Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 246 Franziskanerklosterkirche Mariae Himmelfahrt 1564

Beschreibung

Sterbeinschrift auf dem Metallepitaph des Sebastian Pemler und Gießerinschrift des Caspar Dietrich. Innen, Nordwand, auf Höhe zwischen dem fünften und sechsten Pfeiler. Hochrechteckige Platte mit aufgesetztem Dreiecksgiebel. Unten, in einem perspektivisch vertieften Raum, in der Mitte ein Sarkophag mit Schädel und Gebeinen, auf seiner Stirnseite die Meisterinschrift, erhaben (II), links fünf männliche, rechts sechs weibliche Familienmitglieder, kniend mit gefalteten Händen, der vorderste Mann und die vorderste Frau durch die Kleidung hervorgehoben, Mann mit Mantel mit Hängeärmel und Radmantel, Frau mit altertümlichem Schleier (evtl. Nonnentracht?), die Mädchen in Kleidern mit Jungfernkranz an der Rückwand des Raumes Teil der Hauptinschrift, erhaben (I). Darüber Kruzifix mit Maria und Johannes, Titulus, eingetieft (III), am linken Kreuzesarm Engelsköpfchen, am rechten Kreuzesarm ein geflügeltes, geschwänztes Wesen (Teufel?); dieser Teil mit einem Model eingefügt, wie ein unabhängiger Abschluss und Randspuren zeigen1). Links und rechts davon je ein Vollwappen, darüber die Inschrift in neun Zeilen, erhaben, Scriptura continua (I). Im Dreiecksgiebel, unter einem Konvexbogen, Gottvater mit Krone und Weltkugel im Segensgestus, vor ihm die Heiliggeisttaube, über dem Bogen rechts und links Blattornamente, der Bogen von einer Schale mit Feuer bekrönt. Metall.

Maße: H. 92 cm, B. 49 cm, Bu. 2,3 cm (I), 0,7 cm (II).

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/1]

  1. I.

     NOBILIS ET CLARISS(IMVS) VIR SEBAS(TIANVS) / PEMLERVS I(VRIS) V(TRIVSQVE) D(OCTOR) CVM APVD CO/MITES PALAT(INOS) EP(ISCOP)VM FRISING(ENSEM) / ET REMP(VBLICAM) AVGVST(AM) CANCELLA-/RIVM EGISSET EORVMQ(VE) NO(M)I(N)E / AD CAROL(VM) V RO(MANORVM) IMP(ERATOREM) REGEM / ANGL(IAE) POL(ONIAE) ALIASQ(VE) P(RAE)CLARAS / LEGATIONES OBISSET ET SENIO CO(N)FECT(VS)a)// OBIITb) // IIII IDVS NO(VEMBRIS) ANNO / M D LXIIII · / AETATIS SVAEc) / LXIII ·

  2. II.

     CASPAR DIE=/TRICH · F(ECIT)

  3. III.

     I · N · R · I

Übersetzung:

Der edle und hochberühmte Mann Sebastian Pemler, beider Rechte Doktor, nachdem er bei den Pfalzgrafen, dem Bischof von Freising und der freien Stadt Augsburg das Kanzleramt ausgeübt hatte und in ihrem Namen zu Karl V., dem Römischen Kaiser, zu dem König von England, Polen und anderswohin hervorragende Gesandtschaften übernommen hatte, ist er, vom Greisenalter erschöpft, gestorben am vierten Tag vor den Iden des Novembers im Jahre 1564, im 63. Lebensjahr. (I)

Caspar Dietrich hat (dieses Grabmal) gemacht. (II)

Datum: 1564 November 10.

Wappen:
Pemler2), Winkler3).

Kommentar

Schon Berliner wies darauf hin, dass der Ingolstädter Geschütz- und Glockengießer Caspar Dietrich zwar als Gießer des Metallepitaphs gelten kann, nicht aber für den Entwurf und die Ausführung des dem Guss zu Grunde liegenden Models verantwortlich zeichnet4). Ein Vergleich mit der Ingolstädter Ratstafel (Nr. 226) zeigt deutlich die unter dem Niveau des Pemler-Denkmals liegenden Fähigkeiten Dietrichs bei der Gestaltung von Schrift und Relief. Dennoch hat er in den zu Grunde liegenden Entwurf entscheidend eingegriffen. Das im Zentrum der Platte befindliche Kruzifixrelief, das im Gegensatz zur Gestaltung der übrigen Denkmalteile, die der Renaissance verpflichtet sind, noch deutlich altertümlichere Züge zeigt, ist wohl eine Einfügung Dietrichs. Der hier zu Grunde liegende Model, ebenfalls sicher nicht von Dietrich selbst gefertigt, gehörte wohl zum Bestand der Dietrichschen Werkstatt. Warum das Relief in die Platte eingefügt wurde, ist unklar.

Sebastian Pemler (Pemerl, Pemerlin u. viele weitere) immatrikulierte sich am 26. November 1512 vermutlich noch als Minderjähriger, da er keinen Eid leistete, an der Hohen Schule5). Er erwarb 1524 den Grad eines Doktors beider Rechte6). 1525 muss er geheiratet haben, da er auf Grund seiner Verheiratung die Erlaubnis erhielt, außerhalb des Kollegs zu wohnen. Seine Ehefrau Felicitas war die Witwe des Doktors beider Rechte Dr. Jakob Winkler7). 1528 trat Sebastian Pemler in Pfalz-Neuburgische Dienste8). Vermutlich um 1544, mit dem Übergang der Pfalz-Neuburgischen Verwaltung in die Hände der Stände, trat er in die Dienste des Bischofs von Freising, Heinrich von der Pfalz (Bischof 1541-1552), und nahm in dieser Funktion am Regensburger (1546) und am Augsburger Reichstag von 1547 teil9). Ab September 1548 stand er, bis zu seiner Entlassung wegen Altersschwäche, als Stadtschreiber/Kanzler in Augsburgischen Diensten10). Die in der Inschrift erwähnte Gesandtschaft zum König von England betraf die Heiratsverhandlungen Pfalzgraf Philipps mit Mary Tudor11). Sebastian und Felicitas Pemler hatten vier nachweisbare Kinder (nach der Darstellung auf dem Denkmal neun); Ostermair nennt namentlich zwei Töchter: Judith, verheiratet mit Georg Widmann, und Susanna, verheiratet mit Dr. Max Schweickhart, und zwei Söhne Daniel und Jeremias12). Pemler stiftete ein Stipendium für das Georgianum, einen Jahrtag bei den Franziskanern, Gelder für das Kloster Hohenwart und weitere mildtätige Zwecke in Ingolstadt13).

Textkritischer Apparat

  1. Zeile geteilt durch Kreuz.
  2. Die folgenden Zeilen auf der Rückwand des perspektivisch vertieften Raumes.
  3. Engstellung VAE.

Anmerkungen

  1. Denselben Model benutzte Dietrich für ein Relief, das sich heute im Bayerischen Nationalmuseum befindet, vgl. Berliner, Erzgießer 15.
  2. Siebmacher BayA1 22.
  3. Rose unter waagschnittig gestutztem Sparren.
  4. Vgl. Berliner, Erzgießer 15f.
  5. Pölnitz, Matrikel 1512, 357,19. Vgl. auch Biographisches Lexikon 306 (Karriere bis zum Verlassen der Hohen Schule).
  6. Unsicher ist, ob Pemler den Titel eines Doctor utriusque iuris oder eines Doctor iuris civilis erwarb, vgl. Wolff, Juristenfakultät 304f.
  7. Felicitas Witwenschaft ist belegt durch zwei Fragmente eines Testaments im StadtA Ingolstadt (Urkunden C 573 und C 604). Ostermair, Bürgerbuch I, 46 bezeichnet sie als Schwester des Dr. Johann Winkler, Kanoniker von St. Moritz in Augsburg, sie war aber vermutlich dessen Schwägerin. Für diesen Hinweis sei Doris Wittmann, Stadtarchiv Ingolstadt, herzlich gedankt.
  8. Vgl. Cramer-Fürtig, Landesherr 65 (Bestallung), 288 (letzter Nachweis).
  9. Vgl. die Instruktionen für Pemler für die beiden Reichstage für Regensburg, Aulinger, Reichstag Regensburg 159f, Nr. 28a; für Augsburg, Machoczek, Reichstag Augsburg 1547/48 I, 178, Nr. 19.
  10. Vgl. Roth, Chroniken der schwäbischen Städte Augsburg 7, 52 Anm. 4.
  11. Rott, Schriften Ottheinrichs 143, vgl. auch Lübbers, Vil verdirbt 152f.
  12. Nach Ostermair war Sebastian Pemler Zöllner in Ingolstadt, dafür findet sich jedoch ansonsten kein Beleg, Ostermair, Bürgerbuch I, 46. Als Zöllner in Ingolstadt weist Ferchl, Behörden 348, zu dieser Zeit Jörg Weinmaister (vgl. Nr. 259) nach.
  13. Vgl. Schmid, Georgianum 38, Real, Stipendienstiftungen 66f., vgl. StadtA Ingolstadt Urkunde B 726 vom 27. Juli 1562, vgl. auch die Testamentsfragmente Urkunde C 573, gleiches Datum, und C 604.

Nachweise

  1. Oefeleana 44 Ingolstadt fol. 12v; Clm 2105 fol. 190r-v, Nr. 408; Cgm 3017 fol. 51v; Cgm 3368 fol. 87r; StadtA Regensburg HVOR Ms. B. 23 p. 10, Nr. 8; Kdm OBB I (Ingolstadt) 48; Kögerl, Garnisonskirche 71; Berliner, Erzgießer 15; Koller, Grabsteine 96, 97 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 246 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0024601.