Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 111 Regensburg, Museen der Stadt Regensburg, Historisches Museum 1575

Beschreibung

Tischplatte mit Vers und Bibelspruch aus dem ehem. Kloster Vornbach am Inn. Um 1920 noch im Kloster, in einem stuckierten Zimmer im Obergeschoß der Prälatur, 1940 an die Sammlung der Museen der Stadt Regensburg übergeben1). Inventar-Nr. K 1940/79. Tischplatte fast quadratisch, in der Mitte Medaillon bestehend aus einem großen Kreis, in den zwölf sich überschneidende Kreise eingefügt sind, die alle sowohl an den Mittelpunkt des großen Kreises wie auch an die Kreislinie selbst stoßen, sodass sich ein stern- bzw. rosettenförmiges Muster mit Feldern bildet: der Mittelpunkt besteht aus einer Rosette, davon ausgehend (von innen nach außen) zwölf schmale Schnittflächen der Kreise, grünlich eingefärbt, in den breiteren (zwölf) Schnittflächen je ein Flämmchen, daran anschließende zwölf Schnittflächen mit jeweils einer Blüte (Rose) bzw. Frucht (Granatäpfel, Trauben, Birnen?), die darauf folgenden zwölf Schnittflächen gefüllt mit je einem symbolischen Gegenstand, wohl aus der Emblematik (darunter Springbrunnen, Pentagramm, Kartusche, Zirbelnuss, Muschel, Kompass?), in den hierauf folgenden Schnittflächen Verse (I), die daran anschließenden Felder mit floralen Ornamenten gefüllt, in den Felder zwischen den kleineren Kreisen und dem großen Kreis jeweils ein Punkt; um das Medaillon quadratischer Rahmen, Zwickel gefüllt mit vegetativen Ranken, aus je einer in die Ecke eingefügten Vase sprießend, in zwei gegenüberliegenden Ecken um den Sockel der Vase einmal Jahreszahl (II), einmal Künstlerinitialen (III); anschließender Rahmen aus zwei Profilleisten, dazwischen Perlstabband, es folgt nach außen hin eine Umschrift (IV), die an der Tischkante wiederum mit einer Profilleiste abgeschlossen wird. Kalkstein, Dekor und Inschriften geätzt, Teile (besonders Blätter) grünlich gefärbt; an manchen Stellen Oberfläche abgenutzt; Platte in einen jüngeren Holztisch eingefügt.

Maße: L. (Tischplatte ohne Holzrahmen) 111 cm, B. (Tischplatte ohne Holzrahmen) 104 cm, Bu. 2 cm (I), 0,8 cm (II, gemessen 5), 1 cm (III, gemessen P), 3,5 cm (IV).

Schriftart(en): Kapitalis (I, III), Fraktur (IV), Arabische Ziffern (II).

© BAdW München, Inschriftenkommission (Julia Knorr) [1/1]

  1. I.

    HICa) VERb) // PVRPVREVMb) // VARIOS HICb) // FLVMINAb) // CIRCVMc) · // FVNDITd) // HVMVSb) // FLORES IM//MIN[ET]e) HICf) // POPVLVSb) // ANTROc) · // VERGELIOg) / IX ·

  2. II.

    · 1 · 5 · // 75h) ·

  3. III.

    A(NDREAS) P(LENINGER)i) // V(ON) R(EGENSBURG)

  4. IV.

    Sey nicht ein Weinsauffer Dan der wein bringt viel Leut vmbk) · /Der wein erquickt den Menschen das Lebenl) /Der Wein Jst geschaffen, das er Menschen frölich sol machenm) /Der Wein zur notturft getruncken erfreuet Leib vnd Seel · Syrachn) 32 ·

Übersetzung:

Hier ist der Frühling purpuren, hier um die Flüsse herum bringt der Boden bunte Blüten hervor, hier überragt die Pappel eine Grotte. (I)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

  • Nach P. Vergilius Maro, Eclogae IX, 40ff2); (I) Sir 31,25–283). (IV)

Versmaß: Hexameter2). (I)

Kommentar

Auf der Steinplatte sind in Ätztechnik Ornamente, sowie Schrift ausgeführt. Nach der Signatur wurde dieses Werk von Andreas Pleninger angefertigt.

Der Technik entsprechend ist auch die Schrift bis in feine Details ausgearbeitet. Besonders stechen dabei die Versalien der Fraktur ins Auge, die vollständig mit Rankenornamenten ausgefüllt sind. In der sehr elegant und harmonisch ausgearbeiteten Textschrift finden sich Zierelemente wie eingerollte Ansätze bei Buchstaben (z.B. unten eingerollter Balken des e) oder der stark geschwungene Balken als diakritisches Zeichen über u. Die Kapitalis orientiert sich in hohem Maße an den klassischen Formen. So sind ein ausgewogener Wechsel von Haar- und Schattenstrichen, gleichmäßige Buchstabenproportionen und dezente Serifen zu erkennen. Der Mittelteil des M reicht – fast – bis zur Grundlinie, wobei die äußeren Schäfte senkrecht stehen. Die Cauda des R ist stachelförmig, leicht durchgebogen, setzt am Bogen allerdings relativ weit links an. Beide Schriften wie auch die ornamentale Verzierung stehen künstlerisch auf einem sehr hohen Niveau.

Der auf dem Stein mit seinen Initialen signierende Andreas Pleninger (Plieninger) war Steinätzer. Er stammte aus Regensburg, wo er am 3. Januar 1555 getauft wurde und 1607 verstarb. Er war seit 1585 Organist und Mesner an der evangelischen Stadtpfarrkirche in Gmunden4). Ab 1599/1600 war er wieder in Regensburg ansässig. Dort haben sich noch weitere Stücke aus seiner Werkstatt erhalten5).

Über einen möglichen Auftraggeber ist leider nichts bekannt. Der Tisch weist keinerlei Hinweise (z.B. Wappen) auf. Das Entstehungsjahr 1575 fällt in die Amtszeit Abt Christian Seßlers (Abt 1577–1595, zuvor seit 1572 Administrator; vgl. Nr. 115), der zur Entstehungszeit noch Administrator des Klosters war.

Ein berühmtes Vergleichsbeispiel ist die ebenfalls in Ätztechnik ausgeführte Tischplatte des sog. Passauer Liedertisches, der 1590 von dem Steinätzer Caspar von der Sitt für den Fürstbischof Urban von Trenbach angefertigt wurde. Das bischöfliche Vollwappen schmückt den Mittelpunkt der runden Tischplatte, die sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet6).

Textkritischer Apparat

  1. Davor Lilienornament am Textbeginn; Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Es folgt Feldwechsel.
  3. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte; danach folgt Feldwechsel.
  4. Anfangsbuchstabe vergrößert; es folgt Feldwechsel.
  5. Feldwechsel im Wort.
  6. C am Ende verkleinert auf Grundlinie; es folgt Feldwechsel.
  7. O an Zeilenende verkleinert auf Grundlinie; zweite Zeile zentriert darunter.
  8. Jahreszahl links und rechts des Vasenstils; Worttrenner in Form eines Punktes auf der Zeilenmitte.
  9. Inschrift links und rechts des Vasenstils.
  10. Letztes Wort in verkleinerter Schrift auf der Grundlinie; Worttrenner in Form eines Quadrangels bzw. einer Raute im Größenverhältnis der verkleinerten Schrift.
  11. Es folgen drei Quadrangel: zwei übereinander gestellt (wie Doppelpunkt), einer danach auf der Zeilenmitte, daran anschließend ein Ornament aus einer Rosette mit links davon ansetzenden eingerollten Ranken zur Auffüllung der restlichen Zeile.
  12. Es folgen drei Quadrangel: zwei übereinander gestellt (wie Doppelpunkt), einer danach auf der Zeilenmitte.
  13. Worttrenner in Form eines Quadrangels bzw. einer Raute auf der Zeilenmitte; Bibelstellenangabe in verkleinerter Schrift (1 cm, gemessen r) auf der Grundlinie; anschließender Worttrenner im Größenverhältnis der verkleinerten Schrift.

Anmerkungen

  1. Vgl. zum Standort Vornbach: Kdm Passau 271; Heuwieser, Vornbach 37. Kieslinger, Steinätzer 305, verweist auf den Standort Regensburg. Für die Vermittlung und die Besichtigung des Tisches bedanke ich mich an dieser Stelle bei Frau Walburga Knorr, Regensburg, Frau Annette Kurella, Museen der Stadt Regenburg und bei Herrn Michael Preischl, Museen der Stadt Regensburg.
  2. Der zweite Teil des zweiten Verses ist leicht verändert, wohl um den Text auf dem vorgegeben Platz unterzubringen. Der zweite Vers lautet bei Vergil: fundit humus flores, hic candida populus antro, das imminet aus der Inschrift tritt bei Vergil erst im folgenden Vers auf.
  3. Die Inschrift zitiert fast wortwörtlich den Text der Lutherübersetzung, wo das Buch Sirach jedoch zu den Apocryphen gehört und auch anders gezählt wird (Sir 32, Verse 30, 32, 34 und 35). Die Rezeption der Lutherbibel könnte auch damit zusammenhängen, dass Pleninger offenbar bekennender Lutheraner war, vgl. hierzu Kieslinger, Steinätzer 304.
  4. Gmunden, Pol. Bez. Gmunden/OÖ.
  5. Thieme/Becker 27, 149 (mit weiteren Literaturangaben); Kieslinger, Steinätzer 304; vgl. auch RDK I Sp. 1226 Nr. 3: Ahnentafel von Andreas Pleninger mit Abb. Im Bestand der Museen der Stadt Regensburg hat sich neben dem Vornbacher Tisch auch ein Calendarium perpetuum erhalten, vgl. hierzu auch Kieslinger, Steinätzer 307.
  6. Vgl. hierzu kurz Schmitz, Liedertisch 3.

Nachweise

  1. Kdm Passau 271ff., Fig. 227, 228; Heuwieser, Vornbach 37; RDK I Sp. 1225 (nur aufgeführt); Kieslinger, Steinätzer 305 (nur aufgeführt).

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 111 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0011102.