Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 240† Rathaus 1563?

Beschreibung

Ratssprüche auf einer Tafel beim Eingang des Ratssaales.

Text nach Ostermair, Führer.

  1. I.

     Quisquis ad haec divae Themidos veneranda senatorLimina contendis, sit tibi cura tuiIpsas ante fores privatas desere tuasNam bene cum propriis publica nemo gerit;Non odium stimulet, non pectora concitet iraNi sit justitiae, sit procul omnis amor,Non occulos fuci, non stringam, munera dextram,Nec loquutura linqua timore tremat,Fas tibi commendat, dum cedit patria fasces.Inque sua ut vigiles, non tua lucra, cupitJudicium de te, tuleris quale ipse, sereturChristi cum adstabis judicis ante thronum.

  2. II.

     hier mein rhatsfreundt mit bedachtvor dem eintritt nimb in acht,dass dein theuer beschworne pflichtauf khain sondre neigung gricht,meide zohrn, gwalt, lieb und hassschmeichlerei khain forcht zulass,sorge für das gemaine wessen,wohin man dich ausserlesen.Dann wie du gerecht oder nitgeben hast in rhat abschidtalso auch gleich nach dein todtstreng dich würdet richten Gott

Übersetzung:

Wer immer auch als Ratsherr diese Schwelle, der zu verehrenden göttlichen Themis eilends anstrebst, es sei deine Sorge, dass du deine Privatsachen vor der Tür zurücklässt. Denn keiner kümmert sich zusammen mit eigenen Angelegenheiten gut um die öffentlichen. Nicht möge dich der Hass bewegen, nicht der Zorn deine Brust antreiben. Wenn es nicht die Liebe zur Gerechtigkeit ist, so sei jede andere dir fern. Funkle nicht mit den Augen, balle bei der Amtsführung nicht die Rechte, nicht möge die Zunge, die sprechen will, aus Furcht zittern. Das Schicksal möge dir die Vaterstadt anvertrauen, wenn sie das Rutenbündel1) übergibt. Dass du über ihren, nicht Deinen Wohlstand wachst. Von dir möge ein gerechtes Urteil geübt werden, wie du es selbst davontragen wirst, wenn du vor dem Thron des Richters Christus stehst. (I)

Versmaß: Distichen (I), Deutsche Reimverse. (II)

Kommentar

1563 gab der Rat der Stadt Ingolstadt zwei Ratsspruchtafeln in Auftrag, die von einem Steinätzmeister angefertigt wurden2). Ostermair überliefert obigen Text. Gemminger, der nur den in dieser Nummer gebotenen deutschen Text überliefert, gibt als Anbringungsort über der Tür des Saales der Gemeindebevollmächtigten an. Es ist also denkbar, dass insgesamt vier Tafeln, zwei im Saal des Magistrats und zwei im Saal der Gemeindebevollmächtigten existierten3). Ob alle Tafeln aus dem Jahr 1563 stammen oder welche diesem Jahr zuzuordnen wären ist nicht klar.

Ratsspruchtafeln waren in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts in Altbayern sehr beliebt und wurden meist auf Kalkstein, häufig in Form von Ätztafeln, angefertigt4). Die Tafeln waren meist belehrenden Inhalts und zielten auf eine gute Amtsführung des Rats ab.

Anmerkungen

  1. Rutenbündel/Fascis, Amtssymbol der höchsten Magistrate der Römischen Republik bestehend aus Rutenbündel mit hineingesteckter Axt.
  2. So Berliner, Erzgießer 10. Vielleicht handelt es sich hierbei auch um die erhaltenen Tafeln aus dem Ingolstädter Rathaussaal, diese stammen allerdings von zwei verschiedenen Meistern, vgl. Nr. 239, 240.
  3. Gemminger, Ingolstadt 221.
  4. Vgl. z. B. die Tafel für den Weilheimer Rat DI 84 (Weilheim-Schongau) Nr. 143. Vgl. auch Steininger, Steinätzplatten 646.

Nachweise

  1. Gemminger, Ingolstadt 221 (deutscher Text); Ostermair, Führer 46f.; Rathaus 55 (deutscher Text).

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 240† (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0024007.