Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 315 Franziskanerklosterkirche Mariae Himmelfahrt 1582

Beschreibung

Sterbeinschriften auf dem Wandgrabmal der Familie Wenig, Pfeilerreihe zwischen Mittel- und südlichem Seitenschiff, vierter Pfeiler von Westen, Südseite. Vierteiliger Aufbau. Am unteren Abschluss in der Mitte Engelskopf, rechts und links auf der Vorderseite der das Grabmal tragenden Konsolen Künstlersignatur des Franz Zoia (VIII). Darüber Leiste mit Inschrift (VII). Darüber in hochrechteckigem Feld oben Trinität, Gottvater und Christus als Auferstandener mit Siegesfahne rechts und links der Weltkugel, die Putti halten, sitzend, darüber Heiliggeisttaube, rechts und links je ein musizierender Putto, rundherum Engelsköpfe und Wolken, in den beiden oberen Ecken halten Engel je ein Wappen, darunter links drei Männer, rechts sechs Frauen, kniend, darunter vier je zwei zu zwei angeordnete Schrifttafeln (III, IV, V, VI), die oberen beiden mit angedeutetem, die unteren beiden mit Rollwerkrahmen, unter den Schrifttafeln jeweils die Familien der Verstorbenen mit Wappen, alle Männer in Schaube, nur Melchior Fleck mit Goller (VI), alle Frauen in Haube und Kleid (deutscher Rock), nur die Stifterin im Hauptrelief im Mantel. Über der hochrechteckigen Tafel auf dem Gebälk des Architekturaufbaus Schrifttafel (II), darüber Giebel, auf dem Giebelfeld hochovales Medaillon mit Inschrift (I). Rote und schwarze Fassung von Wappen, Sterbekreuzen und Schrift vermutlich 19. Jahrhundert. Kalkstein.

Maße: H. 237 cm, B. 122 cm, Bu. 3,2 cm (I), 1,7 cm (II, III, IV, V, VI), 2 cm (VII, VIII).

Schriftart(en): Kapitalis (I, VII, VIII), Fraktur (II, III, IV, V, VI).

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/1]

  1. I. Medaillon am Tympanon:

     Oa) / VENERANDA / TRINITAS / Oa) / ADORANDA / VNITAS

  2. II. Schrifttafel am Gebälk:

     Anno Do(mi)ni · 1557 · den · 18 · Decembris · starb der Ehrnuest vnd wolgelert Mag(iste)r Wilhelm / Wenig · der ellterb) , Brobst Richterc) zu Nidern Lauterbach , aetat(is) suae · 63 · Anno Do(mi)ni · 15<84> / den <10 Februarij> , starb die Erntugenthafft Anna Feichtmairin sein eheliche hausfrau · / Iresd) alters im · <LXXXIX> · Jarb) · D(enen) G(ott) G(nad) Amen ·

  3. III. Schrifttafel links oben:

     Anno Do(mi)ni 1575 · den · 4 · Julijb) , starb der Ehrn=/uest vnd Wolgelert Mag(iste)r Wilhelm Wenig der Jüng=/=erb) , gewester Für(stlicher) Rathb) , vnd Mautner zu Burckhausenb) , / aetat(is) suae . 45 . Anno Do(mi)ni . <1588> . den . <1 decemb(ris)> / starb die Erntugentsam Maria Wid=/manin sein eheliche Hausfraud) . / D(enen) . G(ott) . G(nad) .

  4. IV. Schrifttafel rechts oben:

     Anno Do(mi)ni . 1565 . den . 25 . Septembrisb) , starb der Ehrn=/=uest Joachim Widenmanb) , Für(stlicher) Gerichtschreiber zu Voburgb) , / aetat(is) suae . 46 . Anno Do(mi)ni . 1575 . den . 23 . Augustib) , / starb der Fürsichtig Ersam vnd weis Sixt Fürholtzerb) , des In(n)=/ern Rathsb) , vnd Bürger alhieb) , seines alters im . 68 . Anno / Do(mi)ni . 15<93> den <2 . Junij> starb / die Erntugentsam Christina / Weniginb) , Ir beder eheliche / hausfrau , Ires alters ime)/ 59 . D(enen) G(ott) G(enad)

  5. V. Schrifttafel links unten:

     Anno Do(mi)ni . 15<86> den < . 7 . Junij .> starb der Ehrnuest vnnd / Wolgelert M(a)g(iste)r Johann Weilhamerb) , Für(stlicher) Rath vnd Castner all=/=hieb) , aetat(is) Suae . <LVIIIf) .> Annog) Do(mi)ni . 15<..> den / <---> starb die Erntugenthafft Euphe=/=mia Weniginb) , sein eheliche hausfrau, Ires / alters im <---> D(enen) G(ott) G(nad)

  6. VI. Schrifttafel rechts unten:

     Anno D(omi)ni . 15<96> den <26 Sept(embris)> starb der Edel vnd Hochge=/lert Melchior Fleck der Ertzneih) Doctor vnd der Löblichen Land=/schafft des Ertzstiffts Saltzburg bestölterh) physicus . Anno / D(omi)ni . 15<..> den <---> starb die / Erntugenthafft Barbara Weni/gin sein eheliche Hausfrau Ires / alters im <---> D(enen) G(ott) G(nad)

  7. VII. Auf der unteren Randleiste:

     HOMO VANITATI SIMILIS FACTVS EST DIES EIVSi) SICVT VMBRA PRAETEREVNT PSAL(MVS) 143.

  8. VIII. Auf den Konsolen:

     · F(RANZISCVS) · Z(OIA) · FECITj) // 1582

Übersetzung:

O zu verehrende Dreiheit, O anzubetende Einheit. (I)

Der Mensch ist der Eitelkeit ähnlich geschaffen, seine Tage gehen vorbei wie ein Schatten. (VII)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

  • Analecta Hymnica 53, 140 (I); Ps 144(143), 4 (VII).
Wappen:
Wenig1), Feichtmair2).
Schrifttafel links oben:Wenig1), Widmann3).
Schrifttafel rechts oben:Widenmann4), Fürholzer5), Wenig1).
Schrifttafel links unten:Weilhammer6), Wenig1).
Schrifttafel rechts unten:Fleck7), Wenig1).

Kommentar

Die Buchstabenformen der Kapitalis im krönenden Medaillon (I) zeigen zwei durch zahlreiche Häkchen als Zierbuchstaben ausgeführte O-Formen, daneben in einem Fall auch das für Ingolstadt bereits mehrfach belegte R mit unter die Zeile gezogener, weit nach rechts unter den nächsten Buchstaben reichender Cauda. Weniger auffällig zeigt sich die Kapitalis in Bibelspruch und Künstlersignatur (VII, VIII). Unklassisch sind hier vor allem die I mit durchgängig benutztem I-Punkt. Auch die Frakturschrift zeichnet sich durch vielfältige Zierhäkchen an den Großbuchstaben, aber auch an einigen Gemeinen aus. So finden sich bei in die Oberlänge reichenden Buchstabenformen wie l und b meist auffällige, den Buchstaben in einem weiten Kreis umfassende Zierlinien, f und k tragen hingegen kleine Häkchen an ihren Oberlängen. Häkchen werden z. B. bei abschließendem runden r benutzt. Durchgängig werden diakritische Zeichen über u in Form eines Doppelpunktes mit Zierhäkchen verwendet, sie haben keinerlei lautscheidende Funktion zwischen u und ü. Neben den als Quadrangeln, gelegentlich mit Zierhäkchen ausgeführten Worttrennern kennen alle Inschriften in Fraktur außer der Inschrift VI einen kleinen Schrägstrich auf der Zeilenmitte als Trenner von Formularteilen. Obwohl für Inschrift VI und die mit ihr verbundene Bildliche Darstellung Abweichungen von den Gestaltungsmotiven des restlichen Denkmals festgemacht werden, reichen diese jedoch nicht aus, um einen Meisterwechsel oder ähnliche Annahmen zu rechtfertigen.

Nach Riedl wurde das Epitaph im Auftrag der Witwe Anna Wenig, geb. Feichtmair, 1582 von Franz Zoia gefertigt. Es sollte neben der Inschrift für den Verstorbenen Wilhelm Wenig d. Ä. Tafeln für die Familien der das Erwachsenenalter erreicht habenden Kinder enthalten. Sterbeinschriften finden sich für den Sohn Wilhelm d. J. und die drei Töchter Christina, verw. Widenmann, verh. Fürholtzer, Euphemia, verh. Weilhamer, und Barbara, verh. Fleck, mit ihren Ehepartnern8). Noch umfangreicher ist die bildliche Darstellung, die auch noch die nächste Generation und die weiteren, wohl im Jugendalter verstorbenen Kinder Anna Wenigs zeigen.

Wilhelm Wenig d. Ä. (II) war Propstrichter in Niederlauterbach, einer zum Stift St. Emmeram in Regensburg gehörigen Propstei9). Ein Wilhelm Wenig aus Kipfenberg (Mfr.) immatrikulierte sich am 5. Juni 1511 an der Hohen Schule, erwarb 1517 den Magistergrad und gehörte am März 1517 dem Gremium der Magistri regentes der Artistenfakultät an, ob er mit Wilhelm d. Ä. identisch ist, ist nicht festzustellen10).

Wilhelm Wenig d. J. (III) immatrikulierte sich am 28. April 1542 an der Hohen Schule11). Er trat in die Dienste des bayerischen Herzogshauses, von 1565 bis 1572 war er zunächst Mautner in Wasserburg, stieg dann 1572 zum Mautner in Burghausen auf, dieses Amt hatte er bis zu seinem Tode inne12).

Joachim Widenmann (IV) war Gerichtsschreiber zu Vohburg13).

Sixtus Fürholzer (IV) wurde 1551 in den Äußeren Rat aufgenommen, 1556 gelang ihm der Aufstieg in den Inneren Rat (vgl. Nr. 226), dem er bis zu seinem Tode 1575 angehörte. Er übte verschiedene Ämter, darunter das des Bürgermeisters, aus.

Johann Weilhammer (V) war seit 1580 Kastner zu Ingolstadt, davor fürstlicher Kammersekretär in München14). Er und seine Frau verloren im Jahr der Herstellung des Wenig-Denkmals eine Tochter, für die sich ebenfalls ein Denkmal in der Franziskanerklosterkirche erhalten hat (vgl. Nr. 313).

Melchior Fleck (VI) aus Salzburg immatrikulierte sich 1566 an der Hohen Schule und wurde 1568 zum Doktor der Medizin promoviert15). Er war Landphysikus des Erzstiftes Salzburg und liegt in St. Peter in Salzburg begraben16).

Textkritischer Apparat

  1. O ornamental gestaltet mit zahlreichen Zierhäkchen.
  2. Abgrenzung von Formularteilen durch einen Schrägstrich auf der Zeilenmitte, durch Komma wiedergegeben.
  3. BrobstRichter ohne Wortabstand.
  4. Die letzte Zeile eingerückt.
  5. Ab im kleinere Schrift.
  6. Auffällige Form des V mit extrem schlanker rechter Haste, die mit dem folgenden I ligiert ist.
  7. Vor Anno weiter Abstand.
  8. Sic!
  9. V-S Verschränkung.
  10. Text auf der linken, Jahreszahl auf der rechten Konsole.

Anmerkungen

  1. Siebmacher Bg1 18.
  2. Siebmacher Bg1 22.
  3. Siebmacher Bg1 44.
  4. In geteiltem Feld ein Greif (Widenmann).
  5. Im Schildfuß ein natürlicher, liegender, beasteter Baumstamm, darüber ein oberhalber, bekleideter, bekränzter Mann, zwei natürliche, beastete Baumstämme in den Armen haltend. Vgl. auch das Wappen auf der Ratstafel Nr. 226.
  6. Siebmacher Bg1 18.
  7. Siebmacher Bg1 8.
  8. Riedl, Bildhauerfamilie 6f.
  9. Niederlauterbach, Hofmark, heute Niederlauterbach, Gde. Wolnzach, Lkr. Pfaffenhofen a.d. Ilm. Geschlossene Hofmark – Propstei des Stiftes St. Emmeram, Regensburg. Vgl. HAB Altbayern I, 14 (Pfaffenhofen) 63f.
  10. Pölnitz, Matrikel 1511, 345,29. Vgl. Biographisches Lexikon 572.
  11. Pölnitz, Matrikel 1542, 579,39.
  12. Vgl. Ferchl, Behörden 1266 zu Wasserburg, 92 zu Burghausen.
  13. Vohburg, Lkr. Pfaffenhofen a.d. Ilm. Vgl. zu Widenmann: Mathes, Vohburgs Beamte 191 und Ferchl, Behörden 1235.
  14. Vgl. Ferchl, Behörden 341.
  15. Vgl. zur Matrikel und zur älteren universitätsgeschichtlichen Literatur: Resch-Buzás, Verzeichnis 2, 16. Vgl. zur Biographie auch: Josef Andreas Oefele, Elenchus quorundam Bavariae medicorum 85, zitiert nach Ziener, Ärztebiographien 47-50.
  16. Vgl. Tietze, Denkmale 186 und Fig. 277.

Nachweise

  1. Clm 1533 p. 378f.; Oefeleana 44 Ingolstadt fol. 27r-28r; Clm 2105 fol. 198v-199v, Nr. 431-434; Cgm 3017 fol. 53v-54r; Cgm 3368 fol. 84r (Fleck); StadtA Regensburg HVOR Ms. B. 23 p. 19-21, Nr. 34; Kdm OBB I (Ingolstadt) 44; Thieme/Becker 36, 546; Kögerl, Garnisonskirche 27-29; Götz, Grabsteinbuch 104; Riedl, Bildhauerfamilie 6f., Tf. 3; Koller, Grabsteine 122, 123 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 315 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0031505.