Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 85 Passau, Oberhausmuseum 1516

Beschreibung

Tafelbild, mutmaßlich Teil eines ehem. Gemäldeepitaphs für Hans und Jörg Perger aus dem Kloster Vornbach. Heute im Oberhausmuseum1). Die Tafel befand sich im Kloster Vornbach und wurde während der Säkularisation nach München verbracht2).

Auf der Tafel Darstellung von vielen betenden Personen auf einer Grünfläche, links Männer, rechts Frauen, alle kniend, teils mit Rosenkränzen, im Hintergrund in der Mitte ein Karner mit Totenschädeln, davor ein lesender Mönch, im Vordergrund links Männer portraithaft ausgeführt, zwei davon, mutmaßlich die in der Inschrift genannten Hans und Jörg Perger, an einem Betpult kniend, der rechte hält seinen linken Arm auf der linken Schulter eines neben dem Betpult stehenden Buben, eventuell ein Sohn, hinter dem linken ein älterer Mann in pelzverbrämter Schaube, an der Vorderseite des Betpultes Darstellung eines Vollwappens, links und rechts der Helmzier Inschrift (I), über den beiden Männern Jahreszahl (II), vor dem Betpult ein schlafendes Hündchen, unter den dargestellten Personen möglicherweise mehrere Mitglieder der Familie Perger, unter den Frauen im rechten Bildvordergrund mutmaßlich die Ehefrauen der beiden Perger. Holz3), Inschrift gemalt. Das Bild stellt sehr wahrscheinlich nur einen Abschnitt von einem ursprünglich größeren Epitaph dar. Möglicherweise handelt es sich bei der Tafel um einen Teil eines von Clarus Fasmann erwähnten Jüngsten Gerichts, das sich zu seiner Zeit an der südlichen Chorwand in der Pfarrkirche von Neukirchen am Inn befand4). Gemälde offenbar teils nachgemalt, Inschrift II mutmaßlich später erneuert.

Maße: H. 47 cm, B. 85 cm, Bu. 0,6 cm (I), 3 cm (II, gemessen 1).

Schriftart(en): Gotico-Antiqua.

© Bayerische Staatsgemäldesammlungen München [1/1]

  1. I.

    Hanns vnd // Jörga) per/ger pflegb) // vnda) mawt/ner zw // newburga)

  2. II.

    1 · 5 · 16 ·

Wappen:
Perger5).

Kommentar

Obwohl die vorliegende Schrift gemalt ist, lässt sie sich einer Reihe von in Stein gehauenen Inschriften zuordnen, die zwischen 1507 und 1513 in Passau auftreten6). Die Buchstabenformen lehnen sich an den Stil Jörg Gartners an und nehmen den sich später etablierenden Zimbstyp vorweg. Typisch sind g mit s-förmigem Aufbau, bei dem der rechte Teil des oberen Bogens in denselben hineinzeigt, Rotunda-a und auch die Form des w mit den zwei parallelen Schrägschäften. Besonders bezeichnend für diese Gruppe ist p, bei dem der Schaft unter der Grundlinie nach links abgebrochen wird und dort spitz ausläuft.

Die Jahreszahl passt hingegen nicht gut in die Zeit. Die Fünf, bei der der obere Teil mit Schaft und Deckbalken gestaltet ist, erscheint sehr modern. Die Eins in Form eines i, an dessen Schaft links ein Zierstrich nach unten geht und dort in einer Schleife endet, lässt eher an die Zeit des Barock denken. Mutmaßlich wurde die Zahl bei einer Renovierung ergänzt bzw. neu gemalt.

Das Gemälde wird von der kunsthistorischen Literatur verschiedenen Passauer Malern zugeordnet. So führen es Stiaßny, Schmid und Guby unter möglichen Gemälden des Rueland Frueauf d. J. auf bzw. reihen es in seinen Umkreis ein7). Hofstetter hingegen schreibt es der Werkstatt Wolf Hubers zu8). Leider kann der bei der Schriftanalyse identifizierte Gotico-Antiqua-Stil mit keiner der bekannten Malerwerkstätten in Verbindung gebracht werden, da aussagekräftige Beispiele fehlen9). Ein vergleichbares Fragment eines Gemäldeepitaphs aus derselben Zeit befindet sich in der Kunstsammlung in Kremsmünster und ist für den Passauer Bürgermeister Jakob Endl – mutmaßlich von Wolf Huber – gefertigt worden10).

Die auf der Tafel genannten Hans und Jörg Perger hatten laut Inschrift beide Ämter in Neuburg am Inn inne, nämlich das Amt des Pflegers und das des Mautners.

Die Grafschaft Neuburg am Inn kam nach dem Landshuter Erbfolgekrieg (1503–1505) 1506 an den Kaiser. 1514 wurde sie an Johann Graf von Canissa verschrieben11). Die beiden Perger waren demnach für diesen tätig.

Textkritischer Apparat

  1. Zeile durch die Helmzier geteilt.
  2. Kein Kürzungszeichen erkennbar; ergänze mutmaßlich einen er-Haken für pfleg(er).

Anmerkungen

  1. Eigentum der Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München (Inv.-Nr. 10761).
  2. Vgl. genauer Weißes Gold 115 und Kdm Passau 276 Anm. 1.
  3. Tempera auf Fichtenholz, vgl. Weißes Gold 115; Faszination Mittelalter 16.
  4. Fasmann, Chronik 1 fol. 304r beschreibt folgendes: Primum ex latere sinistro, seu ad latus Sacritiae exhibet Judicium Extremum non ignobiliter depictum, cum hac epigraphe: Haben machen lassen Hans und Jörg Perger Pfleger und Mauttner zw Neuburg 1516. Der Wortlaut der Inschrift stimmt – bis auf den Beginn Haben machen lassen, der vielleicht von Fasmann ergänzt worden oder bei einer Restaurierung verloren gegangen sein könnte – mit der Inschrift auf dem hier behandelten Tafelbild überein.
  5. BayA3 1: Perger 1, dort in der Beschreibung Wappenvariante „in Silber ein schwarzer Dreiberg von zwei roten Schildchen überhöht“.
  6. Vgl. hierzu DI 67 (Stadt Passau) XLIX; auch Epp, Epigraphische Minuskel 185.
  7. Stiaßny, Donaumalerei 426; Schmid, Passau 90; Guby, Frueauf 88ff.; auch Thieme/Becker 12, 534f.
  8. Hofstetter in Weißes Gold 115 Kat.-Nr. 222.
  9. Es kann ein Schriftstil herausgefiltert werden, der einer anonymen Werkstatt zuzuordnen ist. Es sind bisher keine weiteren Gemälde mit diesem Schrifttyp bekannt, besonders keine, die eindeutig einem Meister zugeschrieben werden können. Möglich wäre auch, dass eine Art Schriftspezialist sowohl für Bildhauer- wie auch für Malerwerkstätten – wie in diesem Fall – tätig war bzw. für beide Medien dieselben Schriftmuster verwendet wurden.
  10. Vgl. hierzu DI 67 (Stadt Passau) Nr. 376 und Weißes Gold 114 Kat.-Nr. 221.
  11. Vgl. hierzu HAB Neuburg 60f.; die Angaben bei Erhard, Topographie 2,6 5, die Neuburg wäre um 1510 schon an den Grafen Niklas von Salm vergeben gewesen, ist zu vernachlässigen.

Nachweise

  1. Fasmann, Chronik 1 fol. 304r; Weißes Gold 115 Kat.-Nr. 222; Faszination Mittelalter 16f. Kat.-Nr. 1/5; Epp, Inschriften als Quellen 93f., Abb. 4.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 85 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0008507.