Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 643 Hermuthausen (Stadt Ingelfingen), ev. Filialkirche 1611

Beschreibung

Steintafel mit Bauinschrift des Grafen Philipp Ernst von Hohenlohe. Außen an der Langhaussüdwand, über der vermauerten östlichen Spitzbogenpforte in die Wand eingelassen. Querrechteckige Sandsteinplatte mit reich profiliertem Rahmen. Oben in der Mitte des Rahmens die „Überschrift“ (A); im Feld die Versinschrift (B), von der jeder zweite Vers um Buchstabenbreite eingerückt ist; auf dem unteren Rahmen links die Datierung (C), rechts die Signatur (D). Rahmen rechts unten bestoßen; in der rechten Hälfte der Tafel ein langer, quer verlaufender Riß. Die Zeilenbegrenzungslinien sind vorgeritzt.

Maße: H. 82, B. 96, Bu. 2,0 (A, C, D), 2,8 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis (A, C, D), Kapitalis mit Einschub in Humanistischer Minuskel (B).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    ẺΥΧH́a)

  2. B

    In noVas has aeDes saCras herMethVsanasDVMb) COMES HOHNLOICÂ ILLVSTRIS DE STIRPE PHILIPPVSc)ERNESTVSd) SCEPTRVM CEPERAT IMPERII , 23 · Julij / anno 1610 .e)PRIMA FVIT CVRA , ATQVE LABOR , SVB PRAESIDE , PRIMVSCONRADO WÖLFING , HANC RENOVAREf) DOMVM ,VERBI VBI CHRISTICOLIS DET PABVLA PVRA MAGISTERg)BERNHARD HARTMANNVS , NVMINIS AVCTVS OPEDA BONE CHRISTE , COMES SEROS VT VIVAT IN AN(N)OSILLE TIBI SACRAM CONDIDIT HANCCE DOMVMMAIESTATE REPLE HANC : AETERNAMQVE ELIGE SEDEMHÎC TVA LAVS : HOMINVM HÎC STET VIGEATQVE SA/LVSh)ESTO PROCVL CALVINE : PROCVL BABYLONIE PAPAHOSPITIVM PVRAE HÎC RELLIGIONIS ERIT ·

  3. C

    ANNO M · DC · XI ·

  4. D

    M(agister) · B(ernhard) · H(artmann) ·

Übersetzung:

Wunsch (A). – Auf dieses neue Kirchengebäude von Hermuthausen: Als der erlauchte Graf Philipp Ernst aus hohenlohischem Stamm das Szepter der Herrschaft ergriffen hatte (am 23. Juli 1610), war seine erste Sorge und seine erste Bemühung, dieses Haus unter Leitung von Konrad Wölfing zu erneuern, wo Magister Bernhard Hartmann, durch die Hilfe Gottes gestärkt, den Christgläubigen die reine Nahrung des Wortes geben möge. Gib, guter Christus, daß der Graf lange Jahre lebe. Jener hat dir dieses heilige Haus gestiftet. Erfülle es mit deiner Hoheit und erwähle es zum ewigen Sitz. Hier habe Bestand und wachse dein Lob und das Heil der Menschen. Fern seist du, Calvin, fern auch du, Papst von Babylon! Hier wird eine Heimstatt der reinen Religion sein.

Versmaß: Hexameter (B, Vers 1), elegische Distichen (B).

Datum: 2. August 1610 n. St.

Kommentar

Das Gesamtbild der steifen, schmal proportionierten Kapitalis wird wesentlich bestimmt durch die kräftigen, durchweg rechtsschräg ausgerichteten Sporen an Balken- und Bogenenden. Die Betonung der Rechtsschrägen wird noch verstärkt durch die Form des A (mit stumpfer Spitze), dessen rechter Schrägschaft meist senkrecht steht, während nur der linke schräg ausgerichtet ist. Die Neigung der Schrägschäfte variiert dabei – wie auch bei V und W – erheblich. Die Cauda des R ist mit starker Krümmung umgekehrt-s-förmig geschwungen und dabei so steil ausgerichtet, daß sie nach rechts nicht über den Bogen ausgreift. Der bemerkenswert häufige Einsatz von Nexus litterarum ist nur zum Teil auf Platzmangel zurückzuführen und ist somit als bewußtes Gestaltungsmittel des Steinmetzen zu werten.

Der einleitende Hexameter der Versinschrift (B) ergibt ein Chronogramm auf das Jahr 1611. In diesem Jahr wurde auch nach Ausweis der Inschrift (C) der ein Jahr zuvor begonnene Neubau des Langhauses abgeschlossen. Von dem Vorgängerbau (des 15. Jahrhunderts?)1 blieb nur der Chorturm erhalten. Hermuthausen war stets Filial von Belsenberg, das Patronat stand dem Stift Öhringen und nach dessen Reformierung den Hohenlohe zu2. Die Ortsherrschaft übten seit 1485 die Herren von Hohenlohe aus, nach der Landesteilung 1553 die Linie Hohenlohe-Neuenstein3. Der Bauherr, Graf Philipp Ernst d. J. (1584–1628), war ein Sohn des Grafen Wolfgang II. von Hohenlohe († 1610) und der Magdalena Gräfin von Nassau-Dillenburg. Bei der Erbteilung mit seinen beiden älteren Brüdern Georg Friedrich und Kraft erhielt er 1610 den Langenburger Landesteil4. Er stand als Offizier in niederländischen Diensten und hielt sich bis 1618 zumeist in den Niederlanden auf, bevor er in seine Stammlande zurückkehrte. Zu Konrad Wölfing, dem herrschaftlichen Keller des Amts Ingelfingen, vgl. nr. 610.

Als Urheber des Inschriftentextes gibt sich in der Signatur (D) der bereits in den Distichen genannte Pfarrer Bernhard Hartmann zu erkennen. Er ist 1578 als Sohn des Hohebacher Pfarrers Jakob Hartmann geboren5. Nach Studium in Straßburg (1598, mag. 1601) war er von 1604 bis 1608 Pfarrer in Bächlingen (Lkr. Schwäbisch Hall), bevor er nach Belsenberg wechselte und dort die Pfarrei bis 1614 versah. Danach amtierte er bis zu seinem Tode 1649 in Untermünkheim (Lkr. Schwäbisch Hall).

Die Invektive gegen den Papst und gegen Calvin, die in einem Atemzug als die Feinde der reinen lutherischen Lehre hingestellt werden, findet sich auch anderwärts gelegentlich in ähnlicher Form inschriftlich ausgeführt6.

Textkritischer Apparat

  1. Griech. εὐχή.
  2. D-Versal vergrößert.
  3. P-Versal vergrößert; das dritte P verkleinert unter den Bogen des zweiten P gestellt.
  4. E-Versal vergrößert.
  5. Das nicht zum Vers gehörende Datum am Zeilenende in Humanistischer Minuskel angefügt, die Jahresangabe aus Platzmangel in kleinerem Schriftgrad in die Leerzeile gezwängt. Der Eintrag dürfte von derselben Hand stammen wie die übrige Inschrift.
  6. Das zweite E verkleinert in der oberen Zeilenhälfte.
  7. Das R aus Platzmangel verkleinert auf halber Zeilenhöhe, teilweise in den Rahmen eingehauen.
  8. Die letzten drei Buchstaben aus Platzmangel in verkleinertem Schriftgrad in die Leerzeile eingehauen.

Anmerkungen

  1. So Kdm. Künzelsau 152.
  2. Vgl. LdBW IV, 195 u. 204.
  3. Ebd. 204.
  4. Zur Person vgl. Fischer II/1, 166–187.
  5. Alle Angaben zur Person nach Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 149 Nr. 872.
  6. Vgl. DI 42 (Einbeck) nr. 142 (1610): Impia Pontificis Calvini et somnia pelle.

Nachweise

  1. StAL E 258 VI Bü 2111 (Ortsbeschreibung Hermuthausen), bes. Beilage zum Fragebogen für die OAB, Pfarrer Hummel 1829. – OAB Künzelsau 549. – LKA, A 29 Nr. 342, Pfarrbeschreibung für die Filialpfarrei Hermuthausen 1905, p. 27 (nur die letzten 2 Verse von B, dat. 1613). – Kdm. Künzelsau 152. – Rauser, Ingelfinger Heimatbuch 640, 642. – So war’s früher in Belsenberg und Hermuthausen, Belsenberg/Hermuthausen 1992, 34 (dt. Übersetzung von B, ungenau).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 643 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0064302.