Zuge von Restaurierungen – der Text verfälscht wurde. Es wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass zu Zeiten Urbans ein echter hebräischer Text verfasst oder übernommen wurde, zumal ja auch die syrischen und die griechischen Schriftzüge annähernd einen Sinn ergeben. Auch in den griechischen Textpassagen kann nicht mehr überall ein eindeutiger Text entziffert werden.

Der Aufbau des Zyklus erscheint eher willkürlich: beginnend an der Ostseite, stehen zunächst die Sprüche, die im weitesten Sinn die Sünde behandeln. Auf der Südseite, sich auf der Westseite fortsetzend, folgen mehr oder weniger allgemeine Lebensweisheiten. Auf der Westseite finden sich dann Aussagen über Leben und Tod. Diese Thematik wird dann weitestgehend auf der Nordseite östlich des Kamins wieder aufgenommen. Dazwischen folgen wieder allgemeinere Sprüche, die ohne näheren Zusammenhang aneinandergereiht zu sein scheinen.

Wie eingangs schon erläutert, kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass die heutige Reihenfolge der Sprüche nicht dem Originalzustand entspricht (vgl. hierzu die leichten Abweichungen bei Dölzer) und einzelne Sprüche sogar fehlen (vgl. die leeren Felder am Ende der Südseite), so dass möglicherweise das heutige „Programm“ nur mit Einschränkung dem originalen Aufbau entspricht.

Als mögliche Motive für die Anbringung eines moralischen Leitprogrammes im Festsaal in Obernzell können in Betracht gezogen werden:

Zum einen demonstrieren diese Sprüche in jedem Fall die Bildung ihres Auftraggebers, des Bischofs Urban von Trenbach. Seinen humanistischen Hintergrund belegen vor allem die zitierten antiken Autoren. Zum anderen weisen vor allem die nicht in Latein verfassten Zitate auf seine hohe Bildung. Die Kenntnis jener Sprachen, vor allem der altsyrischen, war nicht selbstverständlich. So könnte ein Aspekt Urbans durchaus die Darstellung seines Kenntnisreichtums gewesen sein.

Allerdings lässt sich das Obernzeller Programm sicher nicht allein auf die Demonstration humanistischer Bildung reduzieren. Schließlich werden hier nicht einfach Zitate berühmter Autoren aneinander gereiht. Vielmehr geht ein größerer Teil – wie oben bereits erläutert – auf einen humanistischen Pädagogen, Juan Luis Vives, zurück. Das Programm beschäftigt sich mit dem „weisen“ Lebenswandel.

Ein Blick in die Zeit könnte vielleicht hierfür die Erklärung liefern. Urban amtierte in einer Phase, in der die katholischen Reformbestrebungen voll im Gange waren. Gleichzeitig war er jedoch mit den realen Verhältnissen in seinem Bistum konfrontiert, die diesen Vorstellungen alles andere als entsprachen. Er hatte unter anderem mit Geistlichen zu kämpfen, die in unterschiedlicher Intensität mit dem Luthertum sympathisierten bzw. ihre religiösen und seelsorgerischen Pflichten vernachlässigten, mit Frauen und Kindern zusammenlebten und sich in Wirtshäusern betranken8). Trotz oder gerade wegen dieser Missstände war es auch Teil der Reformbewegung, nicht nur allein mit Vorschriften, Verboten oder Strafen auf die vorgefundenen Umstände zu reagieren. Vielmehr wurde ein einwandfreier Lebenswandel der Kleriker als wichtig erachtet, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen und wieder zu Wertschätzung zu gelangen. Die Geistlichen sollten dabei nicht nur selbst ein vorbildliches Leben führen, sondern auch andere zu einem solchen ermuntern9). So könnte das von Urban in Obernzell angebrachte Inschriftenprogramm als eine Anleitung bzw. Inspiration zu eben einem derartigen Lebenswandel gedeutet werden.

Anmerkungen

  1. In der Überlieferung bei Dölzer keine zusätzlichen Sprüche enthalten, daher nicht sicher bestimmbar, ob Text im Laufe der Zeit verloren gegangen ist. Bei Dölzer stehen die Inschriften jedoch an manchen Stellen in einer anderen Reihenfolge, wobei auch hier unklar ist, ob der Kopist die Reihe nicht eingehalten hat oder ob eventuell bei der Restaurierung Stücke anders angebracht worden sind.
  2. Vgl. Röttger in Kdm Wegscheid 82: vielleicht hat Röttger Leerstellen mitgezählt; die Inschriften waren zumindest zu Zeiten Millers übermalt, vgl. hierzu auch Miller, Obernzell 53.
  3. Für Übersetzungshilfen sowie für weitere Hinweise und Ergänzungen bei den lateinischen Texten bedanke ich mich bei Herrn Dr. Uwe Dubielzic, München; für Hilfen zur Auflösung der westsyrischen Texte bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Dr. Hubert Kaufhold, Leopold-Wenger-Institut; für Hilfen zur Auflösung der griechischen Inschriften bedanke ich mich bei Herrn Dr. Andreas Müller, Bayerische Akademie der Wissenschaften, und Herrn Prof. Dr. Ernst Vogt, München, für Hinweise zu den hebräischen Schriftzeichen bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Dr. Hans-Georg von Mutius, LMU München, sowie Herrn Prof. Dr. Michael Brocke, Salomon Ludwig Steinheim-Institut, Duisburg.
  4. Vgl. Photos der Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, inzwischen ans BHStA (dort 2009 noch ohne Signatur) abgegeben.
  5. Vgl. hierzu genauere Ausführungen bei Thiele, Instandsetzung 19f., Abb. 4.13 und 4.14.
  6. Juan Luis Vives, Ad veram sapientiam Introductio. Köln 1548.
  7. Vgl. Rebhan, Widmanstetter 108, Kat.-Nr. 32.
  8. Vgl. hierzu diverse Passagen zu den Zuständen in Passau bei Oswald, Ninguarda.
  9. Winkler, Synoden 200ff.: unter den von der Salzburger Synode 1569 erarbeiteten 64 Konstitutionen findet sich auch eine über „Zucht, Lebensweise, Ehrbarkeit und Sitten der Kleriker“, wobei hier ganz konkrete Anweisungen beispielsweise zur Kleidung des Klerikers im Vordergrund stehen; vgl. auch Oswald, Ninguarda 22, 25; zur Klerusreform vgl. auch kurz Albrecht, Gegenreformation, bes. 717.

Nachweise

  1. Dölzer, Freskomalerei 23–35; Kdm Wegscheid 82 (eine Auswahl an Sprüchen); Miller, Obernzell 54 (nur Nennung); Schmid, Obernzell 14 (nur Nennung); Handbuch Keramikmuseum 15 und 151f. (nur Nennung, keine Inschriftenwiedergabe).

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 122 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0012205.