Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 279 Pfk. Zur Schönen Unserer Lieben Frau 1572

Beschreibung

Inschriften auf dem Retabel und der Predella des Hochaltars1). Flügelaltar mit zwei Wandlungsmöglichkeiten. Altar in fünf Geschoßen, jeweils mit Vorder- und Rückseite, Predella vorne Mittelbild: Auferweckung des Lazarus, beseitet von Evangelisten, darüber die Stifterinschrift Herzog Albrechts IV. (I). Predella hinten Mittelbild: Ratschläge zur Ordnung des Gemeindelebens mit Beischrift, beseitet von den abendländischen Kirchenvätern, jeweils mit Beischriften (VII), darüber Stifterinschrift der Universität und des Rats (II). Hauptgeschoß zwischen Rahmenständern. Beischriften zu den Ritterheiligen auf der Vorderseite der Rahmenständer (V), Beischriften zu den morgenländischen Kirchenvätern auf der Rückseite der Rahmenständer (VI). Auf der Vorderseite Flügelaltar mit zwei Wandlungen: geschlossen (Alltagsseite) mit Zyklus Buße und Sündenvergebung, hier bei der Darstellung des Gastmahls bei Simeon (linker Flügel, Tafel rechts oben) Bibelstelle auf einer gemalten Tafel über der Wandverkleidung des Raumes (IX); erste Wandlung (Sonntage der Fastenzeit) mit Passionszyklus, Kreuztitulus, auf Mittelbild Kreuzigung dreizeilig oben hebraisierende Buchstaben, Mitte griechischer Textanfang, dritte Zeile lateinischer Titulus (X). Bekrönung der Tafel durch Prophetenportraits mit Beischriften (IV); zweite Wandlung (Festtagsseite) mit Marienzyklus, Bekrönung durch Apostelportraits. Auf der Rückseite im Hauptgeschoß Katharinendisputà, hier angeblich Künstlersignatur (XI). Über dem Hauptgeschoß Gebälk. Über dem Gebälk Auszug. Auf der Vorderseite Bild Mariae Himmelfahrt beseitet von zwei Engelsfiguren, auf der Rückseite Bild Scheidung der Schafe und Böcke beseitet von Figur des Hl. Petrus sowie von Tod und Teufel, unten auf dem Rollwerkrahmen beider Bilder jeweils Datierung (III). An den Seiten des Auszugs jeweils ein Ständer mit Wappenschild in reich ornamentiertem Rahmen. Über dem Auszug Gesprenge, auf der Vorderseite Marienkrönung, auf der Rückseite Christus als Weltenrichter zwischen Maria und Johannes, neben Christus zwei Engel mit beschrifteten Büchern (VIII). Darüber hinaus gibt es noch Beschriftungen buchschriftlichen Charakters z. B. auf den Seiten der Manuskripte hinter den Kirchenvätern.

Maße: H. (Schrifttafel I) 12,5 cm, B. (Schrifttafel I) 87 cm, Bu. 1,5 cm (I). H. (Schrifttafel II) 13,5 cm, B. (Schrifttafel II) 86 cm, Bu. 1,2 cm (II)2).

Schriftart(en): Gotische Minuskel, Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/3]

  1. I.

     Dem Allmechtigen Gott zu ewigem lob der Hochgelobten Himel kinigin Maria . zu Eer vnd Zier der herliche(n) kirche(n), ist / dise Chor dafl auf beuelch und verla(n)g, des Durchleuchtige(n) hochgeborne(n) Fursten und her(r)n her(r)n Albrechte(n) pfaltz=/graffen Bey Rhain, Hörczog in Ober und Nider Bairn / (et)c(etera) daher verordnet vnd gemacht worden Gott welle / seine(n) Fir(stlichen) Gn(aden) vnd der gantze(n) furstliche(n) frömen Ca=/tholische(n) herschaft de(n) ewige(n) lonn geben. Amen. geschehe(n) A(nn)oa) 1572.

  2. II.

     Dises ansechlich werckh ist auf fürstliche(n) beuelh durch der nachbenanten Herr(n) Symon Egkhe(n) der Rechte(n) Doctor Canczlers Conrate(n) Zellers zu Leuberstorf / Camermaisters vnd ander Fürstlicher Räthe auch der hochlobliche(n) Vniversitet vnd dann Burgermaister vnd Rathe der Stadt Ingolstat / hilff vnd befurderung Erstlich vo(n) Maister Hannsen Wisreuter Kistlern vnd hinach durch Maister Hannsen Muelich maler(n) / beede(n) Burgern zu Munche(n) verfertigt und vollendt wurden. Gott sey lob vnd danckh gesagt.

  3. III. Unten am Rollwerk in der unteren Zone des Auszugs auf Vorder- und Rückseite:

    1572

  4. IV. Beischriften zu den Prophetenportraits auf der oberen Abschlussleiste des Altarretabels (jeweils mit roter Initiale):

     

  5. Außen links:

     Habakuk ·AggeusZach//ariasb) ·

  6. Mitte links:

     Ezechielc) ·Isaiasc) ·Dauit · Rex ·

  7. Mitte rechts:

     Ieremias ·Daniel ·Hosead) ·

  8. Außen rechts:

     Malachiase)Sophonias ·Nahumf) ·

  9. Rückseite links:

     Abdias ·Iohel ·Baruchg)

  10. Rückseite rechts:

     Amos ·Ionas ·Micheas ·

  11. V. Beischriften zu den Ritterheiligen auf den Rahmenständern der Vorderseite:

     

  12. links:

     S. GEORG ·S. RASSO CO(MES)

  13. rechts:

     S. MAVRICIVS ·S: ACHACIVS ·

  14. VI. Beischriften zu den morgenländischen Kirchenvätern auf der Rahmungsständern der Rückseite:

     

  15. links:

     S. BASILIVS · M(AGNVS)S. IO(HANNES) CHRYSOSTO(MVS)

  16. rechts:

     S. IGNACIVSS. ATHANASIVS · ·

  17. Auf dem Herz, das Ignatius in der Hand hält:

     IE(SV)Sh)

  18. VII. Beischriften auf der Predella der Rückseite:

     

  19. Beim Mittelbild der Predella Ratschläge zur Ordnung des Gemeindelebens:

    3)I Kor(inther) XII

  20. Bei Ambrosius auf kleinem Pergamentstreifen:

     S. AMBROSIVS

  21. Bei Augustinus:

     

  22. auf Buchrücken:

     HILARVSOLYMPIS

  23. auf Buch in dem Augustinus schreibt:

     DE · CIVITA(TE) DEI

  24. auf Schreibpult des Hieronymus:

     S. HIERONYMVS

  25. vor Gregor:

     S. GREGORIVS

  26. VIII. Beschriftungen der Bücher in den Händen der Engel im Gesprenge der Altarrückseite bei der Darstellung Christus als Richter:

     

  27. Linker Engel:

     Komet her ir / gebenedeitn in das Reich / meines vatt/ers welches // euch berait ist von anfang / der welt . ich war hungerig ir habt / mich gespeist.

  28. Rechter Engel:

     Get hin Jr ver/maledeitn / jn das ewig fei/r . welches be/rait ist dem // deufel und seinen en/geln . ich war / hungrig ir ha/bt mich / ungesp(eist)

  29. IX. Alltagsseite, Linker Flügel, Tafel rechts oben: auf einer Schrifttafel über dem Gesims des Raumes des Gastmahls des Simeon (Lk 7, 36):

     BEATIi) IMMACVLATI IN / VIA QVI AMBVLANT IN / LEGE DOMINIj). / BEATIi) QVI SCRVTAN/TVR TESTIMONIA EIVS / DE TOTO CORDE EXQVI/RVNT EVM j)/ PS(ALMVS) CXVIIIk)

  30. X. Kreuztitulus:

    4)ΙΗΣΟΥl) · ΟΝΑΖΩΡΟm) · Οn) // ΒΑΛΣo) · ΤΩp) ΙΩΔq)IESVS NAZARARENr) // REX IVDEORVM

  31. XI. Künstlersignatur:

     H(ans) Mielichs)

Übersetzung:

Selig die, deren Weg makellos ist, die in den Gesetzen des Herrn wandeln. Selig, die seine Zeugnisse durchforschen, ihn mit ganzem Herzen suchen.

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

  • Mat 25, 31. 421 (VIII), Ps 118, 1-2 (IX).
Wappen:
Pfalz-Bayern, Österreich.

Kommentar

Der Hochaltar wurde im Jahr 1572 geweiht. Die ältere Literatur nahm deshalb an, das Werk sei von Herzog und Rat im Hinblick auf das einhundertjährige Universitätsjubiläum in Auftrag gegeben worden. Eine Neukonzeption des Altarraums der Kirche erfolgte jedoch bereits 1560, veranlasst durch Herzog Albrecht V.5). Grund war wohl die Bedeutung der Ingolstädter Münsterkirche als Kirche der bayerischen Landesuniversität und deren Bedeutung für das katholische Herzogtum gerade im Zeitalter der beginnenden Gegenreformation sowie die gesamt-wittelsbachische Stiftungstradition der Kirche6).

Die beauftragten Künstler – neben den inschriftlich genannten Hans Wisreuther und Hans Mielich war noch der Bildschnitzer Hans Wörner, wohl für den figürlichen Schmuck, beteiligt – standen alle in enger Beziehung zum Münchner Hof7). Die Arbeiten erfolgten in den Jahren 1568 bis 1572, wohl ausschließlich in München, der Altar wurde 1572 nach Ingolstadt verbracht und dort aufgestellt, wofür die beteiligten Künstler und Ingolstädter Helfer eigens entlohnt wurden. Diese Fertigungsweise schlägt sich in einer besonderen technischen Anfertigung des Altares nieder, der sozusagen in einem Baukastensystem gefertigt wurde8).

Die Texte in den Darstellungen der abendländischen Kirchenväter (hinter Hieronymus und Gregor) sind offensichtlich ohne Rücksicht auf die Anbringung in der Altarpredella gefertigt, denn sie werden nach Aufbau des Altares von Schnitzwerk überdeckt, gleiches gilt für die von Wimböck dokumentierte Bibelstellenangabe auf dem rückwärtigen Bild der Altarpredella (vgl. Anm. 3).

Interessant ist, dass bei den Kirchenväterdarstellungen bei den morgenländischen Kirchenvätern an Stelle des eigentlich kanonischen Gregor von Nazianz der Hl. Ignatius von Antiochien tritt9).

Die Inschriften des Ingolstädter Münsterhochaltares zeigen eine recht konventionelle Gestaltung. Kapitalis tritt in den lateinischen Beischriften und in dem längeren Bibelzitat, das in die Bildtafel des Gastmahls des Simeon integriert ist, auf (IX). Für die Stifterinschriften (I, II) wird eine für die Entstehungszeit bereits „unmoderne“ Gotische Minuskel gewählt. a tritt dabei meist in einer Kastenform auf, r stets als Bogen-r. Auffallend sind auch die zurückhaltenden Formen der gewählten Großbuchstaben, die teilweise einem Kapitalis-Alphabet entstammen, teilweise sehr zurückgenommene Frakturformen zeigen.

Als Stifter des Altares wird inschriftlich nur Albrecht V. genannt (I), seine Ehefrau Anna von Österreich ist nur im Portrait des Stifterbildes und in den Wappenständern präsent. Die Fertigungsinschrift der Rückseite (II) nennt namentlich neben den Künstlern Hanns Wisreuter und Hans Mielich nur die beiden herzoglichen Beamten, den Kanzler Simon Eck10), zu dessen Amt auch die Beaufsichtigung der Universität gehörte, und den Kammermeister Konrad Zeller11) als obersten herzoglichen Finanzverwalter.

Textkritischer Apparat

  1. o hochgestellt.
  2. Knick im Schriftband.
  3. Vor dem Namen florales Ornament.
  4. e ohne Ausführung des Balkens.
  5. Erstes a als einziges nicht kastenförmig.
  6. Mit Linierung für den Mittellängenbereich.
  7. Es folgt kein Punkt.
  8. Nomen sacrum IHS.
  9. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  10. Rest der Zeile leer.
  11. Zentriert, in roter Farbe.
  12. Υ in Ο eingestellt, das nun eingentlich folgende Σ fehlt.
  13. Unsicher ob Ρ in Ο eingestellt Sic!
  14. Zeile durch gemalte Holzklammer geteilt.
  15. Sic, kein Kürzungszeichen für ΒΑΣΙΛΕΥΣ.
  16. Sic, kein Kürzungszeichen, Ν fehlt.
  17. Sic, damit bricht die Beschriftung ab.
  18. Zeile durch Holzklammer unterbrochen, Text läuft gedacht hinter der Klammer weiter: NAZARENVS
  19. HM Nexus literarum.

Anmerkungen

  1. Zu einer ausführlichen Beschreibung des Bildprogramms vgl. Wimböck, Ingolstädter Münsteraltar 74-106 .
  2. Höhe der übrigen Tafeln und Inschriften auf Grund der Anbringungshöhe nicht messbar.
  3. Wimböck, Ingolstädter Münsteraltar 84.
  4. Die erste Zeile des Titulus zeigt hebräische Buchstaben, die jedoch willkürlich aneinander gereiht scheinen und weder Kreuztitulus in hebräischer Sprache noch eine Transliteration des griechischen oder lateinischen Textes darstellen. Eingestreut sind Formen, die keinem hebräischen Buchstaben entsprechen, z. B. eine Bildung aus Haste und Balken auf der Grundlinie – etwa einem spiegelverkehrten L entsprechend. Der Maler kannte die hebräischen Buchstaben, er gibt auch anspruchsvolle Buchstabenbildungen wie Shin oder Pe richtig wieder, hatte aber – vielleicht auch angesichts der Höhe der Anbringung - keinen Ehrgeiz, den Kreuztitulus zu schreiben. Ähnliches gilt auch für das Griechische: hier werden die Worte teils willkürlich verkürzt, der Text bricht mittendrin ab.
  5. Hofmann, Templum academicum 153ff. Wimböck, Ingolstädter Münsteraltar 53f.
  6. Unklar muss bleiben, inwiefern Albrecht mit dem Altar auch ein Zeichen der katholischen Bildertradition in der Auseinandersetzung mit der Bildkritik der Reformatoren setzen wollte. Vgl. dazu Wimböck, Münsteraltar 171, dies., Ingolstädter Münsteraltar 61-69; Hofmann, Hochaltar (1979) 1-18, ders., Hochaltar (1992) 319f.
  7. Hans Wisreuthers Hauptwerk ist der sog. Dachauer Plafond, vgl. Schmid/Beil, Das Schloß Dachau passim, besonders 28; über Hans Wörner ist nur wenig bekannt, vgl. Wimböck, Ingolstädter Münsteraltar 58, Anm 65.
  8. Vgl. dazu die Dokumentation zur Restaurierung von Bachmann in Wimböck, Ingolstädter Münsteraltar 172ff.
  9. Vermutungen dazu bei Wimböck, Ingolstädter Münsteraltar 86.
  10. Vgl. Lanzinner, Fürst 328.
  11. Vgl. Lanzinner, Fürst 328. Bei der genannten Besitzung Conrad Zellers Leuberstorf handelt es sich um die von 1523 bis 1767 im Besitz der Zeller befindliche Hofmark Leibersdorf, heute Leibersdorf, Gde. Volkenschwand, Lkr. Kelheim/NB. Vgl. HAB Altbayern I, 1 (Moosburg) 42. 10, vgl. Lanzinner, Fürst 419f.

Nachweise

  1. Cgm 3368 fol. 2r-v; Gerstner, Frauenkirche 30-45; Gerstner, Ingolstadt 195-197; Gemminger, Ingolstadt 37f.; Ostermair, Beiträge II, 228f.; Ostermair, Wittelsbacher 101; Ostermair, Stadtpfarrkirche 9f; Ostermair, Führer 61; Fischer, Stadtpfarrkirche 9; Wagner, Stadtpfarrkirche 12; Jacobi, Hans-Muelich-Altar 51; Geissler, Hochaltar 145; Hofmann, Jahr 1572 320-322.

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 279 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0027909.