Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 624 Forchtenberg, Friedhof 1609?

Beschreibung

Epitaph der Barbara Müller. Ursprünglich in der westlichen Friedhofsmauer, etwa 15 m südlich vom Eingang eingemauert; nach 1990 aus der Mauer gebrochen1 und rechts vor dem alten Standort provisorisch gelagert. Der querliegende Stein ist mittlerweile eine halbe Handbreit in den Erdboden eingesunken. Hochrechteckige Sandsteinplatte mit leicht gewölbtem Querschnitt. Umschrift (A) zwischen einfach profilierten Leisten; das Feld wird fast vollständig von einer rollwerkgerahmten Schrifttafel mit Bibelsprüchen (B) eingenommen, darunter eine Wappenkartusche, die in die untere Schriftleiste ragt und Inschrift (A) unterbricht. Stark verwittert und vermoost, weiße Ausblühungen. An der linken unteren Ecke großes, an der rechten unteren Ecke kleines Stück abgebrochen (Schriftverlust)2. Die rechte, in den Boden eingesunkene Schriftleiste wurde zur Aufnahme freigelegt.

Maße: H. 195, B. 94,5, Bu. 4,0 (A), 4,7 cm (B).

Schriftart(en): Fraktur und Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Harald Drös [1/15]

  1. A

    ANNO 160̣9a) den 28 FEBRVARIJ ist in / Gott seeliglich entschlaffen die Ehrntugentsame Fraw Barbara Müllerin geborne / [.]ạlthasin . so //b) 43 J[ahrc) . . . / – – –] gewesen Jhres alters 63 Jahr . der Gott ein fröliche vrstenṭ verl[eihe]

  2. B

    OSE : / CAP : 13 / Jch will sie Erlö=/sen ausz der Hẹlle / Vnd vom Todt er=/reṭtẹ(n) . Todt Jch will / dir eine gif̣f̣ṭ sein Hẹḷ=/le Jch will dir eine / Pestịlentẓ sein3) / PHILIP : 1 · / Christus ist mein / leben . vndt ster=/ben ist mein / gewinn4) .

Datum: 10. März 1609 (?) n. St.

Wappen:
unbekannt5.

Kommentar

Der Schwellschaft des f und des langen s ist nur schwach ausgebildet; insgesamt ist der Duktus durch ungleichmäßige Buchstabenabstände etwas unruhig. Eigenartig eckig sind die Bogenbrechungen des „runden“ Schluß-s. Auffälligste Elemente sind die reich und aufwendig verzierten Frakturversalien am Beginn der beiden Bibelzitate. Die übrigen Versalien sind etwas schlichter gestaltet. Die in Kapitalis ausgeführten Wörter haben vergrößerte Anfangsbuchstaben. Der Schrift zufolge wurde das Grabmal wohl von Michael Kern II geschaffen.

Die Lesung des Todesjahres und somit die Datierung des Grabmals ist unsicher. Eine definitive Entscheidung zwischen den beiden möglichen Lesungen 1609 und 1669 lassen auch die Forchtenberger Kirchenbücher nicht zu. Weder zum 28. Februar 1609 noch zum entsprechenden Termin im Jahr 1669 ist in den Sterberegistern eine Barbara Müller aufgeführt. Eine am 4. Juni 1609 gestorbene Barbara, Frau des Hans Müller6, kann hier nicht gemeint sein, da ein derartiger Irrtum in der Angabe des Todestages auf dem Grabmal kaum anzunehmen ist. Die in der Inschrift mitgeteilte Ehedauer von 43 Jahren könnte freilich für 1609 oder jedenfalls gegen 1669 als Todesjahr sprechen. Denn in den vermutlich einigermaßen vollständig geführten Forchtenberger Trauregistern findet sich für die Jahre um 1626, die für die Eheschließung in Frage kämen, ginge man von 1669 als Todesjahr aus, keine Heirat zwischen einer Barbara und einem Träger des Namens Müller. Für die Jahre um 1566 sind dagegen noch keine Trauregister erhalten. Vielleicht ist die Verstorbene mit der Barbara, Frau des Forchtenberger Kellers Leonhard Müller, gleichzusetzen. Das Ehepaar ist jedenfalls wiederholt zwischen 1578 und 1595 in den (1577 einsetzenden) Kommunikantenregistern verzeichnet7.

Die Schriftformen wie auch die Ornamentformen des Epitaphs widersprechen einem Zeitansatz zu 1609 nicht. Wurde die Grabplatte tatsächlich, wie vermutet, von Michael Kern II geschaffen, spräche auch dies gegen eine Entstehung erst 1669, da Kern bereits 1634 verstorben ist.

Textkritischer Apparat

  1. Die dritte Ziffer vielleicht auch eine 6; die Kerbe über der Kreislinie ist aber wohl eher eine nachträgliche Beschädigung. Der Stein ist im Bereich der letzten beiden Ziffern durch eine großflächige weiße Ausblühung an der Oberfläche angegriffen.
  2. Unterbrechung der Inschrift durch das Wappen.
  3. Ergänzung sinngemäß. Die anschließende, verlorene Textpassage lautete vermutlich im Ehstandt o. ä.

Anmerkungen

  1. Bei der vorläufigen Fotoinventarisierung, die von der Heidelberger Forschungsstelle im Februar 1990 durchgeführt wurde, stand das Grabmal noch in der Mauer.
  2. Das linke untere Eckstück war 1990 noch vorhanden, aber bereits abgebrochen. Auf dem Foto ist die Inschrift in diesem Bereich durch Erdreich, Moosbewuchs und Gestrüpp verdeckt, so daß keine Lesung möglich ist.
  3. Hos 13,14.
  4. Phl 1,21.
  5. Weitgehend zerstört. Erkennbar ist noch eine Pflanze mit drei oder fünf Blättern auf einem Dreiberg. Es ist nicht sicher, ob das Wappen das Familienwappen des Ehemanns (Müller) oder das väterliche Wappen der Verstorbenen ist.
  6. Vgl. Ev. PfarrA Forchtenberg, Kirchenbuch 1 (1577–1628) (LKA, KB Film 1338).
  7. Vgl. Ev. PfarrA Forchtenberg, Kirchenbuch 2 (1577–1630) (LKA, KB Film 1338). Zu dem Amtmann Leonhard Müller vgl. auch Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, Vorbericht 12 (Nennung zu 1601). 1607 erhielt Müller für sich und seine (nicht namentlich genannte) Frau von Graf Wolfgang von Hohenlohe einen Freiheitsbrief. Darin wird er als „Alter Keller“ bezeichnet, war also nicht mehr im Amt, und seine Amtsdauer wird mit 47 Jahren angegeben; vgl. HZAN Oe 10 119/2/11 (Abschrift).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 624 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0062407.