Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 102 Straßkirchen, Gde. Salzweg, Pfk. St. Ägidius 1557

Beschreibung

Grabplatte für den Pleban Sigismund Pleuer. An der Südwand des Langhauses, innen, kurz vor dem Chorbogen. Hochrechteckige Platte, in der oberen Hälfte Grabinschrift, in der unteren Relief in rundem Feld, darin profilierter Dreipass, in diesem oben ein Klüpfel? – ein hammerähnliches Werkzeug, unten links ein Kelch, unten rechts ein geschlossenes Buch mit vierblättriger Blüte auf dem Einband. Rotmarmor. Oberfläche leicht abgetreten.

Maße: H. 120 cm, B. 89 cm, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Frühe Fraktur.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. Anno d(omi)ni 1557 die 25 mensis / July obyt ven(erabi)lisa) vird(o)m(inus)b) / Sigimund(us)c) Plewer Pleban(us) / Jn Straskirchen cui(us) a(n)i(m)a deo / viuatd)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1557, am 25. Tag des Monats Juli, starb der ehrwürdige Mann, Herr Sigismund Pleuer, Pleban in Straßkirchen, dessen Seele bei Gott lebe.

Kommentar

Die vorliegende Schrift weist in ihren Grundzügen noch die Formen der Gotischen Minuskel auf. So sind Bögen und Schäfte auf der Grundlinie gebrochen. Die Schrift entfernt sich in ihren Proportionen allerdings vom gotischen Gitterschema und zeigt bereits ausgeprägte Ober- und Unterlängen. Richtungsweisende Merkmale sind einstöckiges, allerdings noch gebrochenes a und kursives s am Wortende. Schaft-s reicht noch nicht unter die Zeile, ist aber auch nicht mehr auf der Grundlinie gebrochen. Der – noch lineare – Schaft läuft spitz aus. Bei einigen Buchstaben mit Bögen wie unzialem d, b, h und v ist eine spitzovale Grundform zu erkennen. g ist oben nach wie vor nach gotischer Manier gebrochen, der untere Bogen ist hingegen ausgerundet. Auch die Versalien, die das Schriftbild auflockern, sind der Fraktur zuzuordnen. Die Werkstatt ist mutmaßlich in Passau zu suchen, wo es auch Vergleichsbeispiele gibt1).

Einzelne Merkmale der Schrift sind ähnlich in der Gotischen Minuskel-Inschrift für Hans Harschl (Nr. 97): so sind beispielsweise das leicht parallelogrammförmige o, der obere Knick bei Schaft-s und der obere Teil des g gleich gestaltet. Beide Inschriften könnten aus derselben Werkstatt stammen. Der Steinmetz könnte – ausgehend von einer Basisschrift – durch die Variation von Details unterschiedliche Schriftausprägungen intendiert haben. Dabei fällt auch auf, dass die Gotische Minuskel bei einem deutschen Text (vgl. Harschl Nr. 97), die Minuskel mit „moderneren“ Elementen bei einer lateinischen Grabinschrift (Pleuer) verwendet wurde. Vielleicht ist die unterschiedliche Gestaltung dadurch motiviert.

Das dargestellte Objekt, das mutmaßlich mit einem Klüpfel identifiziert werden kann, könnte beispielsweise auf ein Wappenbild der Familie zurückgehen. Hier ist es jedoch von einem Wappenschild o.ä. losgelöst und steht zusammen mit den Priestersymbolen Buch und Kelch.

Sigmund Pleuer ist sowohl bei Erhard als auch bei Krick unter den Pfarrern und Vikaren von Straßkirchen nachgewiesen2). Mehr ist zu ihm nicht bekannt. Ein Salzfertiger Hans Pleuer erscheint bei Loibl als Bürgermeister von Passau in den Jahren 1573, 1584 und 15863). Möglicherweise stammten beide, Hans und Sigmund, aus der gleichen Passauer Patrizierfamilie.

Textkritischer Apparat

  1. Endung -lis hochgestellt.
  2. Über m ein Kürzungsstrich, am Wortende us-Haken.
  3. Sic, s in der Mitte des Namens fehlt.
  4. Letzte Zeile zentriert.

Anmerkungen

  1. Vgl. DI 67 (Stadt Passau) LV und unter anderem Nr. 551 und 562, Abb. 160 und 165.
  2. Erhard, Topographie 1,1 150: bei Erhard als Sigmund Heuer. Erhard erwähnt auf derselben Seite, dass die älteste auf dem Friedhof erhaltene Platte aus dem Jahre 1557 stammt; es handelt sich höchstwahrscheinlich um diese Platte; Krick, Seelsorgevorstände 525: Krick weist Pleuer 1557 urkundlich nach.
  3. Loibl, Patrizier 88; vgl. hierzu auch Eichhorn, Beichtzettel 370–377.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 102 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0010203.