Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 338 Niedernhall, Friedhof 1570

Beschreibung

Grabplatte der Amalia Keller geb. Klein. An der Innenseite der westlichen Friedhofsmauer im Eingangsbereich gegenüber der Leichenhalle unter einem Schutzdach, als siebter Stein von links im rechten Winkel zur Wand an einem Holzgerüst verankert, so daß Vorder- und Rückseite sichtbar sind. Zweitverwendung der Grabplatte des 1521 verstorbenen Philipp von Berlichingen (nr. 209). Für die Zweitverwendung wurde die Platte gedreht. Die jetzt nach Norden weisende Rückseite trägt in den oberen zwei Dritteln eine von schmalen Leisten gerahmte lange Versinschrift (A), im unteren Drittel unter einem von Balustersäulchen getragenen Flachbogen zwei aneinandergeschobene Schilde mit Helm; zu beiden Seiten der Helmzier Nameninitialen (B), unter den Schilden der Herstellungsvermerk (C). Verwittert, vor allem im unteren Bereich. Nach 1974 wurden alle Schriftzeichen – nicht immer korrekt – mit dunkelgrauer Farbe nachgezogen1.

Maße: H. 168, B. 76, Bu. 2,0–3,0 (A), 4,2 (B), 4,5–5,5 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    ICHa) · AMMALIAb) · KLEININc) · GEBORN ·
    ZVM · EHGMAHEL · WARD · ICH · ERKORN ·
    LORENZ · KELLERNd) · DEM · SCHVLTHAISE(N) ·
    ZV · NIDERNHALL · HOHENLOISCHEN ·
    HAB · GELEBET · IN · LIEB · VND · LEYDT ·
    BIS · MICH · GOT · ENTLICH · HAT · ERFREYDT ·
    MIT · AILF · KINDERN · DIE · ICH · GEBAR ·
    e) DARNACH · KAM · ICH · IN · TODTS · GEFAR ·
    LAG · X · TAG · SCHWERLICH · KRANCK ·
    ZV · GOT · WA(N)D · ICH · ALL MEI(N) · GEDANCK ·
    VERSCHIED · ALSO · IN · JESV · CHRIST ·
    IM · XVHVNDERTf) · DAS · GESCHEHEN · IST ·
    LXVIII · IAR · VND · DREY · VND · ZWAINZIG ·
    ALS · MAN · ZELET · DES · MONDTS · HORNIG ·
    RVHE · MV(N)g) ALS · IN · EIM · SANFTEN · SCHLAF ·
    IN · DISEM · GRAB · OHN · ALLE · KLAG ·
    DAN · WIE · MEIN · LEZTE · REDE · WAR ·
    ICH · WOLTh) · SCHLAFEN · SO · ICH · VERHAR
    BIS · MEIN · ERLÖSER · IESV · CHRIST ·
    DER · MEIN · TROST · ALLZEIT · GWESE(N) · IST ·
    MICH · VO(N) · DISM · SCHLAF · AVFWEKE(N) · WIRT ·
    VND · MIT · SICH · FV̈HREN · OHNGEIRT ·
    IN · DIE · HIMILISCHENi) · SEELIGKHAIT ·
    MIR · VON · ANFANG · DER · WELT · BERAIT ·
    DAS · SEY · GOT · LOB · IN · EWIGKHAIT ·
    M(agister) · L(orenz) · K(eller)k)

  2. B

    · L(orenz) · K(eller) · // · A(malia) · K(leinin) ·

  3. C

    · 1 · 5 ·l) // TRm) // · 70 ·

Versmaß: Deutsche Reimverse (A).

Datum: 23. Februar 1568.

Wappen:
Keller2, Klein3.

Kommentar

Auffällige Merkmale der nicht sonderlich regelmäßigen Kapitalis sind neben konsequent verwendetem spitzovalen O einige Buchstabenvarianten, die neben den Normalformen vorkommen: L mit schräg unter die Grundlinie gezogenem, gelegentlich geschwungenem Balken, N mit geschwungenem Schrägschaft, R mit gekrümmter und unter die Grundlinie verlängerter Cauda sowie K mit analog gestaltetem unteren Schrägbalken. Der I-Punkt ist nicht regelmäßig gesetzt. Als Worttrenner sind große runde Punkte in den Stein gebohrt. Eine Auflösung der Steinmetzsignatur TR ist bislang noch nicht gelungen. Die Kapitalis wurde den charakteristischen Schriftformen zufolge von demselben Maler vorgezeichnet, der im selben Jahr das hölzerne Epitaph des Ludwig von Morstein in der Niedernhaller Pfarrkirche (nr. 343) geschaffen hat.

Durch die Nameninitialen am Ende von Inschrift (A) gibt sich der Ehemann der Verstorbenen als Verfasser der wenig geglückten Verse zu erkennen. Lorenz Keller übte das Amt des hohenlohischen Schultheißen zu Niedernhall spätestens ab 1544 aus4. Eines der in Inschrift (A) erwähnten elf Kinder, Bartholomäus Keller, bekleidete später von etwa 1580 bis 1602 ebenfalls das Schultheißenamt5. Lorenz Keller hatte zusammen mit seiner Frau Amalia ein Almosenlegat von 50 fl. gestiftet, deren Zinsen am Weihnachtstag, am Neujahrstag und an St. Matthäi (21. September) den Armen zugutekommen sollten6.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe auf über die doppelte Zeilenhöhe vergrößert.
  2. Verzierter Frakturversal in doppelter Zeilenhöhe.
  3. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  4. Die Nameninitialen L und K geringfügig vergrößert.
  5. Danach als Zeilenfüller eine aus sechs Punkten gebildete Rosette.
  6. Über dem T ein Kürzungsstrich.
  7. So vermutlich statt NV(N).
  8. Das Wort durch die Bemalung entstellt.
  9. Sic!
  10. Die Nameninitialen stehen in der Zeile zentriert und sind jeweils links und rechts von einer aus sechs Punkten gebildeten Rosette und einem Zierschnörkel eingerahmt.
  11. Gruppe aus drei Punkten.
  12. Nexus litterarum, das R verkleinert.

Anmerkungen

  1. Fotos, die den früheren Zustand festhalten, in der Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
  2. Linksgewendet. Gespalten, vorn ein steigender Bär, hinten ein schrägrechter steigender Keil; Helmzier: aufgerichteter Bär zwischen Büffelhörnern.
  3. Schrägbalken, der Figur nach belegt mit einem Pfeil.
  4. Rauser, Niedernhaller Heimatbuch 170; vgl. auch ders., Niedernhaller stadteigene Urkunden 13, 38f. Nr. 5 (zu 1552).
  5. Rauser, Niedernhaller Heimatbuch 171.
  6. Ebd. 210.

Nachweise

  1. Niedernhaller Grabmale.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 338 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0033806.