Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 243 Franziskanerklosterkirche Mariae Himmelfahrt 1564

Beschreibung

Epitaph des Friedrich Staphylus. Südwand, westlich beim südlichen Seitenaltar. Dreiteiliger Aufbau. Auf einer Konsole, die mit einer Akanthusranke verziert ist, ruht ein Sockel mit zwei vorspringenden Säulenpodesten, auf dem rechten Podest ein Wappen, das ehemals wohl vorhandene linke Wappen fehlt, zwischen den Podesten Schrifttafel mit Inschrift (I). Darüber zwischen einer Rahmung aus korinthischer Säule und Halbpfeiler Relief, Kruzifix mit Titulus (V): Christus am Kreuz auf einem Steinhügel mit Totenkopf und Gebeinen, im Hintergrund Stadtlandschaft. Kniend, rechts die Frau in Mantel und Sturz mit Bündlein mit zwei Töchtern in Kleidern, links der Mann im Mantel mit Hängeärmel mit vier Söhnen in Kinderkleidung, alle mit Rosenkränzen in den Händen. Darüber Gebälk, über dem Gebälk Volutengiebel, ihm vorgestellt drei Schrifttafeln (II, III, IV), die mittlere von Engeln getragen, Die mittlere Tafel durch eine Doppellinie unter der Überschrift in zwei Spalten geteilt. Der Volutengiebel von einem Gebälk bekrönt, darüber Relief Büste eines Engels. Die ganze linke Seite des Denkmals stark beschädigt. Kalkstein.

Maße: H. 260 cm, B. 150 cm, H. (Schrifttafel) 28 cm, B. (Schrifttafel) 83,5 cm, Bu. 2,8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/2]

  1. I.

     VIXI . FATA TVLI STAPHYLVS . CVRSVMQ(VE) PEREGIa) DVM LEVO SVPPRESSVM RELLIGIONIS OPVSa)CHRISTE TIBI FIDENS DIMITTI CRIMINA CREDOa)EXILIVM PATRIAE SPE RELLEVANTE MEAEa)ESTO MEMOR FATI FATVS TRIA VERBA VIATORb)QVAM LEX CERTA MORI QVA(M) MALE(M) CERTA DIES

  2. II. Mittlere Tafel :

     ΒΩΜΟΣc)

    Ὁ ΜÈΝ ΑΛΗ/ΘΕΙÁΣ  ὉΔΕ ΝÓΥ 
    יהוה אל ידש 
    E̓Î  GNΏTHI ΣÉ=/AYTON. 
    QVIS AEQVA/BITVR DEO SVFFICIT TIBI / GRATIA MEA 

  3. III. Linke Tafel:

     MISERICORDIA / SVPEREXALTAT / IVDICIVM / IAC(OBVS) 2

  4. IV. Rechte Tafel:

     IVSTA ERANT / IVDICIA / EIVS / APO(CALYPSIS) XIX

  5. V.

     INRI

Übersetzung:

Ich Staphylus habe gelebt, ich habe das Schicksal ertragen und bin den Weg gegangen, während ich dem unterdrückten Werk der Religion aufhalf. Christus, dir vertrauend glaube ich, dass die Sünden erlassen werden, wobei die Hoffnung auf mein Vaterland das Exil erleichtert. Du sollst eingedenk des Schicksals sein, Wanderer, indem du die drei Worte sagst, wie das Gesetz sicher ist, dass wir sterben, wie nicht sicher ist an welchem Tag. (I)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

  • Iac 2, 13 (III); Apc 19, 2 (IV); Inschrift vom Apolloheiligtum in Delphi nach Plutarch, Περι τοῠ Ἐῐ τοῠ ἐν Δελϕοις 17, nach Ps 88,7, 2 Cor 12,9 (II).

Versmaß: Distichen. (I)

Kommentar

Hofmann will das Epitaph einem Meister zuweisen, dem jedenfalls das Denkmal des Georg Stern im Münster, vielleicht auch die Denkmäler für Hans Mair und Michael Glück zuzuordnen sind1). Von dieser Gruppe zeigt nur das Staphylus-Denkmal eine Inschrift in einer an klassischen Vorbildern orientierten Kapitalis. Die Buchstaben sind dabei eher eng gestellt, machmal bis zur Unterstellung von Buchstaben, wie z. B. beim zweiten I von DIMITTI. Zwischen den Worten finden sich deutliche Abstände, Linksschrägenverstärkung ist durchgängig berücksichtigt, das R zeigt eine mal gerade, mal stachelförmig gebildete Cauda, die stets in einem kleinen Stachel endet. M ist gerade mit bis auf die Zeile geführtem Mittelteil mit Linksschrägenverstärkung. E und F haben verkürzten Mittelbalken und oberen Balken. S, P und R wirken eher schmal.

Die obere Tafel mit den Inschriften in griechischer, hebäischer und lateinischer Sprache gibt Einblick in die Theologie des Staphylus. Das Grabdenkmal ist als ΒΩΜΟΣ –Altar bezeichnet. In einer zweispaltigen Aufstellung werden nun zwei Typen von Altar gegenübergestellt. Dem Altar der Wahrheit, steht der Altar des Verstandes gegenüber. Dem Altar der Wahrheit ist der hebräische Gottesname zugeordnet, dem Altar des Verstandes der hebräische Ausdruck für Gottesnamen. Dem folgt in das griechische EI – du bist, dem die Inschrift des Apolloheiligtums von Delphi GNΩTHI ΣΕ=/AYTON – erkenne Dich selbst, in der legendarischen antiken Tradition gegenübergestellt ist. Abgeschlossen wird die Gegenüberstellung durch zwei lateinische Zitate aus dem Buch der Psalmen und dem 2. Korintherbrief. Es wird also das Wesen Gottes als reines Sein, der beschränkten Fähigkeit des Menschen Gott zu erkennen gegenübergestellt. Staphylus Bezugspunkt ist wohl Plutarchs Dialog über das Delphische EI2).

Laut Mederer starb Friedrich Staphylus am 5. März 15643).

Staphylus (latinisiert für Stapellage von Westerholden) stammte aus Osnabrück. Sein Vater war Ludwig Stapelage, seine Mutter Anna, geb. Birckmann, aus Danzig. Nach dem Tod seiner Eltern wurde er von einem Onkel, Eberhard Birckmann, erzogen mit dem er weite Reisen durch ganz Europa unternahm. Seine ersten Studien betrieb er deshalb auch auf Schulen in Italien und Frankreich. Er studierte in Wittenberg, wo er mit Melanchthon in engerer Beziehung stand. Ab 1545 lehrte er an der Universität Königsberg und wurde Rat des Herzogs von Preußen, er geriet in Konflikt mit Gnaphaeus und Osiander. Er verließ Königsberg und wandte sich auf Anfrage des Bischofs von Breslau, Balthasar von Promitz, nach Schlesien, dort sollte er am Aufbau einer katholischen Schule mitwirken. 1554 berief ihn Kaiser Ferdinand nach Wien als Ratgeber. Im Auftrag des Kaisers beteiligte er sich an der Disputation in Worms 1557. 1559 war er beim Reichstag in Augsburg. Auf Betreiben Kaiser Ferdinands erhielt er die Würde eines Doktors der Theologie und des Kanonischen Rechts vom Papst selbst verliehen, da die Universitätsstatuten die Verleihung an einen Verheirateten verbaten. 1560 berief ihn Herzog Albrecht V. auf Wunsch des Petrus Canisius nach Ingolstadt als Superintendenten der Universität. In dieser Stellung war Staphylus sehr umstritten, nicht zuletzt wegen seines Laienstatus. Er galt zudem als Handlanger der Jesuiten, gegen deren Rolle sich der Widerstand der alteingesessenen Professoren formierte. Verheiratet war er mit Anna Hess aus Breslau, sie hatten nach der Literatur fünf Kinder4), das Grabdenkmal zeigt vier Söhne und zwei Töchter, der älteste Sohn ist als verstorben gekennzeichnet, sodass es sich bei den genannten fünf wohl um die Kinder, die das Kleinkindalter überschritten hatten, handelt.

Textkritischer Apparat

  1. Es folgt ein Gedankenstrich.
  2. OR Enklave.
  3. Der weitere Text in zwei direkt gegenüber gestellten Spalten.

Anmerkungen

  1. Hofmann, Geschichte II, 952.
  2. Für Hilfe bei Lesung und Interpretation sein Dr. Tobias Thum, Projekt Ausgabe der Schriften des Johannes von Damaskus, BAdW, herzlich gedankt.
  3. Mederer, Annales I, 282; eine ausführliche zeitgenössische Würdigung bei Rotmar, Almae fol. 114-120r.
  4. Zu Staphylus vgl. Mederer, Annales I, 282-290, vgl. auch Mennecke-Haustein, Conversio passim. Ein Sohn Johann verstarb 1578 als Student in Siena, vgl. Luschin von Ebengreuth, Grabstätten XII.

Nachweise

  1. Clm 1533 p. 376; StadtA Regensburg HVOR Ms. B. 23 p. 12f, Nr. 15 (nur II); Rotmar, Almae fol. 120r; Mederer, Annales I, 290 (nur I); Kdm OBB I (Ingolstadt) 47; Kögerl, Garnisonskirche 60-62; Hofmann, Porträts 25f.; Koller, Grabsteine 100-102 (m. Abb.).

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 243 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0024304.