Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 391 Feldkirchen, Fk. St. Maria 1602

Beschreibung

Stifterinschrift und Gedenkinschrift auf dem Wandgrabmal des Johann Wolfgang Lutz. Innen, Südseite. Dreiteiliger Aufbau. Unterhang mit Totenkopf, Stundenglas und Fackeln, zwischen Konsolen, darüber, über Gebälk, zwischen zwei mit Beschlagwerk verzierten Leisten mit Seitenhängen, Schriftplatte mit Inschrift in 18 Zeilen, darüber, über Gebälk halbrunder gesprengter Giebel, im Feld sehr verwitterte Darstellung, vermutlich Büste eines Mannes. Aufsatz auf Grund des völlig abweichenden Zustandes und der geringeren Breite vielleicht nicht zugehörig. Kalkstein. Schrift schwarz gefasst.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/1]

  1. +a) / D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) / HAVE . VIATOR . ET . MEIS . MEORVMQVE . / ILLACRVMAb) . LACRVMISc) . IOANNES . WOLF=/GANGVS . LVTZIVS . HEIC . IACEO . QVOI . / STANDVM . ESSET: EHEV . IVVENIS . OCCV=/BVITd) : AETERNVS . DOLOR . MEORVM . ET IVSTE / VNVS . MORTALIVM . QVEREORe) . MORTIS . / INIVRIAS . MINANDO . FECIT . QVOD . MINA=/RI . DEBEBAT . QVAM . FACERET : AH . QVIS=/QVIS . ES NOLI . FIDERE : HANC . NEMO . AMICAMf) / HABET . NISI . QVI . TIMET . PRAESENTEM . DVM . ABEST: ABEI . EGO . VMBRA . PER . VMBRASg) QVO/QVE . ABEO . AETERNVM . IN AETERNA : EXPE/CTATVRVS . TE . TECVM . QVE . ILLVD . QVOD . / NESCIO . NESCIO . EHEV . NESCIO . / DVLCISSIMO . FILIO . MATER . MOE=/STISSIMA . MATRVM . POSVIT / ANNO SALVTISh) . M . D . CII .

Übersetzung:

Dem besten und größten Gott. Sei mir gegrüßt du Wanderer und weine meine Tränen und die Tränen der Meinen mit. Ich Johann Wolfgang Lutz liege hier, der ich doch stehen müsste. Oh weh! Als junger Mensch ist er gestorben. Ewig ist der Schmerz der Meinen und zu Recht einmalig unter den Sterblichen. Ich beklage das unrechte Tun des Todes. Während er mir noch drohte, hat er es schon getan, was er mir hätte androhen müssen, wie er es tun würde. Ach, wer du auch bist. Trau ihm nicht! Den hat niemand zum Freund, außer er fürchtet ihn bereits als anwesend, während er (noch) fern ist. Geh weiter. Ich gehe auch weiter – als Schatten unter Schatten, dich in der Ewigkeit als ewigen erwartend und zusammen mit dir auf das, was ich nicht weiß, nicht weiß, oh weh, nicht weiß. Ihrem allersüßesten Sohn hat die Mutter, die traurigste der Mütter, dieses (Denkmal) gesetzt im Jahre des Heils 1602.

Kommentar

Die Kapitalis zeigt vergrößerte Anfangsbuchstaben an einigen tragenden Worten. Zahlreich kommen Nexus litterarum und Buchstabenverschränkungen vor. Die Schrift wirkt insgesamt linear und in ihren Proportionen eher breit. O und Q sind fast kreisrund gebildet. Auch die weiteren runden Buchstaben wie C und G nähern sich der Kreisform an. E zeigt stark verkürzten Mittelbalken bei gleich langem, oberem und unterem Balken. Die Cauda des R ist stachelförmig. Linksschrägenverstärkung wird bei A, V und N eingesetzt. Auffälligste Einzelform ist das D bei DVLCISSIMO, hier wird der obere Bogen des D ohne Berührung der Haste deutlich nach links verlängert.

Johann Wolfgang Lutz (geb. 1580) war ein Sohn des Kanzlers zu Straubing Wolfgang Lutz (gest. 1595) und der Maria (andere Quellen geben an Elisabeth), Tochter des kaiserlichen und kurfürstlichen Rats zu Mainz, Dr. Christoph Faber1). Er immatrikulierte sich am 10. Dezember 1601 an der Hohen Schule als Student der Metaphysik und des Staatsrechts (institutionum imperialium studiosus)2). Sein Bruder Johann Heinrich (geb. 1582) war bereits 1595 an der Universität Ingolstadt, ebenfalls als Student der Rechte, immatrikuliert. Er trat 1602 in die Abtei Niederaltaich ein und wurde 1619 zu deren Abt gewählt. Ehinger vermutet, er sei der Autor der Grabinschrift gewesen. Neben diesem Bruder gab es noch zwei weitere Brüder und eine Schwester, die mit Albrecht Everhard, einem Sohn Nikolaus (III.) Everhard, aus der Ingolstädter Gelehrtendynastie verheiratet war3).

Johann Wolfgang Lutz verstarb bei einem Duell mit einem Kommilitonen, Wiguläus Rudolph Hundt, einem Enkel des Verfassers des Bayerischen Stammenbuchs Wiguläus Hundt. Der Streit zwischen den Studenten um eine Prostituierte entbrannte in einem einschlägig bekannten Mailinger Wirtshaus4).

Zumindest ungewöhnlich ist, dass Lutz als Opfer eines Duells in der Kirche bestattet werden konnte. Vermutlich verdankt er die Bestattung in geweihtem Boden und die reiche Ausstattung der Kirche mit Denkmälern dem Einfluss und den finanziellen Mitteln seiner Familie5).

Textkritischer Apparat

  1. Über der Inschrift auf dem Gebälk.
  2. Archaisierende Form.
  3. Archaisierende Form, LA-Engstellung.
  4. I in V eingestellt.
  5. E in O eingestellt R und O verschränkt.
  6. CA Verschränkung.
  7. Verschlagen, ursprünglicher Buchstabenbefund O unter S, V unter Q, I unter O.
  8. M D der Jahreszahl in antikisierender Form.

Anmerkungen

  1. So jedenfalls Westerholz, Die Lutz-Brüder, 3. Fortsetzung, IH 63,2 (2000) 2, vgl. auch Ferchl, Behörden 1041. Die auf dem zweiten Denkmal für Johann Wolfgang Lutz (vgl. die folgende Nummer) angebrachten Wappen lassen jedoch Zweifel an dieser Identifizierung aufkommen. Die Beischriften der Wappen für Johann Wolfgangs Mutter nennen dort als Vater der Mutter ein Mitglied einer Familie Faber, als Mutter eine Frau aus der Familie Khyniginswinter. Als Dr. Christoph Fabers Ehefrau ist durch ein Denkmal in der Franziskanerkirche in Mainz die 1580 verstorbene Margarethe, geb. Eisengrein, belegt (vgl. DI 1 (Mainz) Nr. 1306f.). Faber heiratete nach deren Tod wieder. Sollte Maria, geb. Faber, verh. Lutz, tatsächlich eine Tochter des Dr. Christoph Faber gewesen sein, so muss sie aus einer Ehe mit einer Frau aus einer Familie Khyniginswinter stammen, die noch vor der mit Margarethe, geb. Eisengrein, lag.
  2. Pölnitz, Matrikel II 1601, 34,31.
  3. Vgl. Biographisches Lexikon 103.
  4. Zum Ablauf der Vorkommnisse vgl. Westerholz, Lutz-Brüder 2.
  5. Vgl. Westerholz, Lutz-Brüder, dort auch zu weiteren Theorien.

Nachweise

  1. SB Bamberg HV. Msc. 183 fol. 91r (teilweise Abschrift); Westerholz, Lutz-Brüder (m. Abb.); Schemmerer, Orts- und Pfarrgeschichte 203 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 391 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0039107.