Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 463† Pfk. Zur Schönen Unserer Lieben Frau 1619

Beschreibung

Stifterinschrift des Tobias Clanner für das Wandgrabmal seiner Ehefrau Florentina, geb. Planck, verw. Hell. Ehemals außen, Südwand, östlich des östlichen Südportals. Im Oktober 1959 von Rudolf M. Kloos noch photographiert. Vierteiliger Aufbau. Unten segmentbogenförmiges Feld mit Voluten, im Feld drei Vollwappen, darüber, zwischen zwei Hermen in Gestalt von betenden Engeln mit Fruchtschalen auf dem Haupt, die das Gebälk tragen, zwei Schrifttafeln: die untere in Rollwerkrahmen (II), die obere in einfacher Rahmenleiste (I), darüber Gebälk und Tympanon, im Feld Totengebein, der Schädel mit einem Kranz und Schlangen. Kalkstein.

Beschreibung, Wappen und Text nach Photo Inschriftenkommission (Photo Kloos).

Maße: H. 260 cm, B. 135 cm (Götz).

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/1]

  1. I.

     SVBSISTEa) VIATOR . HAEC LEGE ET A MORTVIS / DISCE VIVERE. BREVIS EST REGVLA: SIC VITAM / INSTITVE; QVASI QVIb) MORTEM SECVTVRAM SCIASc). / QVAM NEC SI HODIE VENIAT, METVAS; NECd) SI / IN LONGOS ANNOS DIFFERATVR, PROCVRESc); / SED TANQVAM AERVMNARVM, REQVIEM NON / TANQVAM INITIVM EXPECTES. HOC DEMVM / EST VERE VIVERE. QVIA EST AD VITAM / TENDERE; AD QVAM NOSe) DEVS CREAVIT, / PARENTES GENVERVNT, MORS TRANSMITTIT . / O MISERI, QVI SIC VIVVNT; VT MORIANTVR; / ET NON SIC MORIVNTVR VT VIVANT.

  2. II.

     FLORENTINAE / CLANNERIN, NATAE PLANCKHIN EX / AICHACH IN BAVARIA, CONIVGI SVAE / FIDISSIMAE. XII. DIE MENSIS IVLY, ANNO / CATHOLICOf) MDCXIX PIE ADMODVM / MORTVAE TOBIAS CLANNER ETC(ETERA)f) SALIS=/BVRGENSIS, MARITVS MAE[STISSI]MVS / H(OC) [M](ONVMENTVM) P(OSVIT)

Übersetzung:

Bleib stehen, Wanderer, lies diese Worte und lerne von Toten zu leben! Kurz ist die Unterweisung: Gestalte das Leben so wie jemand, der sich bewusst ist, dass der Tod (dem Leben) folgen werde. Du sollst ihn wohl weder fürchten, wenn er heute schon kommt, noch mit Sorgen voraus bedenken, wenn er sich noch lange Jahre Zeit lassen sollte, sondern ihn gleichsam als Erholung von den Belastungen, nicht gleichsam als einen Anfang von Belastungen erwarten. Das erst ist wahres Leben, weil es bedeutet, nach dem Leben zu streben, zu dem uns Gott geschaffen hat, die Eltern gezeugt haben und der Tod uns hinübergehen lässt. O die Elenden, die so leben, dass sie sterben und nicht so sterben, dass sie leben. (I)

Tobias Clanner usw. aus Salzburg hat seiner sehr treuen Ehefrau Florentina Clanner, geb. Planck, aus Aichach in Bayern, die am 12. Tag des Monats Juli des Jahres 1619 nach katholischer Zeitrechnung1) in fester Frömmigkeit gestorben ist, als tieftrauernder Gatte dieses Denkmal setzen lassen. (II)

Wappen:
Plank2), Clanner3), Bittlmayer4).

Kommentar

Florentina Clanner, geb. Plank, war in zweiter Ehe mit Tobias Clanner verheiratet, ihr erster Ehemann war der Universitätsprofessor Kaspar Hell mit dem sie unter anderem eine frühverstorbene Tochter hatte (Nr. 389†). Tobias Clanner war Notar der Universität. Er stammte aus einer alten Salzburger Familie, die unter den Stiftern von Nonnberg zu finden ist und auch Bürgermeister stellte. Sein Vater war Virgil (II.), seine Mutter Anna, geb. Khelmayer aus Straubing. Von 1617 bis zu seinem Tod 1621 stand sein Vetter Johann Wilhelm Khüel in seiner Pflege (vgl. Nr. 469†)5). Von 1639 bis zu seinem Tode 1652 hatte Tobias Clanner das Amt des Unterlandgerichtsschreibers im Landgericht Hirschberg inne6). Er besaß 1633 ein Haus, in dem aus Marienstein geflohene Nonnen untergebracht wurden7). Florentina Clanner war vermutlich seine erste Frau, da ein weiteres Grabdenkmal in Ingolstadt für eine Maria Martha Clanner, geb. Bittlmayer (verstorben 1642), existiert (vgl. Nr. 559).

Auffällig ist die Ähnlichkeit der beiden Grabdenkmäler von Clanner und Hell, sowie die Ähnlichkeit des Grabdenkmals für Khüel (vgl. Nr. 469†) mit den beiden.

Textkritischer Apparat

  1. Vergrößerte Anfangsbuchstaben am Zeilenanfang und bei tragenden Wörtern.
  2. Fehlt in allen Handschriften.
  3. Satzzeichen auf der Randleiste.
  4. ne Cgm 3017.
  5. Fehlt Cgm 3017.
  6. Fehlt Cgm 3368.

Anmerkungen

  1. Der Hinweis auf den katholischen, also den Gregorianischen Kalender ist auffällig. Sowohl in Bayern als auch in Clanners Heimatstadt Salzburg wurde der Kalender bereits 1582 eingeführt. Wieso er auf die besondere Betonung des katholischen Kalenders Wert legt, bleibt daher - obwohl einige protestantische Reichsgebiete und andere Länder, die der neuen Lehre anhingen, noch bis Ende des 17. Jahrhunderts den julianischen Kalender anwandten - unklar.
  2. Siebmacher Bg3 51.
  3. Siebmacher Bg3 43; Siebmacher Salz 31.
  4. Siebmacher Bg3 85.
  5. Clanner/Pirckmayer, Geschlecht 50.
  6. Ferchl, Behörden 326.
  7. Vgl. Ostermair, Bürgerbuch I, 8; Schönauer, Ingolstadt 111.

Nachweise

  1. Clm 2105 fol. 78, Nr. 227; Cgm 3368 fol. 25r-v; Cgm 3017 fol. 25r-v; Ostermair, Stadtpfarrkirche 56f.; Götz, ULF 47f.

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 463† (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0046304.