Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 29 Kellberg, Gde. Thyrnau, Pfk. St. Blasius vor 1456 Mai 24

Beschreibung

Wappengrabplatte für Degenhart von Watzmansdorf. Innen, im südlichen Langhaus, an der Südwand, im vierten Joch von Westen. Dort war die Platte auch schon um 18421). Hochrechteckige Platte mit Umschrift; darin Relief Vollwappen in vertieftem Feld, oben mit Dreipassbogen abgeschlossen, der mittlere Bogen nach oben verlängert – die Helmzier einschließend –, in einem angedeuteten Kielbogen endend; um die Helmzier bzw. den mittleren Bogen vier Wappenschilde in verkröpften Vierpassfeldern, die unteren beiden links und rechts über den seitlichen Bögen des zentralen Wappenfeldes, die oberen beiden links und rechts neben dem angedeuteten Kielbogen, schräg stehend, dem Bogen zugeneigt. Rotmarmor. Platte gut erhalten; Vorlinierung noch erkennbar; unterer Teil der rechten Langseite der Umschrift von Kirchenbank verdeckt.

Text ergänzt nach Photo Kdm Passau.

Maße: H. 204 cm, B. 102 cm, Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. Anno · d(omi)nj · Mo · cccco 〈· lvio〉 do / · Jst · gestorben · der · Edel · vn(d) · v[est · Degenhart · bacen/sto]rffer · vo(n) · leuprehtinga) · / 〈desb) · Mantag · vor · goczleiche(n)nam · tag · dem · got · genadc)

Datum: 1456 Mai 24.

Wappen:
Watzmansdorf2).
Watzmansdorf2)Haderer oder Satelbogen3)
unbekannt4)Mermosen(?)5).

Kommentar

Es handelt sich um eine relativ harmonische, jedoch kräftig ausgeführte Gotische Minuskel. Obwohl die Beschriftung relativ homogen wirkt, wurde das Sterbedatum offenbar erst später nachgetragen, wovon in erster Linie das relativ große Spatium nach dem Sterbejahr zeugt. Die Tagesdatierung wurde am Ende der Inschrift nachgetragen und nimmt die gesamte linke Längsseite der Platte ein.

Die Familie der Watzmansdorfer ist leider nicht sehr gut erforscht. Die teils in der Literatur voneinander abweichenden Angaben sollen hier in einem kurzen genealogischen Abriss zusammengefasst werden.

Degenhart I. von Watzmansdorf ist der erste Vertreter der Familie, für den sich eine Inschrift erhalten hat. Er ist zwischen 1412 und 1448 urkundlich fassbar6). Sein Vater war höchstwahrscheinlich Christan oder Christian von Watzmansdorf7). Als Mutter Degenharts kommen zwei Ehefrauen Christians in Frage, von denen jeweils nur die Familiennamen bekannt sind: Satelbogen oder Haderer8). Ihre Identität kann leider auch nicht über das Ahnenwappen auf der Grabplatte geklärt werden (vgl. oben). Für Degenhart sind zwei Brüder, Tristram und Stephan, belegt9). Darüber hinaus sind für ihn zwei Ehefrauen überliefert, Amalia von Mermosen und Katharina von Hörleinsperger. Letztere ist im Gegensatz zur ersteren jedoch nicht unter den Wappen der Grabplatte vertreten10). Als Kinder Degenharts lassen sich Christoph I. von Watzmansdorf (vgl. Nr. 55), wohl aus der Ehe mit Amalia von Mermosen, Georg (Jörg) von Watzmansdorf (vgl. Nr. 56) und Barbara, verh. Puchberg – die beiden letzteren mutmaßlich aus der Ehe mit Katharina von Hörleinsperger – ausmachen11). Als nachfolgende Generation gelten die Kinder Georgs von Watzmansdorf, da Christoph offenbar unverheiratet und ohne Nachkommen blieb. Hierzu sind Wilhelm, Domherr in Passau12), Degenhart II. (Nr. 75), Christoph II. (Nr. 74) und Margareth, Chorfrau zu Niedernburg in Passau, zu zählen. Darüber hinaus werden Georg noch weitere Kinder zugeschrieben, nämlich Wiguläus, Magdalena, Barbara und Regina, Nonne in Chiemsee13).

Von den männlichen Vertretern dieser Familiengeneration hatten offenbar nur Degenhart II. und Christoph II. Nachkommen. Degenhart hatte eine Tochter, Sabina, aus der Ehe mit Barbara, geb. von Waldeck. Für Barbara, die erheblich später verstarb als ihr Mann, existiert ein eigenes Grabmal (Nr. 87). Christoph II. und seine Ehefrau Hedwig von Tannberg hatten zusammen vier Töchter, Margaretha, Magdalena, Ursula und Benigna. Da sich unter den Kinder beider Watzmansdorfer kein männlicher Nachkomme befand, starb die Familie mit Christoph II. im Mannesstamm aus14).

Eine über eine Kopiale überlieferte, angebliche Anna von Watzmansdorf (Nr. 8†) ist wegen der mangelnden Identifizierung der Person zu vernachlässigen.

Textkritischer Apparat

  1. t-Schaft identisch mit senkrechtem Abschnitt des gebrochenen h-Bogens, evtl. Verschreibung.
  2. s spiegelverkehrt.
  3. Worttrenner in Form eines Quadrangels mit oben und unten ansetzendem eingerollten Zierstrich auf der Zeilenmitte.

Anmerkungen

  1. Vgl. BZAR Gen. 1279, Heft IV, 1. Seite „Kirche zu Kellberg“.
  2. OÖ 607.
  3. Das Wappen kann nicht eindeutig identifiziert werden. Es zeigt einen Balken bzw. ist zweimal geteilt. In Frage kämen mutmaßlich die beiden Familien der beiden möglichen Mütter Degenharts, nämlich die von Satelpogen (Satelboger) (BayA1 123: von Gold, Rot und Silber geteilt) oder die Familie Haderer (OÖ 736ff.: ein Schrägbalken, um 1407 ein Balken, vgl. ebenda, Taf. 147).
  4. Ein (oberhalber) Hund. Es handelt sich hier offenbar nicht – wie vielleicht angenommen werden könnte – um das Wappen der Hörleinsperg, der Familie der (zweiten) Ehefrau Degenharts. Diese führen zwei abgewendete Monde, vgl. hierzu OÖ 121.
  5. Drei Mooskolben, aus Dreiberg wachsend; evtl. das Wappen der Mermosen (BayA1 163 bzw. BayA2 140), jedoch anstelle des gewellten Grundes ein Dreiberg.
  6. Bei Heider, Regesten 92–110, tritt in Urkunden, die die Herrschaft Leoprechting betreffen, zwischen 1412 und 1448 ein Degenhart von Watzmansdorf auf. Daneben erscheint ein Degenhart von Watzmansdorf zu Leoprechting in einer Urkunde von 1448 neben anderen „Edlen“ als Recht Sprechender, vgl. MB 31b, 401.
  7. Vgl. Krick, Stammtafeln Nr. 205, Hundt/Libius, Stammenbuch III, 765ff. und OÖ 608f., sowie Urkunden bei Heider, Regesten 89–93; abweichend hingegen Erhard, Topographie 1,1 176.
  8. Vgl. bes. Krick, Stammtafeln Nr. 205, Erhard, Topographie 1,1 173; mit Einschränkung auch Hundt/Libius, Stammenbuch III, 765ff., BSB Cgm 2290 30 fol. 448r f.; OÖ 608f. Die Grabplatte zeigt mutmaßlich unter den kleinen Wappenschilden auch den Schild der Mutter. Möglicherweise ist dies der obere Schild auf der heraldisch linken Seite, der einen Balken zeigt. Da aber sowohl die Familie Haderer als auch die Familie von Satelpogen einen ähnlich aufgebauten Schild führten (vgl. Anm. 3) und auf der Grabplatte keine Tinkturen vorhanden sind, kann die Mutter auch nicht über die Wappenschilde nachgewiesen werden.
  9. Bei Heider, Regesten, werden in einer Urkunde vom 21. März 1414 ausdrücklich die Gebrüder Tristram, Degenhart und Stephan genannt. Somit sind also zwei Brüder Degenharts (I.) belegt.
  10. Bei Krick, Stammtafeln Nr. 205, Hundt/Libius, Stammenbuch III, 765ff., BSB Cgm 2290 30 fol. 448rf. sowie OÖ 608f. werden Amalia von Mermosen als erste und Katharina von Hörleinsperg (Harlasperger, Herleinsperger) als zweite Gemahlin aufgeführt. Die bei Heider, Regesten 96, in einer Urkunde vom 28. März 1419 genannte „Kathrey“ dürfte die Hörleinspergerin sein. Der heraldisch linke untere Wappenschild auf der Grabplatte Degenharts könnte das Wappenbild der Mermosen (vgl. Anm. 5) in abgewandelter Form – das der Mermosen hat anstelle eines Dreibergs einen gewellten Grund – wiedergeben. Das heraldisch rechte untere Wappenbild weicht jedoch von dem der Familie der Hörleinsperger (der Familie der zweiten Ehefrau Degenharts) vollkommen ab (vgl. Anm. 4).
  11. Vgl. bes. Krick, Stammtafeln Nr. 205, OÖ 608f., sowie Heider, Regesten Nr. 348; mit teils größeren Abweichungen Hundt/Libius, Stammenbuch III, 765ff., BSB Cgm 2290 30 fol. 448rf.; Brunner, BZAR Gen. 1279 und Erhard, Topographie 1,1 177f.
  12. Vgl. seine Grabinschrift in der Ortenburgkapelle am Dom zu Passau: DI 67 (Stadt Passau) Nr. 316.
  13. Vgl. bes. Krick, Stammtafeln Nr. 205 und Heider, Regesten Nr. 380 und 384; umfangreicher Hundt/Libius, Stammenbuch III, 765ff. und OÖ 608f.; abweichend BZAR Gen. 1279 und Erhard, Topographie 1,1 179f. und – diesem wohl folgend – HAB Passau 176.
  14. Vgl. hierzu vor allem Hund und OÖ, sowie urkundlich dazu Heider, Regesten Nr. 387.

Nachweise

  1. BZAR Gen. 1279, Heft IV, 1. Seite „Kirche zu Kellberg“; Erhard, Topographie 1,1 177; Leoprechting, Schätzl 153; ABP OA Sammlung Stinglhamer/Krick 221 (zweimal; auch bez. „Tafel 7“); Kdm Passau 148, Fig. 121; Harksen, Passauer Plastik 55.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 29 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0002906.