Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 103 Kellberg, Gde. Thyrnau, Pfk. St. Blasius 1562

Beschreibung

Grabtafel für Margaretha Tengler zum Kaltenstein, geb. von Stainach. Innen, im Chor, an der Südwand, im ersten Joch von Westen. Um 1899 noch hinter dem Hochaltar, rechts1). Hochrechteckige Tafel, in der oberen Hälfte Schriftfeld mit Grabinschrift in Rollwerkrahmen, darunter ein weiteres Feld, darin Relief: zwei Vollwappen in zwei Nischen: zwei Rundbögen nebeneinander, an den Pfeilern Halbsäulen, in den Zwickeln dazwischen Blattwerk. Rotmarmor.

Maße: H. 134 cm, B. 119 cm, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. Anno domini · 1562 · Sontags den · 19 · July / Jst in Gott verschieden des Edlen vnd Vesten Chris=/toffena) Tenglers zum Kaltenstain vnd Satzpach Fürst=/lichena) Jägermaisters zu Passaw (et)c(etera) Eheliche hausfraw die / Edel tugenthafft fraw Margaretha ain geborne von Sta=/nacha) (et)c(etera) Deren Sele Gott Genade Amen Vnd vns Alle(n)b) .

Wappen:
Tengler2), Stainach3).

Kommentar

Die Inschrift ist die älteste voll ausgeprägte Fraktur im bearbeiteten Gebiet. Vor allem ab den 60er Jahren nimmt die Fraktur in der Inschriftenlandschaft der Stadt Passau, wo möglicherweise auch die Werkstatt der Grabtafel zu suchen ist, erheblich zu4). Der Schrifttyp ist hier bereits voll entwickelt mit Schwellschäften an Schaft-s und f, die allerdings nur zaghaft unter die Grundlinie reichen. Die Verwendung von einstöckigem a ist selbstverständlich. Die Tendenz zu mandelförmigen Buchstabenformen ist bei o und unzialem d gegeben. Die Versalien weisen teils ausladende Schwellzüge und Zierlinien auf.

Margaretha war laut Inschrift die Ehefrau des Christoph Tengler zu Kaltenstein. Dieser war bischöflicher Rat. Er erhielt 1553 die Burg Kaltenstein5) und 1556 die Hofmark Satzbach6) als Lehen7). Nach beiden Besitzungen nennt er sich auch in der Inschrift. Satzbach verkaufte er allerdings 1572 wieder. Für Kaltenstein hingegen wird das Erbrecht 1563 – also ein Jahr nach dem Tod seiner Frau – schließlich auch auf seine weiblichen Nachkommen ausgedehnt. Neben den hochstiftischen Lehen hatte Christoph Tengler auch die bayerische Hofmark Rammelsberg inne8). Er war – wie ebenfalls die Inschrift berichtet – Jägermeister – also der leitende Beamte des Jagdwesens – im Fürstbistum Passau. Als solcher ist er 1562 belegt9). 1567 ist er als Passauischer bischöflicher Kommissar nachweisbar10).

Für den Schwager Margarethas, den Bruder ihres Ehemannes Christoph Tengler und Passauischen Hofrat, Ulrich Tengler ist eine Grabtafel im Vorraum der Sakristei des Doms zu Passau erhalten11).

Margaretha war offenbar die zweite Gattin von insgesamt drei Ehefrauen des Christoph Tengler. Dieser war zunächst mit Ursula, geb. Kadinger von Schönering, verheiratet, dann mit Margaretha und schließlich mit Anna, geb. Jörger. Letztere stammte aus einer oberösterreichischen, sich zur neuen Lehre bekennenden Familie. Christoph selbst wandte sich wohl auch dem Luthertum zu. Sein Sohn, Hilprand, der ihm auf der Hofmark Rammelsberg nachfolgte, und dessen Familie waren nachweislich evanglisch12).

Textkritischer Apparat

  1. Drei kurze Schrägstriche als Trennzeichen übereinander.
  2. Worttrenner in Form eines Quadrangels, teils mit oben und unten ansetzenden Zierstrichen, auf der Zeilenmitte, am Textende ein Quadrangel auf der Grundlinie.

Anmerkungen

  1. Vgl. Erhard, Topographie 1,1 210 und 214; auch BZAR Gen. 1279, Heft IV, 7. Seite „Kirche zu Kellberg“.
  2. BayA3 107f.
  3. Si4 15; abweichend zu Siebmacher hier anderes Oberwappen: statt dem Flug hier nur Stufengiebel, bestückt mit drei Straußenfedern.
  4. Vgl. hierzu DI 67 (Stadt Passau) LVI; als Vergleichsbeispiel Nr. 610, Abb. 162.
  5. Kaltenstein, Gde. Röhrnbach, Lkr. Freyung-Grafenau; ehemals Hofmark im Hochstift Passau, vgl. HAB Passau 187ff.; auch Erhard, Topographie 2,4 264; vgl. Verleihungsurkunde Heider, Regesten Nr. 518 und 519, zur Umwandlung zum Lehen vgl. ebenda Nr. 520 und 521.
  6. Satzbach, Gde. Thyrnau, Lkr. Passau; ehem. Hofmark im Hochstift Passau, vgl. HAB Passau 117f.
  7. Vgl. dazu HAB Passau 117 f. und 189.
  8. Rammelsberg, Gde. Schönberg, Lkr. Freyung-Grafenau; ehemals adlige Hofmark im Landgericht Bärnstein, vgl. Karte in HAB Passau und HAB Grafenau 117–122; Hundt/Libius, Stammenbuch III, 683; HAB Passau 189.
  9. Erhard, Topographie 1,1 112; möglicherweise stammt jedoch Erhards Information von der obigen Inschrift, die genau das Jahr 1562 trägt. Erhard gibt keine Quelle an.
  10. Heider, Regesten Nr. 655.
  11. Vgl. DI 67 (Stadt Passau) Nr. 589; die Wappengrabtafel für Ulrich Tengler scheint nicht aus derselben Werkstatt zu stammen: der Schriftvergleich mit der Tafel für Margaretha ergibt keine konkreten Ähnlichkeiten.
  12. Vgl. hierzu HAB Grafenau 118; für diverse Hinweise zur Genealogie der Tengler bedanke ich mich darüber hinaus bei Herrn Dr. Reinhard H. Seitz, Neuburg a.d. Donau. Kaff, Volksreligion 358, führt Christoph Tengler in ihrer Liste evangelischer Landsassen auf.

Nachweise

  1. BZAR Gen. 1279, Heft IV, 7. Seite f. „Kirche zu Kellberg“; Erhard, Topographie 1,1 214; Leoprechting, Schätzl 154; ABP OA Sammlung Stinglhamer/Krick 221 (auch bez. „Tafel 15“); Kdm Passau 148.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 103 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0010300.