Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 110 Neukirchen vorm Wald, Pfk. St. Martin 1574

Beschreibung

Retabel für Philipp Jakob von Schwarzenstein zu Englburg auf Fürstenstein und Katzenberg. An der Ostwand der Seelenkapelle. Epitaph in Form eines Triptychons mit Aufsatz: im Obergeschoß geschwungener Aufsatz mit Voluten, darin dreipassförmiges Feld mit Relief drei Vollwappen: in der Mitte das Familienwappen, flankiert von zwei kleineren Vollwappen der beiden Ehefrauen Philipp Jakobs; unter dem Aufsatz Gesims; in der Nischenzone zwischen Pilastern Nische mit vollplastischem Relief der Auferstehung: in der Mitte schwebt der Auferstandene, die Rechte zum Segensgruß erhoben, in der Linken wohl ehemals Kreuzstab mit Siegesfahne, fehlt heute, links unter ihm der leere Sarkophag, davor drei römische Soldaten, in der Mitte und rechts am Boden kauernd, der Linke zum Schwert greifend; darunter in Profilrahmen rechteckiges Inschriftenfeld mit Grabinschrift (I), darunter kleinere Nische mit vollplastischen Figuren der Familie des Verstorbenen: der Verstorbene in der linken Bildhälfte, hinter ihm ein Sohn, in der rechten Bildhälfte von rechts nach links eine Frau, davor ein Mädchen, vor dieser eine weitere Frau mit zwei Mädchen, alle Figuren mit gefalteten Händen, die Männer in Harnisch und kniend, ein Teil der Frauen stehend; an den Pilastern je vier Wappenschilde übereinander in Flachrelief, bemalt, jeweils darüber ein Schriftfeld mit Wappenbeischriften (II, III); unterhalb der Nischenzone Gebälk; an den Pilastern der Nischenzone je ein Flügel mit Gemälden: links innen Darstellung eines Gnadenstuhls; rechts innen Darstellung einer Marienkrönung; die geschlossenen Flügel zeigen eine Verkündigung: auf dem linken Flügel Maria, auf dem rechten der Engel. Holz, bemalt. Epitaph und Reliefhintergrund in schwarzer bzw. grauer Farbe bemalt, Rahmenelemente wie Blattwerk an den Voluten des Aufsatzes in Gold, Figuren und Wappen farbig. Mutmaßlich restauriert: Gemälde nicht zeitgenössisch, sondern überarbeitet; Reliefhintergrund ehemals wohl anders bemalt1). Vormals auf dem Epitaph eine weitere Inschrift mit Stiftervermerk (IV), genauer Anbringungsort unbekannt, mutmaßlich ehemals als Unterhang, heute nicht mehr vorhanden.

Maße: H. ca. 290 cm, B. 162 cm, Bu. 1,5 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/5]

Wappen:
Scholley9), Schwarzenstein2), Weichs4).

I.

  1. An(n)o D(omi)ni . 1574 . de(n)a) . 5 . Octobris ist in Chr(ist)o vnser(m) herr(n) Chrstlichb) endtschlaffe(n) morgens vmb . 5 . vhr . der Edl vnd vest Phillipp Jacob vo(n) Schwartzenstai(n) zu Engel=/burg auff Fürstenstain vnd Katzenberg (et)c(etera) seines Alters . 44 . der Almechtig Gott welle der seelen gnedig vnd Barmhertzig sein . Amenc) ·

II. Wappenbeischriften heraldisch rechte Seite, von oben nach unten:

  1. Wolff vom Schwartzenstain2) zue / Firstenstain Khatzennberg vnd / Engelburgc) · Md): vom Schwartzenstain3) zue / Firstenstain Khatzennberg vnd / Engelburgc) · Wigeleus vom Weichs4) zue Weichs / zue Deßing Grießbach Raber=/zell vnnd Staingriffc) · Wolff von Weichs4) zue Grießbach / vnnd Staingriffc) ·

III. Wappenbeischriften heraldisch linke Seite, von oben nach unten:

  1. Anna vo(n) Schwarzenstei(n) ein geborne / Fröschlin5) von Kharlstainc) · Md): von Schwartzenstain ein gebor=/ne von Laimingc)6) · Eeferasina vo(n) Weichs ein geborne / Marschalckhi(n) von Dornspurgc)7) · Anna von Weichs ein geborne von / Sandtitzellc)8) ·

IV. Text nach Erhard, Topographie.

  1. Anno d(omi)ni 1580 habe ich Anna von Schwarzenstain, geborne von Weichs dieses Epitaphium meinem lieben Junkher und Ehegemahl seligen unde) vor Augen aufgericht.

 
Wappen:
Scholley9), Schwarzenstein2), Weichs4).

Kommentar

Philipp Jakob von Schwarzenstein war ein Sohn des (Hans) Wolff von Schwarzenstein und von dessen Ehefrau Anna, geb. Fröschl von Taurstein. Somit war er ein jüngerer Bruder des Andreas von Schwarzenstein (Nr. 107). Philipp Jakob war in erster Ehe mit einer Frau aus der Familie von Scholley verheiratet. Er lernte die von Scholley offenbar am hessischen Hof, wo er in Diensten stand, kennen. Sie ist auf dem Epitaph nur durch ihr Wappen im Aufsatz vertreten. Nach deren Tod ehelichte Philipp Jakob 1570 Anna von Weichs, die ihm laut heute verlorener Inschrift das Epitaph setzen hat lassen. Die Großeltern Philipp Jakobs väterlicherseits waren Sigmund von Schwarzenstein (gest. 1533) und Hedwig, geb. von Layming zu Tegernbach und Ahaim10). Seine (zweite) Ehefrau Anna war die Tochter des Wiguleus von Weichs, der in erster Ehe mit Eufrosina Marschall von Oberndorff verheiratet war. Dessen Eltern waren Wolff von Weichs und Anna, geb. von Sandizell. Die Ahnenprobe zeigt also die jeweiligen Eltern und Großeltern väterlicherseits des Verstorbenen Philipp Jakob von Schwarzenstein und seiner zweiten Ehefrau Anna.

Philipp Jakob vom Schwarzenstein zu Englburg auf Fürstenstein und Katzenberg tritt neben anderen als Siegler in einer Urkunde vom 26. September 1565, die in Tittling ausgestellt wurde, auf. Er war nachweislich evangelischen Bekenntnisses11).

Anna von Schwarzenstein, geb. von Weichs, heiratete nach dem Tod von Philipp Jakob den fürstlichen Rat und Jägermeister Hans Jörg von Etzdorf12).

Textkritischer Apparat

  1. Kein Kürzungszeichen erkennbar, evtl. verloren.
  2. Sic!
  3. Worttrenner (am Textende) in Form eines Ornamentes aus vier spitzen Blättern auf der Zeilenmitte.
  4. Auflösung unklar.
  5. Fehlt bei BSB Cgm 2267 und in M.v.O. Msc. 39.

Anmerkungen

  1. Vgl. hierzu auch Kdm Passau 212 bzw. Fig. 172: hier erscheint der auferstandene Christus in einem Art Strahlenkranz, der auf den Hintergrund gemalt war. Der heutige Hintergrund ist einfarbig. Auch die Figuren der Familie scheinen eine andere Farbgebung gehabt zu haben. Mutmaßlich ist das Epitaph mehrmals neu gefasst worden. Auch die Tinktur der Wappen entspricht nicht mehr dem Originalzustand, vgl. beispielsweise das Wappen der Sandizell, wo der Büffelkopf – eigentlich schwarz mit silbernen Hörnern – braun ist; ähnlich auch beim Fröschlwappen, wo der Frosch grün in schwarz sein sollte, hier aber schwarz in Silber ist.
  2. BayA1 179; Katzenberg, Gem. Kirchdorf am Inn, Pol. Bez. Ried im Innkreis/OÖ.
  3. BayA1 179. Das Wappen des Großvaters väterlicherseits des Philipp Jakob, Sigmund von Schwarzenstein (Vorname fehlt in Inschrift).
  4. Bay 62f.; Dasing, Lkr. Aichach-Friedberg/Schw.; Obergrießbach, Lkr. Aichach-Friedberg/Schw.; Rapperzell, Gde. Schiltberg, Lkr. Aichach-Friedberg/Schw.; Steingriff, Stadt Schrobenhausen, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen/OB.
  5. BayA1 13; Tinkturen durch neue Fassung verfälscht; Karlstein, Stadt Bad Reichenhall, Lkr. Berchtesgadener Land/OB.
  6. BayA1 18; das Wappen der Großmutter väterlicherseits des Philipp Jakob, Hedwig, geb. von Layming, der Ehefrau des Sigmund von Schwarzenstein (Vorname fehlt in Inschrift).
  7. BayA1 114f.; Tinkturen durch neue Fassung verfälscht.
  8. Bay 20; Tinkturen durch neue Fassung verfälscht.
  9. BayA3 70.
  10. Vgl. Hundt, Stammenbuch II, 289f.; vgl. auch Erhard, Topographie 1,2 210; Krick, Stammtafeln Nr. 83 C und Nr. 165.
  11. Haider, Regesten Nr. 870; Kaff, Volksreligion 367.
  12. Vgl. Hundt, Stammenbuch II, 359; BSB Cgm 2290 32 fol. 37r und 39r.

Nachweise

  1. BSB Cgm 2267 II fol. 169r; M.v.O. Msc. 39 p. 411; Erhard, Topographie 1,2 158f.; Kdm Passau 211f., Fig. 172; Mayrhofer, Neukirchen vorm Wald 35, Abb. S. 37.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 110 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0011005.