Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 696 Künzelsau, Altes Rathaus 1619

Beschreibung

Eckquader mit Bauinschrift und Wappen der Baumeister. Außen an der Nordostecke des Erdgeschosses; 1995 unter dem Verputz freigelegt1. Sandstein; beide Seiten bearbeitet. I. Auf der Ostseite in breit gerahmtem eingetieften Feld die zeilenweise eingehauene Bauinschrift (A); der Rahmen senkrecht scharriert, die Zeilen mit Hilfslinien vorgeritzt. II. Auf der Nordseite ähnliche Rahmung, das Feld aber flacher eingetieft; darin oben zwei gegeneinandergelehnte reliefierte Wappen, darunter die eingehauene Jahreszahl (D); im heraldisch rechten Schild die erhaben ausgehauenen Nameninitialen (B), im linken Schild die eingehauenen Initialen (C). Beide Seitenflächen durch schräg geführte Meißelhiebe stark beschädigt.

Maße: H. 38, B. 43, T. 43, Bu. ca. 4,0 (A, B), ca. 3,0 (C), Zi. ca. 5,0 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. A

    IN DISEM 1527a) / IAR IST [DIS]b) RAT/HAWSc) VON NE=/WEMd) ERBAVET / WORDEN ·

  2. B

    P(eter) L(eicht)

  3. C

    H(ans)e) M(üller)

  4. D

    1 [·] 6 · 19 ·

Wappen:
Leicht2, Müller3.

Kommentar

Die einheitliche Gestaltung der beiden Seitenflächen des Quaders legen eine zeitgleiche Entstehung aller Inschriften nahe. Die – freilich wenig prägnanten – Schriftformen der Kapitalis in Inschrift (A) stützen diese Annahme. Während sich um 1530 keine vergleichbaren in Kapitalis ausgeführten Inschriften im Bearbeitungsgebiet finden, paßt die Schrift gut in das erste Viertel des 17. Jahrhunderts. Das M mit leicht schräggestellten Schäften und kurzem Mittelteil, das R mit stark geschwungener Cauda, das gelegentlich nach rechts kippende S und vor allem die auffälligen dreieckigen I-Punkte finden sich in derselben Form in der um 1625–27 entstandenen Inschrift am Morsbacher Tor in Künzelsau (nr. 786), so daß man sogar an die Hand desselben Steinmetzen denken kann4.

Möglicherweise übernimmt Inschrift (A) aber den Wortlaut einer älteren Inschrift. Auch die zweimal vorkommende merkwürdige Form des W als V mit eingestelltem Mittelschaft sowie das als (auf der Kante liegendes) Quadrangel mit oben und unten angesetzten Zierhäkchen geformte Schlußzeichen könnten auf eine ältere Vorlage zurückgehen. Die in der Inschrift überlieferte Nachricht bezieht sich auf einen Neubau des Rathauses, der nach einem Stadtbrand von 1522 notwendig geworden war5. Ab 1548 wurden umfangreiche Umbauten vorgenommen6, denen im Laufe des 16. Jahrhunderts weitere Ausbesserungsarbeiten folgten7.

Die Anfertigung des vorliegenden Wappensteins mit den Inschriften im Jahr 1619 steht im Zusammenhang mit einem vollständigen Neubau des Rathauses, der durch Handwerkerrechnungen belegt ist8. Die beiden Wappen bezeichnen die damals amtierenden Baumeister der Gemeinde, Peter Leicht9 und Hans Müller. Zu Letzterem vgl. nr. 786. Zu einer späteren Baumaßnahme vgl. nr. 892 †.

Textkritischer Apparat

  1. 1522 Deißinger. Die letzte Ziffer ist zwar beschädigt, die Lesung ist aber dennoch eindeutig. Die 7 hat einen fast senkrecht verlaufenden, leicht eingebogenen Schrägschaft, und auf der Grundlinie ist eindeutig kein Balken eingehauen, so daß eine Deutung als eckige 2 ausscheidet.
  2. Das gesamte Wort durch ein großes (mit Zementmörtel geflicktes) Loch in der Oberfläche zerstört, nur das obere Bogenende des S noch sichtbar.
  3. W in Form eines V mit eingestelltem Mittelschaft.
  4. Als Worttrennzeichen am Zeilenende zwei übereinandergestellte, auf der Kante liegende Quadrangel; das W in Form eines V mit eingestelltem Mittelschaft, darüber zwei dreieckige Punkte.
  5. Linke Hälfte des H zerstört.

Anmerkungen

  1. Vgl. Deißinger 12.
  2. Marke nr. M10 (gekreuzter Vierkopfschaft mit Mittelkreuzsprosse und mit im Viertelkreis nach vorn gebogenem Fuß), unten beseitet von den Initialen P und L.
  3. Oberhalbes Mühlrad über quergelegtem Schabeisen, darunter ein fünfstrahliger Stern, der von den Initialen H und M beseitet wird.
  4. Lediglich das N ist dort anders gebildet.
  5. Der Stadtbrand wird von Faust in seiner 1741 abgeschlossenen Künzelsauer Chronik erwähnt (Faust, Künzelsauer Chronik 72). Faust vermutet jedoch, daß das Rathaus noch im Unglücksjahr 1522 wieder aufgebaut wurde.
  6. Rauser, Künzelsauer Heimatbuch I, 326 mit Korrektur der knappen Angaben in Kdm. Künzelsau 56.
  7. Ebd.
  8. Rauser, Künzelsauer Heimatbuch I, 326, 328.
  9. Die Identifizierung von Peter Leicht verdanke ich Herrn Stadtarchivar Stefan Kraut, Künzelsau.

Nachweise

  1. Deißinger 12.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 696 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0069602.