Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 374 Jesuitenkolleg, Konviktstraße 1 Ende 16. Jh.

Beschreibung

Bildbeischrift zur Wandmalerei mit Darstellung des Hl. Hieronymus und eines liegenden (toten) Klerikers zu seinen Füßen. Im Dr. Eck-Saal. Hieronymus sitzt in idyllischer Landschaft vor einem Baum. Im Hintergrund auf einem Hügel befestigte Ansiedlung (Burg, Stadt) in der Landschaft davor Tote, die aus ihren Gäbern steigen und ein Brunnen. Vor Hieronymus weiterer abgedeckter Brunnen mit Fruchtschale und Stehkreuz mit Titulus (I) darauf. Der nur in ein rotes Tuch gehüllte Heilige hält ein offenes Buch mit Beschriftung in Händen (II). Vor ihm ruht ein Kleriker auf einem Kissen, neben diesem liegt eine Laute. Weitere Inschrift auf dem Bildrahmen (III).

Maße: H. (Buchseite) 35 cm, B. (Buchseite I) 29 cm, Bu. 0,7 cm (I), Bu. 3,4 cm (II), H. (Schriftband) 6 cm, B. (Schriftband) 78 cm, Bu. 2,2 cm (III).

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/2]

  1. I.

     INRI

  2. II.

     SIVE COMEDA(M) / SIVE BIBAM / SIVE ALIVD / QVID FACIA(M) / SEMP(ER) SONAT / VOX ILLA / TERRIBILISa) // IN AVRI=/BVS MEIS: / SVRGITEb) MORTVI / VENITE AD IVDI=/CIVM

  3. III.

     VANITAS VANITATVM ET OMNIA VANITAS

Übersetzung:

Ob ich esse oder trinke oder irgendetwas anderes tue, immer klingt jene schreckliche Stimme in meinen Ohren, steht auf ihr Toten, kommt zum Gericht. (I)

Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist eitel. (II)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

  • Ps. Hieronymus; (I) Eccl 1, 2. (II)

Kommentar

Die gemalte Kapitalis zeigt deutliche Linksschrägenverstärkungen und die Tendenz, die Rechtsschrägen und mit den Linksschrägen kombinierte gerade Hasten nur als schmalen Strich auszuführen, bei E werden die Haste und der stark verkürzte Mittelbalken als dicker Strich ausgeführt, die längeren Fuß- und Kopfbalken als schmale Linien. Die Schrift zeigt eine Vorliebe für ausgeprägte Kopf- und Fußstriche an den Hastenenden. Alle I tragen Punkte.

Inschrift I gibt einen in der eschatologischen Literatur seit dem 13. Jahrhundert häufig benutzten, Hieronymus zugeschriebenen Text wieder, der jedoch weder in den echten Werken noch in den unechten Schriften dieses Kirchenvaters nachweisbar ist. Nach Gerhardt/Palmer ist dieses Zitat zusammen mit dem Gedicht von den 15 Zeichen grundlegend für die Autorität des Hieronymus in Fragen der Eschatologie im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit1). Woher der Ingolstädter Künstler oder Auftraggeber die Stelle kannte, muss offen bleiben2).

Textkritischer Apparat

  1. Wechsel auf die rechte Buchseite.
  2. Ab diesem Wort in roter Farbe.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Gerhardt/Palmer, Münchner Gedicht 35-38, dort auch eine Aufstellung von Nachweisen der Stelle.
  2. Ein nahezu gleichzeitiger Beleg findet sich in Freising auf dem Grabdenkmal des Matthäus Sedlmair, vgl. DI 69 (Freising) Nr. 275. Sedlmair hatte in Ingolstadt studiert, ob obige Inschrift zu seiner Ingolstädter Zeit bereits bestand, muss jedoch bezweifelt werden.

Nachweise

  1. DiB I.1 (Ingolstadt) CXLIII (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 374 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0037404.