Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 60 Fürstenzell, ehem. Zisterzienserkloster 1496

Beschreibung

Figurale Grabplatte für den Abt Johann Schleterer. Im Treppenhaus vor der Sakristei, an der Westwand, dritte Platte von Süden. Um 1920 noch im Chor der ehem. Klosterkirche, davor (bis 1860) im (ehem.) Kreuzgang1). Hochrechteckige Platte, darin Relief mit lebensgroßer Darstellung des Verstorbenen in Ornat mit Mitra, Kasel, Brustkreuz und Pontifikalhandschuhen, der Kopf ruht auf einem Kissen, mit der Rechten den Abtsstab haltend, daran Pannisellus sichtbar, in der Linken ein geschlossenes Buch; zu seinen Füßen links ein kleiner Converse als Wappenhalter, auf einem leeren Schriftband stehend, vor ihm ein Wappenschild mit dem Klosterwappen, ein weiterer Wappenschild zur Rechten des Abtes auf der selben Höhe. Um das Relief Umschrift, vertieft, mit schwarzer Farbe nachgemalt, an der oberen Schmalseite entgegen der Gewohnheit mit obiit beginnend. Rotmarmor.

Maße: H. 217 cm, B. 115 cm, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. O(biit) Reuerend(us)a) // paterb) · et · d(omi)n(u)s · / d(omi)n(u)s · Joha(n)nes · Schletrer · Abbas · prim(us)a) · Inpetrator · infule · et / benefactor · hui(us)a) · Monastery · Cui(us)a) · / a(n)i(m)a · Requiescat · i(n) · pace · Anno · d(omi)nj · Mo · cccco · lxxxxvio · iiij · k(a)l(endas) · Junyc) ·

Übersetzung:

Es starb der hochwürdige Vater und Herr, Herr Johann Schleterer, Abt, erster Erlanger der Inful und Wohltäter dieses Klosters. Dessen Seele ruhe in Frieden; im Jahre des Herrn 1496, am 4. vor den Kalenden des Juni.

Datum: 1496 Mai 29.

Wappen:
Fürstenzell2), Zisterzienserorden3).

Kommentar

Einzelne Elemente in der Schrift sowie in der figürlichen Darstellung erinnern an den Stil des Straubinger Meisters Erhart4). Bei näherem Hinsehen jedoch erweist sich das Stück nicht als Werk desselben. Bei Erhart sind vor allem markante Abschlussstriche bei a, t usw. charakteristisch. Bei vorliegendem Typ sind derartige Abschlussstriche vorhanden, sind jedoch weicher und fließender. Dagegen finden sich auch hier – ähnlich wie bei Erhart – Versalien mit zackigen Ansätzen meist am linken Schaft. Ein weiteres Element, das bei Erhart eine häufige Verwendung findet, sind Teile der bildlichen Darstellung – hier die Mitra –, die in den Rand hinein ragen und die Umschrift unterbrechen. Auch die bei Erhart beliebten, kleinen Figuren als Schildhalter kommen hier zum Einsatz: bei der Platte des Abtes Schleterer ist ein kleiner Mönch erkennbar, der das Klosterwappen hält. Auf Grund der Ähnlichkeiten ist der Bildhauer dieser Platte im Umkreis Erharts zu suchen.

Harksen reiht die Grabplatte in einen Kreis von Straubinger und Eichstätter Werken ein und nennt einige Vergleichsbeispiele. Nach Harksen wäre die Platte unter Umständen in den Umkreis des Johannes de Sabatiis (Johann von Sabar?) einzugliedern5).

Karl Friedrich Leonhard hingegen verweist auf die große Ähnlichkeit der Grabplatte Schleterers mit dem Grabmal für Matthäus Grans aus Raitenhaslach (Stadt Burghausen, Lkr. Altötting/OB.; jetzt in Burghausen), das er einem (anonymen) Lehrmeister des Salzburger Meisters Peter oder Hans Eybenstock zuschreibt, und macht das Stück somit eher von der Salzburger Kunstlandschaft abhängig6).

Pinders Vermutung, das Stück sei offenbar schon in den 60er Jahren gefertigt7), ist zu verwerfen, da Schleterer zu der Zeit zwar schon Abt war, die Pontifikalien, auf die sowohl im Text als auch im Bild ausführlich eingegangen wird, jedoch erst 1473 verliehen bekam (vgl. unten).

Johann Schleterer wurde nach Krick am 5. Januar 1460 zum Abt gewählt. Sein größter Verdienst, auf den auch in der Grabinschrift Bezug genommen wird, war die Erlangung der Pontifikalien, die er von Papst Sixtus IV. 1473 verliehen bekam und mit denen er am 16. August 1475 infuliert wurde. Als Herkunftsort Schleterers gilt Vornbach8). Er starb 1496. Nach Bruschius wurde er in der Kapelle des Hl. Stephan im Kloster beigesetzt9).

Die Bedeutung der Infulierung manifestiert sich auch in einer Zeichnung im Grundbuch Fürstenzells, die sich innerhalb einer Liste von Zehnten des Klosters befindet und den Passauer Bischof Ulrich von Nußdorf (1451–1479) zeigt, wie er Abt Johann, unter dem das Grundbuch angefertigt wurde, infuliert10).

Textkritischer Apparat

  1. us-Haken hochgestellt.
  2. Davor Zeile durch die Mitra unterbrochen.
  3. Worttrenner in Form eines Quadrangels mit oben und unten ansetzenden eingerollten Zierstrichen auf der Zeilenmitte, am Textende fünf kreuzförmig angeordnete Quadrangel.

Anmerkungen

  1. Kdm Passau 71; Heuwieser, Fürstenzell 148f.; Erhard, Topographie 2,6 118.
  2. Klö 46.
  3. Klö 73: dort als Wappen Raitenhaslachs (Stadt Burghausen, Lkr. Altötting/OB.) mit dem Vermerk: „Die Abtei [Raitenhaslach] führte das Wappen des Cisterzienser-Ordens“; Zimmermann, Klosterheraldik 13.
  4. Zu Meister Erhart vgl. auch Halm, Plastik 1, 89–97 und Seufert, Preu/Zeller, passim.
  5. Harksen, Passauer Plastik 26. Der Name des Bildhauers rührt von einer Künstlersignatur auf dem Stifterdenkmal für Sophia von Hirschberg in Eichstätt, vgl. Kdm Eichstätt 294, Taf. XXXVI. Der genaue Name bzw. der Herkunftsort des Steinmetzen ist jedoch ungeklärt, vgl. ebenda Anm. 1.
  6. Leonhardt, Salzachgebiet 43f., vor allem 44 zu Schleterer und 36 zu Eybenstock. – Vgl. zum Grabmal des Ritters Matthäus Grans (gest. 1448) Dorner, Raitenhaslach Nr. 31 und Dorner, Burghausen Nr. 12.
  7. Pinder, Plastik 276 und 282.
  8. Vgl. zur Verleihungsurkunde MB 5, 88f.; vgl. allgemein Bruschius, Supplementum p. 89f.; ABP Sammlung Huber, p. 42; Krick, Stabile Klöster 274; Erhard, Topographie 2,6 118; Klö 46 und 900 Jahre Pfarrei 24; im Fürstenzeller Nekrolog wird auch darauf verwiesen: MGH Necrologia Germaniae IV, 115.
  9. Vgl. Bruschius, Supplementum p. 90: Sepelitur Dominica Trinitatis hora Vesperarum in Sacello S. Stephani Prothomartyris in ipso Monasterio.
  10. Siehe Clm 7201 fol. 18v.

Nachweise

  1. ABP Sammlung Huber, Rückseite „Vorblatt“ und Abzeichnung (ebenfalls auf einem „Vorblatt“, ebenda p. 43 (Abschrift und Beschreibung); Huber, Sammlung (SBP Ms 117) p. 50; ABP OA Sammlung Stinglhamer/Krick 221; Baltasar, Grabsteine 76, Abb. 48; Kdm Passau 71f., Fig. 50; Harksen, Passauer Plastik 26f.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 60 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0006000.