Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 457(†) ehem. Waisenhaus, Stevartstr. 3 1617

Beschreibung

Stifterinschrift des Petrus Stevart. An der Fassade des ehemaligen Waisenhauses. Marmor. Zweigeteilte Platte, oben Wappentafel: unter einem von zwei kannelierten Säulen mit ionischen Kapitellen getragenen Bogen Darstellung einer von vier Löwen getragenen Säule, die eine mit einem Kreuz bekrönte Kugel trägt, an der oberen Hälfte des Säulenschaftes sind Tücher festgeknotet, die zu beiden Seiten je ein Wappenmedaillon tragen. Links und rechts der Säule Initialen (I). Unten auf einer eigenen Tafel, in einem rahmenlosen querrechteckigen Feld Inschrift, Reste von schwarzer Fassung der Buchstaben erkennbar (II). Kalkstein.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/1]

  1. I.

     L // Ga)

  2. II.

     VIATOR CHRISTIANEb) ! / CUMb) BONORUM OPERU(M) HOSTIIS PROMEREATUR DEUSc) / HOC ORPHANOTROPHEIUM NE PERTRANSITO, NI / PRIUS LARGA MANU EIDEM BENEDIXERIS. IDEOd) E=/NIM HOC IDEM AD DEI GLORIAM (ET)e) PAUPERUM SUBSIDIU(M) / INCHOAVIT PETRUSc) TEVARTIUSc) LEODUSc) BELGAc) PA=/ROCHUS MAURITIANUSc), ACAD(EMIAE) INGOLSTADIENSISc) / PROCANCELLARIUSc) (ET)e) THEOLOG(IAE)c) PROFESSORc) UT / BENEFICENTIAE (ET)e) COM(M)UNIONIS TE HOCd) ITER FA=/CIENTEM COM(M)ONERET (ET)e) SIC REGNUM A MUNDI CON=/STITUTIONE ORPHANORUM PATRIBUS PARA=/TUM POSSIDERES. / MDCVVIIf).

Übersetzung:

Christlicher Wanderer! Weil bei Gott gute Werke höher im Wert sind als Opfer, sollst Du an diesem Waisenhaus nicht vorübergehen, ohne ihm zuvor mit freigebiger Hand Segen gespendet zu haben. Petrus Stevart aus Lüttich in Belgien, Pfarrer der Gemeinde St. Moritz und Prokanzler sowie Professor der Theologie an der Ingolstädter Akademie, hat eben dieses (Waisenhaus) nämlich zu dem Zweck zur Ehre Gottes und zur Unterstützung der Armen zu errichten beginnen lassen, um dich auf dieser Wanderung an Wohltätigkeit und Freigebigkeit zu erinnern, auf dass du auf diese Weise dereinst das Reich, das den Vätern der Waisen von der Erschaffung der Welt an bereitet worden ist, in Besitz nehmest. – 1617.

Wappen:
Abtei Niederaltaich1), Stevart2).

Kommentar

Das Denkmal ist zweigeteilt, die obere Tafel zeigt deutlich stärkere Verwitterungsspuren als die untere Tafel, die auch in ihrer Gestaltung bei weitem schlichter gehalten ist. Es steht zu vermuten, dass es sich bei der unteren Tafel um den Ersatz für eine ältere Inschriftentafel handelt. Ein Hinweis darauf ist die im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts in Ingolstadt sonst noch nicht belegte Scheidung von U und V in der Kapitalis. Der Text wird bereits im 18. Jahrhundert kopial überliefert, so dass er sich auch auf dem Ursprungsdenkmal befunden haben dürfte. Unklar bleibt die Bedeutung der Initialen L und G auf der oberen Wappentafel.

Das von Peter Stevart für das Waisenhaus erworbene Gebäude befand sich vorher im Besitz des Inneren Rats und Metzgers Peter Laberer und seiner Frau Anna. Stevart erwarb das Haus 16163). Die Waisenhausstiftung des Petrus Stevart besteht bis heute fort.

Zu Petrus Stevart vgl. Nr. 460.

Textkritischer Apparat

  1. Rechts und links der Säule, Auflösung der Initialen unklar.
  2. Vergrößerte Anfangsbuchstaben, Zeile zentriert.
  3. Vergrößerter Anfangsbuchstabe.
  4. Vergrößerter Anfangsbuchstabe J-förmig gestaltet.
  5. ET-Zeichen S-förmig, von der Zeilenhöhenmitte in die Unterlänge reichend, durchstrichen durch eine von der Grundlinie schräg nach oben geführte geschwungene Linie und gefolgt von einem Punkt.
  6. Zeile zentriert, größer.

Anmerkungen

  1. Vgl. Siebmacher Klö 65 und Zimmermann, Klosterheraldik 108. Die Abtei Niederaltaich war Patronatsherrin der Pfarrei St. Moritz, für die das Wappen hier wohl steht.
  2. Durch eine weiße Sturzkrücke geteilt und gespalten, oben in den beiden Feldern je ein grünes Blatt, unten zwei gekreuzte schwarze Fackeln.
  3. SoBl 28 vom 11. Juli 1869, 112.

Nachweise

  1. DAEI, Pfarrarchiv St. Moritz, Akt v 272; Mederer, Geschichte (Ms.) p. 133; Mederer, Annales II, 240; Gemminger, Ingolstadt 226 (deutsch); SoBl 28 vom 11. Juli 1869, 112; Ostermair, Beiträge 338; Ostermair, Führer 10; Mederer, St. Moritz, in: Unterhaltungsblatt (1873) 170; Verdière, Université II, 247 (französische Übersetzung); Maréchal, Les Liégeois 115; DiB I.1 (Ingolstadt) 447 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 457(†) (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0045702.