Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 32 Niedergude (Alheim), Ev. Kirche, aus Obergude (Alheim), Ev. Kirche 1. H. 14. Jh.

Beschreibung

Gebet auf einer Glocke im Turm, die eine Leihgabe der Gemeinde Obergude ist. Die Inschrift läuft zwischen einfachen bandartigen Stegen auf der Schulter um. Die Flanken sind ohne Zier. Als Worttrenner dienen Kleeblätter.

Maße: H. 70, Dm. 76, Bu. 2,4 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Escherich) [1/2]

  1. + O REX ∙ GLORIE ∙ VENI ∙ CVM PACE

Übersetzung:

O König der Herrlichkeit, komme mit Frieden.

Kommentar

Die in weiterer Spationierung stehenden Buchstaben der Inschrift zeigen keine deutlichen keilförmigen Schaftverbreiterungen, dazu nur schwach ausgeprägte Bogenschwellungen. Bei C, E und M ist die Bogenschwellung leicht angespitzt; das ist, wie man beim unregelmäßigen Bogen des M sieht, eher eine Folge ungeschickter Formung. Überhaupt sind die Unterschiede von Haar- und Schattenstrichen gering. C und E sind durch relativ breite Abschlußstriche geschlossen, die aber noch nicht die Breite der Schäfte besitzen. Die übrigen Buchstaben zeigen keine Tendenz zur Abschließung. Das M erscheint in der links geschlossenen unzialen Form. Diese paläographischen Merkmale sprechen für eine Datierung der Glocke in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts.

Der Spruch O REX GLORIE ist bereits auf der im Jahr 1200 gegossenen Glocke in St. Martin am Ybbsfeld (Niederösterreich) vorhanden und läßt sich in Deutschland vom 13. bis zum 15. Jahrhundert häufig nachweisen.1) Während die ältere Forschung annahm, der Text sei von der Friedensbitte der Meßliturgie beeinflußt,2) geht Poettgen davon aus, daß hier Elemente der Kirchweihliturgie verwendet wurden, die auf Psalm 23 beruhen.3) Eine weitere, zeitlich nicht weit entfernte Glocke mit demselben Text hängt in der Kirche von Philippsthal (Nr. 33).4)

Anmerkungen

  1. Walter, Glockenkunde 164 f., Anm. 6; vgl. für Hessen DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 153, Anm. 1; DI 49 (Darmstadt, Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau) Nrr. 2, 16, 31; DI 63 (Odenwaldkreis) Nr. 36. Zu jüngeren Glocken im Bestand vgl. auch Nrr. 58, 78, 87.
  2. Walter, Glockenkunde 164; DI 1 (Badischer Main- und Taubergrund) Nr. 441.
  3. Poettgen, Theologie früher Glockeninschriften 76.
  4. Zu jüngeren Glocken mit diesem Text vgl. Einleitung Kap. 4.2.

Nachweise

  1. Wenzel, Hess. Glockenkunde, Bd. 20, fol. 66r (Obergude).
  2. Gipper, Unsere Heimatglocken (VI).
  3. Willershausen, Hist. Kirchenglocken I 75.

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 32 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0003204.