Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 77 Aicha vorm Wald, Pfk. St. Petrus und Paulus 1510

Beschreibung

Wappengrabplatte mit den Grabinschriften für Jörg Püchler zu Aicha und seine Ehefrau Margret Püchler, geb. Sigershofer, wieder verheiratete Wernstorffer. Hochrechteckige Platte, im unteren Teil Relief zwei einander zugewandte Vollwappen in vertieftem rechteckigem Feld, am oberen Rand zwei Rundbogenansätze, über dem Relief Inschrift: oben Grabinschrift für Jörg (I), im Anschluss Inschrift für die Ehefrau (II), nach ihrem Tod 1525 vervollständigt; nachgetragener ergänzter Text im Anschluss der oberen Inschrift und um das Relieffeld herumgeführt. Rotmarmor. Oberfläche der Platte leicht abgenutzt.

Maße: H. 190 cm, B. 110 cm, Bu. 5 cm (I), 4 cm (II Nachtrag).

Schriftart(en): Gotico-Antiqua.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. I.

    An(n)o D(omi)ni · 1510a) · Jar An allerseltag / starb Der Edel vest Jörg Püchler / zu Aichach dem got genagb)

  2. II.

    Es leit / auch hie begrabn Die Edel Fraw / Margret sigershoferin di sein hausfrav / gebesen ist 〈Auch nach mals Demc) . / Edl(e)n vn(d) vest(e)n walthasarn wern[st]a[r]ff[er] / Bheiratd) die gestorb(e)n ist an mo(n)tag / vor sand pauls bekeru(n)g 1525 der / got // gnedig // sey〉e)

Datum: 1510 November 02; 1525 Januar 23.

Wappen:
Püchler1), Sigershofer2).

Kommentar

Die Schriftformen weisen in die Werkstatt des Passauer Bildhauers Jörg Gartner3). Die Ausprägung gehört bereits einer mittleren Phase an, bei der der oben freistehende Teil des unzialen d nach oben umgebogen ist.

Die Schrift des Nachtrages fällt bereits in eine Zeit, in der Gartner nicht mehr am Leben war. Es handelt sich daher nicht mehr um dessen Schrifttyp. Die Formen orientieren sich aber stark an seinem Stil. So findet sich hier die typische Gestaltung des g mit annäherndem s-förmigen Aufbau, unziales ovales d, doppelstöckiges a mit zu Quadrangel reduziertem unterem Bogen etc. Jedoch sind die Grundformen der Buchstaben mit Bögen hier spitzoval, das Schaft-s tendiert eher zum einfachen Knick als zur Fahne, unziales d ist oben ohne umgebogenes Ende gestaltet. Durch derartige Feinheiten unterscheidet sich die Schrift eindeutig von der Gartners. Die Proportionen und auch die relativ breiten, aber doch spitzovalen Bögen erinnern ansatzweise an den Brunhofertyp4).

Die Grabinschrift nennt einen Edlen Jörg Püchler „zu Aichach“, der 1510 verstarb, und dessen Ehefrau Margret, eine geb. Sigershofer, die nach seinem Tod Balthasar Wernstorffer heiratete und 1525 starb. Die Platte war offenbar von vorn herein für die Eheleute konzipiert ohne Berücksichtigung des zweiten Ehemannes der Frau, der erst in dem an den Rand gedrängten Nachtrag erwähnt wird. Das Relief zeigt daher auch neben dem Wappen des Jörg Püchler das der Sigershofer, der Familie der Ehefrau.

Bei dem Versuch, die Personen näher zu identifizieren, stößt man jedoch auf Probleme:

Die eher magere Literatur zu den Püchlern in Aicha spricht – wenn überhaupt – von der Familie der Püchler von Weideneck. Diese Püchler waren im Hochstift Passau ansässig5). Ihnen wird jedoch ein anderes Wappen zugewiesen6). Jörg Püchler ist über sein Wappen eindeutig als Mitglied der Püchler zu Arget ausgewiesen7).

Die Angaben in der Literatur zu Jörg bzw. Georg Püchler variieren. Bei Hundt/Libius8), Prey9) und Erhard10) wird jeweils die Tochter eines Georg Püchler, Elisabeth, die einen Erasmus Sigershofer geheiratet haben soll, genannt. Erhard erwähnt zusätzlich an anderer Stelle unter den bischöflichen „Vasallen“ am Beginn des 16. Jahrhunderts einen Georg Pühler zu Weideneck. Aicha wird in diesem Zusammenhang nicht angeführt.

Veit11) nennt einen Jörg Püchler für das Jahr 1532. Nach Veit befand sich der Stammsitz der Püchler – die im Raum Passau nachzuweisen sind – in Pühel bei Aicha vorm Wald. Die Püchler saßen dann zunächst in Tiefenbach, traten aber in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in erster Linie als Inhaber von Weideneck auf, wonach sie sich „von Weitteneck“ nannten. Am Beginn des 16. Jahrhundert sind Püchler als Mitbesitzer für Aicha nachgewiesen. Darunter befand sich wohl auch der inschriftlich genannte Jörg, der 1510 verstorben ist.

Im 15. Jahrhundert saßen in Aicha die Pfeil, von denen angeblich der Sitz an die Püchler übergegangen sein soll12). Veit weist dort aber auch die Sigershofer nach. Nach Veit besaß ein Asem Sigershofer 1418 dort einen Hof und ein Leutolt Sigershofer nennt sich 1431 nach „Aychach“. Diese Familie tritt weiterhin als Inhaber der Hofmark Aicha auf. Der Inschrift nach war Jörg Püchler mit einer Frau aus dieser Familie, Margret Sigershofer, verheiratet.

Er könnte also als Ehemann einer Sigershoferin Mitbesitzer der Hofmark Aicha geworden sein. Dies könnte u.U. die Theorie widerlegen, dass Aicha über die Pfeil an die Püchler gelangte. Ähnlich könnte es sich bei dem zweiten Ehemann der Margret verhalten: Veit weist für 1532 einen Balthasar Mernstorfer als Mitbesitzer von Aicha nach. Dieser dürfte wohl mit dem zweiten Ehemann der Margret Sigershofer, dem in der Inschrift genannten Balthasar Wernstorffer, identisch sein. Somit könnte auch dieser über die Ehe mit Margret zu dieser Hofmark gelangt sein. Nach Hundt war Balthasar Wernstorffer auch Pfleger in Hilgartsperg. Er verstarb 1538 und wurde in München beerdigt13).

Textkritischer Apparat

  1. Worttrenner in Form eines nach links bogenförmig ausgezogenen Quadrangels auf der Zeilenmitte.
  2. Sic! Verschreibung für genad.
  3. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte; Fortsetzung der Inschrift an der rechten Langseite der Platte als Umschrift um das Wappenrelief.
  4. Sic!
  5. Letzte Zeile wieder zeilengerecht, jedoch zweimal von den Bögen des Relieffeldes unterbrochen.

Anmerkungen

  1. BayA1 31.
  2. BayA1 123.
  3. Vgl. Einleitungskapitel XLVI.
  4. Vgl. hierzu DI 67 (Stadt Passau) L.
  5. Vgl. vor allem HAB Passau 126, 128; auch HAB Vilshofen 179; BayA1 31.
  6. Vgl. vor allem BayA1 31; Hundt/Libius, Stammenbuch III, 255; vgl. auch Anm. 1.
  7. Arget, Gde. Sauerlach, Lkr. München/OB.; das Wappen der Püchler von Arget vgl. BayA1 31. Wappenbelege für die Püchler von Arget (Arm mit Hammer): BHStA Kurbayern Urkunden 17433 (1473 III 18) und 17437 (1449 III 2); Wappenbelege für die Püchler von Weideneck (Eberkopf): BHStA GU Vilshofen 325 (Ulrich Püchler, 1533) und BHStA Hochstift Passau Urk. 896 (Christian Püchler, 1390); für diese Hinweise danke ich sehr herzlich Frau Archivamtfrau Claudia Mannsbart.
  8. Hundt/Libius, Stammenbuch III, 255–259: hier finden sich mehrere mögliche Kandidaten: 1. Georg Büchler von Weideneck, Ritter und Hauptmann, um 1501; dessen Eltern: Albrecht Büchler und Maria von Nußdorf; seine Ehefrau: Barbara Oberhaimerin (S. 257). 2. Georg Püchler; seine Eltern: Wolff Püchler und N. Pfeil; seine Ehefrau: N. Riedler; seine Tochter: Elisabeth, heiratet „Emsing“/Erasmus von Sigershofen (um 1500): diese Angaben finden sich bei Hundt/Libius allerdings sowohl unter der Familie der Püchler von Arget (S. 256) als auch unter den Püchler von Weideneck (S. 259)! Die Identifizierung ist also schon allein deshalb äußerst fraglich. Keiner dieser George war offenbar mit einer Margret Sigershofer verheiratet.
  9. BSB Cgm 2290 19 fol. 393v: Prey führt unter der Familie der Püchler von Pühel und Arget einen Georg Püchler zu Aichach (das er als Schloss im Gericht Vilshofen ausweist, also Aicha vorm Wald!) auf: dessen Eltern: Leonhart Püchler und N. Riedler; seine Ehefrau Margaretha Pfeilin von Haselbach; seine Tochter: Elisabeth, heiratet Erasmus von Sigershofen.
  10. Erhard, Topographie 1,2 143 und 1,3 6: bei Erhard erscheint ein Georg Püchler: seine Eltern: Albrecht Püchler und Maria von Nußdorf (= erste Ehefrau); seine Ehefrauen: 1. N. Riedler, 2. Barbara Oberhaimer; seine Tochter: Elisabeth, heiratet Erasmus Sigertshofer; Erhard scheint Angaben, die auch bei Hundt/Libius aufscheinen, dort allerdings auf verschiedene Personen Bezug nehmen, miteinander zu vermischen. Auf Erhard basieren auch die Angaben in HAB Vilshofen 179. An anderer Stelle – nämlich Erhard, Topographie 1,1 43 – hingegen erwähnt Erhard einen Georg Pühler zu Weideneck als einen bischöflichen Vasallen am Beginn des 16. Jahrhunderts.
  11. HAB Passau 126, 128; kurz 497.
  12. Erhard, Topographie 1,2 143; HAB Vilshofen 179; annähernd auch bei Hundt/Libius, Stammenbuch III, 256.
  13. Hundt/Libius, Stammenbuch III, 770: hier auch der Hinweis, dass Balthasar mit Margreth, der Witwe des Georg Püchler, verheiratet gewesen ist. Jedoch nennt Hundt sie eine Wieland.

Nachweise

  1. Kdm Passau 16f.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 77 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0007705.