Inschriftenkatalog: Passau I (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 80: Passau I (2011)

Nr. 1 Vornbach, Gde. Neuhaus am Inn, Pfk. Mariae Himmelfahrt (ehem. Benediktinerabteik.) 2. D. 12. Jh1)

Beschreibung

Tympanon mit Gebetsinschrift. Außen, am Westportal, über dem Türsturz. Das romanische Tympanon wurde in der barocken Kirchenfassade wieder eingebaut. Oben runder Bogen, unten waagrechter Palmettenfries, darüber kleinerer Mäanderfries, darüber in Flachrelief in der Mitte Agnus Dei mit Kreuzstab und Kreuznimbus, links und rechts davon je ein Medaillon, gefüllt mit floralen Elementen; darüber Inschrift: eine Zeile dem Bogen folgend, darunter, abgestuft und ebenfalls dem Bogen folgend zweite Zeile. Granit. Inschrift und Relief gut erhalten, restauriert2).

Maße: H. ca. 112 cm, B. ca. 230 cm, Bu. ca. 9 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. SIT · PAX · INTRANTI · FELIX · SVCCESSUS · EVNTI ·AGNE · DEIa) · FAMULISb) · UENIAM · DA · CRIMINE · LAPSISc)

Übersetzung:

Friede sei mit dem Eintretenden, glücklicher Erfolg sei mit dem Gehenden.

Lamm Gottes, verzeihe den Dienern, die in Schuld gefallen sind.

Versmaß: Leoninische Hexameter.

Kommentar

Das Tympanon ist sehr gut erhalten, mutmaßlich auch restauriert. Die Oberfläche ist kaum abgewittert, was wohl mit dem sehr harten Material des Granits zusammenhängt.

Bei der Schrift überwiegt der Anteil an kapitalen Buchstabenformen. So ist E schmal; die Balken sind durchwegs gleichlang. M weist senkrechte äußere Schäfte auf; der Mittelteil geht nicht ganz bis zur Grundlinie. Die Stellen, an denen Schrägschäfte oben zusammenlaufen, wie bei M, N und A, zeigen Abflachungen. Die Schrift weist aber an manchen Stellen schon einzelne unziale bzw. rund ausgeprägte Buchstaben auf, nämlich V und A. Die Schrift ist linear ausgeführt. Jedoch zeigt sich bei der T-R-Ligatur bereits ein Ansatz zur Biegung der R-Cauda. Maßvoll eingesetzte Nexus litterarum und Verschränkungen passen in das Bild der romanischen Majuskel.

Die Schrift wirkt sehr nüchtern, was wiederum mit dem Material des Inschriftenträgers zusammenhängen könnte: die Arbeit auf hartem Stein reduziert den Einsatz von spielerischen Elementen. Ein Vergleich mit der Auszeichnungsschrift im Vornbacher Traditionscodex3), der in das 2. Viertel des 12. Jahrhunderts zu datieren ist und somit ungefähr aus derselben Zeit stammt, ergibt, dass hier ähnliche Grundformen verwendet wurden. So findet sich beispielsweise auch im Codex das unziale A und auch das unziale V, hier allerdings in einer Verbindung mit kapitalem V beim Buchstaben W. In der Buchschrift werden ebenso Nexus litterarum eingesetzt. Daneben treten hier bereits unziales E und G mit eingerollter Cauda auf, Formen, die in der Inschrift noch keine Verwendung finden. Besonders auffällig ist das Fehlen von Serifen bei der Tympanoninschrift. Serifen bzw. ausgeformte Sporen sind für die romanische Schrift typisch und wurden im Laufe der Zeit immer mehr ausgeprägt4). Sie kommen sowohl in der Schrift im Traditionscodex als auch bei der romanischen Stiftergrabplatte (Nr. 2) zur Geltung. In der Inschrift des Tympanons sind zwar zaghafte Ansätze erkennbar, sie gehen aber im Gesamteindruck der Schrift beinahe unter.

Der Text, der für den Frieden und den Erfolg der Kirchenbesucher bittet, spielt wohl auf den Psalmvers 120,8 „Dominus custodiat introitum tuum et exitum tuum“ an.

Das Tympanon stammt noch vom romanischen Vorgängerbau, also von der ursprünglichen Klosterkirche. Bei einem Datierungsansatz in das zweite Drittel des 12. Jahrhunderts könnte die Herstellung in die Zeit des dritten Abtes Dietrich bzw. Theodorich I. (1139-1146 nachweisbar), des Nachfolgers des seligen Wirnto (Nr. 4), fallen. Da Wirnto bereits in der Klosterkirche bestattet worden sein soll, dürfte die Kirche daher schon unter Dietrich I. oder unter einem seiner Nachfolger mit der Fassade fertig gestellt worden sein.

In Dietrichs Amtszeit wurde offenbar auch der Traditionscodex mit Miniaturen und den Auszeichnungsschriften, die oben bereits angesprochen und zum Schriftvergleich mit der Tympanoninschrift herangezogen wurden, angefertigt (vgl. Anm. 3).

Textkritischer Apparat

  1. Ursprünglich D-E-Nexus: Balken des E am Bogen des D, unterer Balken kaum noch erkennbar.
  2. I verkleinert zwischen L und S auf der Zeilenmitte.
  3. I und zweites S verschränkt; Worttrenner in Form von Punkten bzw. Dreiecken auf der Zeilenmitte.

Anmerkungen

  1. Für die Unterstützung bei der zeitlichen Einschätzung und bei der Beurteilung des Textes bedanke ich mich sehr herzlich bei Herrn Prof. Dr. Sebastian Scholz, Universität Zürich.
  2. 1962/63 fand eine Außeninstandsetzung statt; eine weitere Außenrestaurierung wurde in den 80er Jahren durchgeführt, vgl. hierzu Dehio NB 752; diverse Schreiben im BLfD, Akt Vornbach, Kath. Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt Fl. Nr. 7/2 1954-1993. Ein Vergleich mit der Aufnahme in Kdm Passau Fig. 205 zeigt, dass zu der Zeit der untere Blätterfries offenbar überdeckt war; auch der Beginn der Inschrift SIT war verdeckt, sodass man – offenbar mit Farbe? – das verlorene S über das I in Form einer Buchstabenverschränkung gemalt(?) hatte. Das Tympanon könnte zu dieser Zeit auch farbig gefasst gewesen sein, was allerdings auf der schwarz-weißen Abbildung schlecht zu erkennen ist. Heute ist keine Fassung mehr vorhanden.
  3. Miniaturen mit Auszeichnungsschriften siehe Abbildungen in Kdm Passau Taf. XVII und XVIII; zur Datierung vgl. Chrambach, Traditionen 45: sie vermutet, dass diese Handschrift unter dem Abt Dietrich (Theodorich) I. (ca. 1137 oder 1134 bis 1145) angelegt worden ist.
  4. Vgl. hierzu Koch, Inschriftenpaläographie 1, 154f.

Nachweise

  1. Hiedl, Sammlung 18; Kdm Passau 246f., Fig. 205; Heuwieser, Vornbach 34; Schäffer, Vornbach 15 (nur dt. Übersetzung); Würdinger, Vornbach 8 (nur dt. Übersetzung).

Zitierhinweis:
DI 80, Passau I, Nr. 1 (Ramona Epp), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di080m014k0000101.