Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 619 Niedernhall, Hauptstr. 36 1609

Beschreibung

Rundbogenportal und zwei Steintafeln mit Haussprüchen und Bauinschriften des Stoffel Scheffer. Außen an der Nordseite des gemauerten Erdgeschosses. Die Obergeschosse des giebelständigen Hauses sind in Fachwerk aufgeführt.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

I. Rundbogenportal. Sandsteingewände mit Sitznischen. Innenkante des Bogens mit Kehle-Wulst-Profil und Perlstab-Verzierung; an der Stirn zwischen breiten, im Profil mit Perlstäben besetzten Rahmenleisten die eingehauene Inschrift (A). Ausbrüche an den Rändern der Werkstücke; restauriert.

Maße: H. 294, B. 345, Bogenstärke 31, T. 23, Bu. 5,2–6,0 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

  1. A

    Der · Herr · behiett · Deinen · Eingang · Vnd · Auszgang · von · nun ana) · bis Jnb) · Ewigkeit1) · Amen ·c) stoffell · schefferrd) · haisz · ich · wan · gott · will · so iste) menf) · zil2)

II. Steintafel mit Bau- und Hausinschrift. Im Zwickel links über dem Rundbogenportal. Querrechteckige Sandsteintafel. Die Inschrift (B) befindet sich in einem eingetieften Feld, das von einem breiten Rahmen umgeben und von einem mit Blattwerk geschmückten Volutengiebel bekrönt ist. Oberer Rand geringfügig beschnitten. Schrift mit dunkler Farbe nachgezogen.

Maße: H. 62, B. 91, Bu. 2,7 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. B

    ALS · MAN · ZALT · 16 · HVNDERT · IAR · VND · 9 · / DAR · ZV · DIE · IAR · ZAL · WAR · HAB · ICH · ALSO · / ERBAVDT · DAS · HAVS · VON · GRVNDT · AVF · BIS · OB/EN · NAVS · DVRCH HILFg) · VND · RATH · GETLICHER / HAND · STOFEL · SCHEFERh) · BIN · ICH GENANT · GOT / WEL · SEIN · GNDTi) · DARINEN · GEBEN · ALLEN · DIE / BESIZE · IN · IREM · LEBEN · VND WEL · MIT DALLENk) / DAS · DEGLICH BRODT · WEL · AVCH · BEHIETEN · FIR / FEIR · VND · WASER NOT · / DAN WO · GOT · DAS · HA/VS · NIT SELBS · BEWACHT · SO IST · VMB · SVNST / DER WECHTER MACHTl)3) ·

III. Wappentafel mit Hausspruch. Im Zwickel rechts über dem Rundbogenportal. Gestaltung wie Tafel II, hier aber in dem eingetieften Feld zwei skulptierte Wappenschilde, dazwischen die eingehauene Inschrift (C). 1974 waren in den Wappen noch Reste farbiger Fassung erhalten4, die bei einer Restaurierung beseitigt wurden. Schrift jetzt mit dunkler Farbe nachgezogen.

Maße: H. 57, B. 90, Bu. 1,8–2,0 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. C

    WER · WIL / BAVEN · AN / DIE STRASSEN / DER · MVS · DIE / LEITH · REDE(N) / LASEN5) · DAN / KAINER · IST / AVF · DISER · W/ELT · DER · BAVEN / KAN · DAS · IEDEM · GEFELT

Versmaß: Deutsche Reimverse (A, Devise; B; C).

 
Wappen:
Scheffer6, unbekannt7.

Kommentar

Die Fraktur weist neben den üblichen einige eigentümliche Doppelformen auf, so ein h mit geschwungenem Schaft und stark einwärts gekrümmtem und unter der Grundlinie nach rechts umgebogenem, gelegentlich auch leicht eingerolltem Bogen, sowie ein n, dessen Bogen in zwei kurze, gegenständige Bögen zerlegt ist und somit völlig dem Bogen-r gleicht. Charakteristisch sind die Aufwärtsstriche zwischen den Schäften von m, n und w, die ihre Entsprechung in dem Verbindungsstrich zwischen Schaft und Fahne des r finden. Der Bogen des einstöckigen a, der obere Bogen des g und der rechte Schaft des v ist mitunter mehrfach geschwungen und gebrochen. Die Versalien sind schlicht und meist schmucklos, einige sind jedoch reich mit kurzen, haarfeinen Zierhäkchen versehen. Die Kapitalis weist mit ihren Schrifteigentümlichkeiten (A mit Deckbalken und geknicktem Mittelbalken, schmales C, oben und unten spitz ausgezogenes O) auf denselben Steinmetzen hin, der 1607 die Niedernhaller Grabmäler für die Familie Burck und für Sabina von Vohenstein geschaffen hat (nrr. 601, 602). Der Zeilenumbruch nimmt auf die Verse keine Rücksicht.

Stoffel Scheffer (Schöffer) ist 1597 und 1598 als Mitglied des Niedernhaller Gerichts bezeugt8, 1603 war er Bürgermeister9, ab 1604 hohenlohischer Schultheiß10. Er dürfte spätestens 1617 gestorben sein, da für dieses Jahr Johann Konrad Wölffing als Nachfolger im Schultheißenamt bezeugt ist11.

Textkritischer Apparat

  1. nun an ohne Worttrennung.
  2. bis Jn ohne Worttrennung.
  3. Danach ein Füllzeichen in Form einer liegenden doppelten Kontraschleife. Der folgende Text beginnt auf einem neuen Werkstück.
  4. Scherer OAB Künzelsau; vgl. Anm. h.
  5. so ist ohne Worttrennung.
  6. So statt mein. der Schaft des e oben fälschlich nach links gebrochen.
  7. DVRCH HILF ohne Worttrennung.
  8. Das F verbessert aus R; bei der Bemalung wurde fälschlicherweise das R nachgezogen, so daß jetzt SCHERER zu lesen ist.
  9. So statt GNADT; Gudt Kdm. Künzelsau.
  10. So für MITTEILEN.
  11. WACHT Kdm. Künzelsau.

Anmerkungen

  1. Ps 121,8.
  2. Vgl. nr. 519 Anm. 3.
  3. Die beiden letzten Verse nach Ps 127,1. Vgl. Dt. Sprichwörter-Lexikon II, Sp. 97 nr. 2359; zu ähnlichen Hausinschriften vgl. DI 54 (Mergentheim) nrr. 276, 290 (m. Anm. 3).
  4. Foto in der Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
  5. Weit verbreiteter Hausspruch; vgl. Dt. Sprichwörter-Lexikon I, Sp. 253f. Ähnlich DI 20 (Karlsruhe) nr. 343. Vgl. auch Haussprüche und Volkskultur. Die thematischen Inschriften der Prättigauer Häuser und Geräte, Kirchen und Glocken, Bilder und Denkmäler, ges. u. bearb. v. Robert Rüegg, Basel 1970, 22 Nr. 26,1 (1618).
  6. Hufeisen, senkrecht gestellter Schlegel (Klöpfer) und senkrecht gestellte Zange, 1:2 gestellt. Zu dem aus Holz gefertigten Schlegel (die Identifizierung verdanke ich Herrn Prof. Friedrich Karl Azzola, Trebur) vgl. Juliane u. Friedrich Karl Azzola, Historische Handwerkszeichen der Schmiede, insbesondere der Hufschmiede, auf Grab- und Haussteinen in der Schwalm, in: Hess. Heimat 33 (1983) 151–155.
  7. Schräggekreuzt ein traditionelles Hufmesser und ein Hufschmiedehammer. Vermutlich das Wappen von Scheffers Ehefrau. Die Bestimmung auch dieser Handwerksgeräte verdanke ich Herrn Prof. Azzola, Trebur. Zu dem Hufmesser vgl. ausführlich und mit reichem Vergleichsmaterial Friedrich Karl Azzola, Die Geschichte des historischen Hufmessers (Wirkmessers) anhand zweier Denkmale des ausgehenden 16. Jahrhunderts vom Friedhof bei St. Peter in Straubing, in: Jber. d. Historischen Vereins für Straubing u. Umgebung 102 (2000) 183–206.
  8. Rauser, Niedernhaller Heimatbuch 71 (1597), 90 (1588 statt richtig 1598).
  9. Ebd. 203.
  10. Ebd. 171 (Stoffel „Schäffer“).
  11. Ebd.

Nachweise

  1. OAB Künzelsau 728 (nur B, ungenau).
  2. FS 600-Jahr-Feier Niedernhall 59 (nach OAB).
  3. Kdm. Künzelsau 258.
  4. Rauser, Niedernhaller Heimatbuch 148 (nach Kdm.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 619 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0061903.