Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 276a Stadtmuseum 1571/2. H. 16./A. 17. Jh.

Beschreibung

Beischriften auf sechs pharmazeutischen Vorratsgefäßen aus Keramik. Grabungsfunde aus dem sogenannten Apothekenschacht. Ergraben mit weiteren Gefäßen des 18. Jahrhunderts 2003, bei einer Grabung in einem Abfallschacht im Hofbereich der heutigen Moritzstraße 171). Kleinteilig zerscherbte Gefäße. Darunter Scherben einer Eng- und dreier Weithalsflaschen sowie von zwei Standgefäßen, sogenannten Albarelli. Enghalsflasche mit Standboden, bauchiger Gefäßkontur und eng zulaufendem Hals mit schwach ausgeprägtem Sichelrand. Weithalsgefäße mit verstrichenem Standboden, schwach ausgeprägtem Wulstrand, bauchiger Gefäßkontur und ganz schwach ausgeprägtem konkavem Hals, der Rand kragenrandartig ausgebildet. Albarelli mit Standboden, einziehendem Rand, fast senkrechter glatter Wandung, scharfer Schulterkante und schmalem Binderand. Dekor in Fayencetechnik: weißer Grund mit blauer und grüner Malerei. Die Flaschen zeigen vorne in runder Kartusche Kriegerkopf beseitet von Jahreszahl (I, III, V, VIII), in einem Fall (VI) darunter, am unteren Rand der Kartusche römische Zahl, die restliche Wand des zentralen Gefäßteiles jeweils verziert mit Blatt- und Rankenwerk. Bei der Enghalsflache darüber, über Malstrich, Reste eines gefüllten Pyramidenmusters, darin Schriftband mit Beischrift (II), auf den Weithalsflaschen, zwischen doppeltem Malstrich, auf dem Hals, einfaches Schriftband mit Beischrift (IV, VII, IX), darüber Rankenwerk. Die beiden Albarelli zeigen einmal in einer runden Kartusche eine weibliche Büste2) zwischen zwei Trauben (?), oben an der Kartusche Schriftband mit Beischrift (X), rechts vertikales Rautenband, der Rest des Mittelteiles mit Blattranken gefüllt, darunter Band mit laufendem Hund, darüber Pyramidenmuster. Der zweite Albarello zeigt in einer ovalen (?) Kartusche einen Kriegerkopf, über der Kartusche Schriftband mit Beischrift (XI), auf der Rückseite ebenfalls in einer Kartusche Blütenstengel, die freien Flächen mit einfachen gestrichelten Blattornamenten gefüllt, an der Schulter Ornamentband aus Halbkreisen und Spitzen, unten Rankenband und ebenfalls größere Halbkreise.

Maße: H. 18 cm, Dm. (Boden) 8,2 cm, Dm. (Hals) 5 cm, Dm. (maximal) 13,5 cm, Bu. 1 cm (gemessen S) (Enghalsflasche); H. 23,5 cm, Dm. (Boden) 10,5 cm, Dm. (Hals) 7 cm, Dm. (maximal) 13 cm, Bu. 2,5 cm (gemessen M) (Weithalsflasche 1); H. 22,5 cm, Dm. (Boden) 10,5 cm, Dm. (Hals) 5,5 cm, Dm. (maximal) 13,1 cm, Bu. 1,4 cm (gemessen H) (Weithalsflasche 2); H. 26,2 cm, Dm. (Boden, ergänzt) 11 cm, Dm. (maximal) 14,5 cm, Bu. 1,4 cm (Weithalsflasche 3); H. 18, 5 cm, Dm. 12,7 cm, Bu. 0,7 cm (Albarello 1); H. 24,5 cm, Dm. 15,5 cm, Bu. 1,3 cm (Albarello 2).

Schriftart(en): Kapitalis (I-X), Fraktur (XI).

  1. Enghalsflasche:

     

  2. I.

     [15]//71a)

  3. II.

     [ . ]b) PE[TR]OS[ELINI]c)

  4. Weithalsflasche 1:

     

  5. III.

     [15//71]d)

  6. IV.

     SY(RVPVS) [AC]EETOS(ITATIS)e) L[I]MONVM

  7. Weithalsflasche 2:

     

  8. V.

     15//71a)

  9. VI.

     XXXXVIf)

  10. VII.

     SY(RVPVS) dE CICHO(RIO) [CVM RHA]bA(R)b(ARO)g)

  11. Weithalsflasche 3:

     

  12. VIII.

     15//[71]h)

  13. IX.

     SY(RVPVS) dE N[ENVPHARE]i)

  14. Alberello 1:

     

  15. X.

     ZINZIB(ER) CONd(ITVM)

  16. Alberello 2:

     

  17. XI.

     R(adix) Naroni Bej)

Übersetzung:

Aus Petersilie (II); Sirup mit Zitronensaft (IV); Sirup aus Wegwarte mit Rhabarber (VI); Sirup aus Teichrosen (IX); kandierter Ingwer (X).

Kommentar

Die Beschriftung ist in einem dem Bereich der handschriftlichen Gebrauchsschriften der Zeit zuzuordnenden Großbuchstabenalphabet abgefasst. d und b sind als Minuskelformen eingestreut. Insgesamt wirken die Inschriften unruhig und ohne großen Willen zu einer ornamentalen Gestaltung gesetzt, so ist S und C in jeweils einem Fall aus der Schriftachse gekippt, S wird einmal auch aus einem oberen Bogen und einem angesetzten gegenläufigem Bogen gebildet. O ist mandelförmig gebildet, wobei eine Unsicherheit bei der Schriftführung bei der Rundung des Buchstabens auffällt. M ist konisch gebildet mit nur auf die Mitte der Zeilenhöhe reichendem Mittelteil. Y trägt Trema. Die Buchstabenenden werden meist durch Seriphen abgeschlossen. Die in einer Minuskel mit Versalien abgefasste Inschrift XI zeigt einstöckiges a und e mit abgeknicktem oberen Bogenabschnitt, n zeigt Brechungen auf der Zeile.

Die 2003 in Ingolstadt aufgefundenen Gefäße stellen einen für Süddeutschland einmaligen Fund dar. Das Dekor der Gefäße und vor allem die durch die Anbringung der Jahreszahl „1571“ sichere Datierung hat bisher keine Parallele im 16. Jahrhundert im Bereich der pharmazeutisch genutzten Gefäße.

Die Beschriftungen der Gefäße hat Christa Habrich auf Grund der in Ingolstadt damals gebräuchlichen Arzneimittel entschlüsselt3). Nicht ganz zufrieden stellen kann in diesem Zusammenhang die Auflösung von Inschrift (XI): hier lässt der Buchstabenbefund die Lesung Tormentillae keineswegs zu, ohne dass hier eine alternative Auflösung geboten werden könnte.

Der Herstellungsort der Fayencen ist unklar. Angeschafft wurden sie vermutlich im Zusammenhang mit der Übernahme der Stadtapotheke durch Matthias Wolleben 1571, auch die beiden Albarelli sind auf Grund ihres Dekors der Periode Matthias Wolleben zuzuordnen, wurden jedoch vermutlich nicht zusammen mit den festdatierten Flaschen angekauft.

Textkritischer Apparat

  1. Zahl durch Kriegerkopf geteilt.
  2. Reste eines Hastenfußes, evtl. Rest eines A für A(QVA), Habrich, Fayencen 26, schließt jedoch Aqua Petroselini auf Grund der Gefäßgröße als Inhalt aus.
  3. Ergänzt nach Habrich, Fayencen 25. Es ist auf Grund des Raumes davon auszugehen, dass das Wort gekürzt war.
  4. Zahl und Disposition erschlossen nach anderen Gefäßen.
  5. Evtl. auch Verschreibung [A]EETOS(IATIS)? Für AC ist wenig Platz. Ergänzt nach Habrich, Fayencen 28.
  6. Vielleicht Angabe des Standortes auf dem Regal?
  7. Ergänzt nach Habrich, Fayencen 32.
  8. Zahl ergänzt nach anderen Gefäßen.
  9. Ergänzt nach Habrich, Fayencen 29f.
  10. Habrich, Fayencen 24 liest R(adix) Tormen(tillae) Se(cta), und vermutet eine Verschreibung, diese Lesung ist aus dem Buchstabenbefund keinesfalls zu erklären.

Anmerkungen

  1. Vgl. Schönewald/Riedel, Fundgut 123f.
  2. Endres, Fayence-Gefäße 51, erkennt einen Jünglingskopf, vielleicht Bacchus, die angedeuteten Brüste und die Halskette lassen die Darstellung einer Frau jedoch wahrscheinlicher erscheinen.
  3. Habrich, Fayencen 24-40.

Nachweise

  1. Habrich, Fayencen, passim; Endres Fayence-Gefäße 43-52; Schönewald/Riedel Fundgut 123-127.

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 276a (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k00276a5.