Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 413 Stadtmuseum 1606/nach 1633

Beschreibung

Stifterinschrift auf einer Schrifttafel vom Grabdenkmal des Kaspar Lagus, seiner Ehefrau Susanne, geb. Eckert, und ihrer Tochter Maria, verh. Denich. Raum 16. Ehemals in der Denichkapelle (Chorhauptkapelle) genau gegenüber dem Denichepitaph, also an der Evangelienseite (Nordseite) an der Wand (Clm 2105); bei der Restaurierung von 1848/51 entfernt; anschließend im Schlossmuseum. Schiefertafel mit Goldbuchstaben. Rest eines ehemaligen Epitaphs. Mehrfach gebrochen, untere linke Ecke fehlt. Schrift zentriert in unregelmäßig wechselnden langen und kurzen Zeilen.

Maße: H. 128 cm, B. 75 cm, Bu. 4,5-2,7cm1).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Stadtmuseum Ingolstadt [1/1]

  1. P(IE) · M(EMORIE) · / CASPARI · LAGI · VIRI · CLARISSIMI · / QVEM · / FATA · INVIDERVNT · QVIA · GERMANIA · AMAVIT · / FLEVIT · ACADEMIA · EXTINCTVM · QVIA · LVMEN / IN · ILLO · PERDIDIT · / SEX · GERMANIAE · PRINCIPVM · CONSILIARIVS · / SIBI · TAMEN · OPTVMEa) · CONSVLVIT · / MORIVNDOa) · BENE · / NOBILIS · IN · HAC · ACADEMIA · ANN(OS) XLVIII · / IVRIS · INTERPRES · / IAM · SENEX · ANN(ORVM) LXXX · VISVS · TAMEN / IMMATVRE · MORI · / SEIPSVM · IN · CAEMITERIO · PROXIMOb) · / ANN(O) M · DC, VI · CONDI · VOLVIT · / PRIVS · VXORE · SVSANNA · ECHERTINA · / POSTEA · FILIA · MARIA · DENICHIA · / IN · EODEM · DEPOSITIS · SEPVLCHRO· / TV · VIATOR BENEMERITO · QVIETEM · / NEV · INVIDE · / [A]VO · OPT(VMO) · DENICHII · NEPOTES · GRATI · / P(IE) · P(OSVERVNT) ·

Übersetzung:

Der frommen Erinnerung an Kaspar Lagus, einen sehr berühmten Mann, den das Schicksal beneidet hat, weil Deutschland ihn geliebt hat. Die Akademie hat ihn nach seinem Tod beweint, weil sie eine Leuchte an ihm verloren hat. Er war Ratgeber von sechs deutschen Fürsten und hat doch für sich selbst am besten gesorgt: indem er eines guten Todes starb. An der hiesigen Hohen Schule war er 48 Jahre lang als angesehener Ausleger des Rechts tätig, als er, schon ein Greis, im Alter von 80 Jahren, starb, schien er trotzdem zu früh zu sterben. Er wollte im Jahre 1606 als nächster in der Grablege beigesetzt werden, wo vorher seine Frau Susanne Eckert und später seine Tochter Maria Denich im gleichen Grab bestattet wurden. Du, o Wanderer, missgönne ihm, dem hochverdienten Mann, die Ruhe nicht. Die Enkel Denich haben ihrem überaus trefflichen Großvater aus Dankbarkeit in frommen Gedenken (dieses Denkmal) setzen lassen.

Kommentar

Die Inschrift weist sich deutlich als Produkt des 17. Jahrhunderts aus. Die Kapitalis hat jeglichen Bezug zur klassischen Formensprache verloren, der Wechsel von Zeilenlänge, Schrifthöhe und Spationierung weist deutlich voraus in die Zeit des Barock. Unruhig wirkt die Schrift auch, weil häufig einzelne Buchstaben nicht den Gestaltungskriterien folgen, in der Schrifthöhe oder -breite von der für die jeweilige Zeile gewählten abweichen. Die goldene Fassung der Schrift macht eine Beurteilung der Einzelformen schwierig, dennoch lassen sich Gestaltungsmerkmale feststellen: Einzelne Elemente der klassischen Formensprache, wie zum Beispiel die Verstärkung der Linksschrägen werden bei Einzelbuchstaben, hier besonders bei A noch angewandt, sie stellen jedoch kein durchgängiges Gestaltungsprinzip mehr dar. Auffällig ist die Ausgestaltung der Buchstaben durch Serifen an den freien Enden von Buchstaben, besonders bei S und G, aber auch an den L- und E-Balken. Die Cauda des R tritt in vielfältig unterschiedlichen Varianten, doch meist in einer geschwungenen Form auf, stets geschwungen ist auch der Rechtsschrägschaft des X. Insgesamt scheint die Schrift für das erste Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts zu fortschrittlich. Da die Enkel des Kaspar Lagus das Denkmal setzen ließen, muss mit einer späteren Ausführung, vielleicht erst im Zuge der Ausgestaltung der Chorhauptkapelle zur Denichschen Grablege, gerechnet werden, auch wenn die Inschrift auf dem Denkmal für Joachim Denich (vgl. Nr. 529), von anderer Hand stammen dürfte. Als weitere Datierungsmöglichkeit bietet sich die Stiftung des Gemäldes durch die Enkel des Kaspar Lagus 1668 an (s.u. mit Anm. 5).

Auch die sprachliche Gestaltung des Denkmals ist auffällig. So finden sich einerseits noch Zeugnisse für die im Ingolstädter Späthumanismus beliebten Archaismen wie zum Beispiel OPTVMO statt optimo und MORIVNDO statt moriendo, andererseits finden sich ansonsten in Ingolstadt nicht verwendete plumpe Germanismen wie QVEM statt cui in Zeile 2 und IN ILLO PERDIDIT (Z. 5)2).

Kaspar Lagus (Haas), stammte aus Rain am Lech (Lkr. Donau-Ries/Schw.). Er immatrikulierte sich am 30. November 1558 als Student der Rechte an der Hohen Schule. Bereits 1560 erhielt er eine juristische Professur, obwohl er erst 1561 zum Doktor beider Rechte promoviert wurde. 1562 wurde er Ordinarius auf der Digestenprofessur. Ab 1576 war er zudem als Universitätskämmerer tätig. 1585 wurde er auf Grund von Beschwerden über seine Lehrtätigkeit und Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung des Kämmereramtes emeritiert. Er war Rat des bayerischen Herzogs und des Herzogs von Pfalz-Neuburg und beriet vermutlich noch weitere Reichsfürsten. Trotz seiner Emeritierung war er auch in späteren Lebensjahren immer wieder als Rechtsgutachter, Kommissar für die Überwachung des Kämmerers und aushilfsweise als Lehrer an der Hohen Schule tätig3). Er gehörte zu den Gegnern der Jesuiten an der Universität und war ein Kritiker der Hexenprozesse. Mit seiner ersten Frau Susanne, geb. Eckert, hatte er sechs Töchter4). Eine Tochter, Maria, heiratete 1589 den Ingolstädter Rechtsgelehrten und Stifter der Denichkapelle (Chorhauptkapelle, Dreikönigskapelle) Joachim Denich (vgl. Nr. 529). Joachim Denich errichtete in der Kapelle eine Familiengrablege, in die auch sein Schwiegervater Aufnahme fand. Neben dem Denkmal für Kaspar Lagus stifteten zwei namentlich benannte Enkel in ausdrücklicher Berufung auf Vater und Großvater das Bild der Kreuzigung mit Veronika von Georg Christof Eimmart d. Ä., das sich heute über dem Südostportal befindet5). Ostermair belegt noch eine weitere Ehefrau Maria, geb. Sybenbürger, die Lagus 1595 geheiratet haben soll6).

Textkritischer Apparat

  1. Sic! Archaisierende Formen des Späthumanismus, freundlicher Hinweis von Uwe Dubielzig, München.
  2. Sic!

Anmerkungen

  1. Schrifthöhe von Zeile zu Zeile variierend.
  2. Für diese Hinweise sei Herrn Uwe Dubielzig, München, gedankt.
  3. Zur Person vgl. Pölnitz, Matrikel 1558, 780,12; Biographisches Lexikon 231.
  4. Die Namen der Töchter sind überliefert: Cordula, Sophia, Christiana, Rosina (verh. mit Regimentsrat Georg Gebhardt aus Straubing), Maria (verh. Denich s.o.), Euphrosina. Eine der anderen Töchter war mit Hans Georg Reckenschenk, Kastner zu Aibling, verheiratet. Vgl. SoBl 16 vom 18. April 1869 Nr. 64 und Ferchl, Behörden 400.
  5. Bildunterschrift nach Gerstner, Frauenkirche 61f.: Deo ter opt(imo) max(imo) filii Joach(imi) Dennichii nepotes Casp(ari) Lagi, Casparus juris professor et Sebastianus episcopus Almirensis p(ie) p(osuerunt) 1668. Zum Bild vgl. Grimminger in Brandl, Liebfrauenmünster 204, dort die Enkel irrtümlich als Neffen des Kaspar Lagus bezeichnet.
  6. Ostermair, Bürgerbuch II, 103.

Nachweise

  1. Clm 2105 fol. 49v-50r, Nr. 187; Oefeleana 300 p. 111f.; Cgm 3017 fol. 17r; Mederer, Annales II, 187; Gerstner, Frauenkirche 56 (teilweise Edition); Ostermair, Stadtpfarrkirche 17; Götz, ULF 103-105; Götz, Grabsteinbuch 42.

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 413 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0041304.