Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 2 Vornbach, Gde. Neuhaus am Inn, Pfk. Mariae Himmelfahrt (ehem. Benediktinerabteik.) 2. D. 12. Jh1)

Beschreibung

Grabplatte mit Gedenkinschriften für die Grafen Eckbert I., Eckbert II. und Eckbert III. von Vornbach-Neuburg. Innen, in der ersten südlichen Kapelle von Osten, an der Südwand, unter den figürlichen Stifterdenkmälern. Die Platte war ursprünglich im Kapitelsaal und wurde zusammen mit den figürlichen Grabmälern 1642 am heutigen Standort angebracht (vgl. hierzu Nr. 173). Heute quer angebrachte, hochrechteckige Platte mit Umschrift (I) auf leicht profiliertem Rahmen, am oberen Rand in der Mitte beginnend, innerhalb der Umschrift in Flachrelief vier untereinander angeordnete Medaillons, in den Zwickeln dazwischen Lilien, in den Medaillons von oben nach unten Agnus Dei (heute äußeres rechtes Medaillon), Segenshand vor Kreuz, achtblättrige Rosette, vier kreuzförmig angeordnete Lilien; Schriftband des obersten Medaillons leer, die anderen Medaillons jeweils mit Umschrift (von oben nach unten bzw. von rechts nach links II, III und IV). Granit. Oberfläche der Platte leicht abgearbeitet, an den Seiten leicht beschädigt.

Maße: H. 185 cm, B. 54 cm, Bu. 3 cm (II, III, IV), 4 cm (I).

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/2]

  1. I.

    + VNI/CA · CVNCTORỤṂ ṚẸQVIES · ET · VITA · BONO/RVM + HIS · D/A · NATE · DEI · LOCA · PERPETVE · REQUI/EIa) ·

  2. II.

    + EKKEBERTVS · COMES · III

  3. III.

    + EKKEBERTVS · COMES · II

  4. IV.

    + EKKEBERTVS · COMES · PRIMVS

Übersetzung:

Es gibt eine einzige Ruhe und ein einziges Leben für alle guten Menschen – gib diesen, Sohn Gottes, den Ort der ewigen Ruhe! (I)

Versmaß: Leoninische Hexameter. (I)

Kommentar

Die Schrift auf der Platte ist linear ausgeführt. Kapitale Buchstaben überwiegen, wobei schon die eine oder andere runde bzw. unziale Form verwendet wird. So findet sich vor allem unziales E, aber auch unziales V. Die R-Cauda ist an einigen Stellen bereits geschwungen; ähnlich die Schrägbalken des K und auch der untere Teil des linken Schrägschaftes bei A in NATE. Diese Ausführung des A scheint bereits die Form des pseudounzialen A anzudeuten. Ansonsten weist A weitgehend die Form eines Trapezes und einen Deckbalken auf. Die Cauda des Q ist in den Buchstaben eingestellt. Außer vielleicht bei B zeigen die Bögen noch keine Aufblähungen. Die Schrift insgesamt demonstriert bereits ausgeprägte Sporen, die allerdings noch nicht ausgerundet werden. Somit enthält die Inschrift typische Details der romanischen Majuskel und kann somit dieser Epoche zugeordnet werden. Da es sich bei der Platte jedoch um ein Einzelstück handelt, gestaltet sich die genauere zeitliche Einordnung schwierig. Vergleichbar wäre die Schrift mit den Auszeichnungen im Vornbacher Traditionscodex aus dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts2). Aus derselben Zeit stammt mutmaßlich auch das Tympanon in Vornbach (Nr. 1). Ähnlichkeiten mit dem Tympanon ergeben sich – soweit erkennbar – auch bei der Art der Darstellung des Agnus Dei.

Der letzte der drei genannten Grafen von Neuburg ist Eckbert III. Er verstarb 1158. Die Platte könnte nach seinem Tod, aber vielleicht auch schon zu seinen Lebzeiten angefertigt worden sein.

Eine ehemalige Beschriftung des obersten Medaillons ist unwahrscheinlich, da die Oberfläche keinerlei Spuren aufweist. Angeblich soll dort aber eines „Bertoldus“ gedacht worden sein3).

Textkritischer Apparat

  1. Worttrenner in Form eines Punktes auf der Zeilenmitte; es folgt ein Ornament in Form eines liegendes Kleeblattes.

Anmerkungen

  1. Für die zeitliche Einordnung und die Beurteilung der Versinschrift bedanke ich mich sehr herzlich bei Herrn Prof. Dr. Sebastian Scholz, Universität Zürich.
  2. Vgl. hierzu Chrambach, Traditionen: es handelt sich um KL Formbach 1 im BHStA, bei Chrambach zur Datierung 45: sie vermutet, dass diese Handschrift unter dem Abt Dietrich (Theodorich) I. (ca. 1137 oder 1134 bis 1145) angelegt worden ist; Abbildungen siehe Kdm Passau Taf. XVII und XVIII.
  3. So vor allem MB 4, Tab. 1: BERTOLDVS; die Inschrift ist in der dortigen Nachzeichnung nur in Umrissen wiedergegeben, was einen bereits schlechten Erhaltungszustand suggeriert. Darüber hinaus ist in den Monumenta Boica im Medaillon ein Adler dargestellt, wo am Original eindeutig ein Agnus Dei erkennbar ist.Die Vermutung, „Bertoldus“ liege hier, stammt wohl aus älteren Quellen (vgl. eine Genealogie der Neuburger aus dem 14. Jahrhundert(?) in MB 4, 9: in quo tumulo etiam Pater eius & Avus eius & sororius eius Dux Dalmacie & Marchio Istrie Pertoldus simul requiescunt; Rumpler, Historia Sp. 440: Requiescunt & in eo loco Pater ejus Ekkebertus, & Avus Eberhardus, & Sororius Berchtoldus Dux Dalmatiae & Marchio Istriae; Gedenkinschrift zur Überführung der Grabmäler (Nr. 173)). Dieser Berthold soll der sororius, also der Schwager oder Neffe (vgl. lat. sororius = Mann oder Sohn der Schwester) Eckberts III. gewesen sein. Diese Angabe trifft auf zwei Grafen aus dem Hause der Andechs-Meranier zu: Graf Berthold II. von Andechs-Meranien war in zweiter Ehe mit Kunigunde von Vornbach, der Schwester Eckberts III., verheiratet. Er verstarb 1151. Sein Sohn aus erster Ehe mit Sophie von Istrien, Berthold III., führte offiziell den Titel eines Markgrafen von Istrien und war nach dem Tod Eckberts III. erfolgreich bemüht, das Neuburger Erbe anzutreten. Er starb 1188 (Vgl. vor allem Herzöge und Heilige, Stammbaum der Familie; Loibl, Herrschaftsraum (= HAB) 385; Schütz, Andechs-Meranier 63; Hofbauer, Neuburg (2004) 36). Sowohl Berthold II. als auch Berthold III. sollen jedoch im Kloster Diessen bestattet sein, wo die Andechser nicht nur ihre Familiengrablege hatten, sondern gerade die Bertholde als Stifter verehrt wurden (Vgl. Stiftergrabmal in der ehem. Augustinerchorherren-Stiftskirche Mariä-Himmelfahrt in Diessen, Lkr. Landsberg am Lech/OB.: Kdm Freising, Bruck, Landsberg unter anderem 521f.; Dietrich, Grablege 194). Andere Thesen, nach denen die Platte außer der drei Eckberten des Ulrichs von Windberg gedenkt, sind ebenso zu vernachlässigen (vgl. Schäffer, Vornbach 14 und Dehio NB 755).

Nachweise

  1. Rumpler, Historia Sp. 440; Bruschius, Supplementum p.102; Fasmann, Chronik 2 fol. 34r (nur zwei Medaillons); MB 4, p. 9, Tab. 1; Kdm Passau 257, Fig. 197 (Nachzeichnung); Sauer, Fundatio 343ff., Abb. 9.

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 2 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0000208.