Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 610 Ingelfingen, Kocherbrücke 1608

Beschreibung

Steintafel mit Bauinschrift. Ursprünglich an der mittleren Ausweichstelle auf der Ostseite der Brücke in die Brüstung eingelassen1; nach dem verkehrstechnisch bedingten Abbruch und vergrößerten Neuaufbau der Brücke 19672 jetzt am nördlichen Brückenkopf an der Talseite (Westseite) unterhalb der Brüstung eingemauert3. Querrechteckige Platte aus weißem Sandstein, darauf eine von Roll- und Beschlagwerk gerahmte Schrifttafel; oben in der Mitte des Rahmens eine Löwenmaske, in den oberen Ecken Engelsköpfe. Im Schriftfeld eine eingehauene Versinschrift (A), deren Verspaare in der Zeilenmitte jeweils durch ein größeres Spatium voneinander getrennt sind; darunter zentriert die Nennung des Baumeisters (B). In der linken Hälfte ein schräg verlaufender, mit Zementmörtel geflickter Riß; im Bereich der Ergänzung ist die Schrift neu nachgehauen. Rahmenteile abgewittert, Oberfläche schichtweise absandelnd und an mehreren Stellen großflächig schwarz verfärbt4.

Maße: H. 90, B. 189, Bu. 4,5 (A), 4,2 cm (B).

Schriftart(en): Fraktur.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A

    Als man zalt SechZeh(n) Hundert achtGrosz eisz ein hartter Wintter bracht . /Vil brucken zrisz vnd macht das manHatt disen Bau gefangen an . /Vnd in Fünff Monde(n) gar vollendtAls damals hat das Regiment . /Der Hoch vnd Wolgeborne HerrGraff Wolff von Holoch5) landsvatter . /Vnd Cunradt Welffinga) Keller warHans Grünszfeld Burgermeister dar . /Gott haltt vns all in seiner huttBewar vns Seel leib Ehr vnd gutt .

  2. B

    Michaelb) Kern Burger Zu Forchtenberg / W[e]rckmeister diser Brucken ·

Versmaß: Deutsche Reimverse (A).

Kommentar

Die Schrift ist die für Michael Kern II typische, schmal proportionierte Fraktur mit in der Grundform meist schlichten, durch einfache Kontraschleifen verzierten Versalien, deren Anschwünge teilweise, vor allem in der Meisterinschrift (B), weit nach links oben ausholen. Die linken Schäfte der mittellangen Gemeinen sind am oberen Ende fast durchweg rechtsschräg geschnitten. Der i-Punkt ist meist auffällig weit nach rechts versetzt. Die Quadrangel am Zeilenende, die hier der Markierung des Doppelversendes dienen, liegen zum Teil auf der Kante.

Augustin Faust berichtet in seiner Künzelsauer Chronik Näheres über den Bau der Brücke6, die mit fünf Bögen den Kocher überspannte. Demnach betrugen die Gesamtkosten 831 fl 7 ß. Der Werkmeister Michael Kern II führte auch den Bau der Kocherbrücken in Forchtenberg 1604 (vgl. nr. 576) und Ernsbach 1605 (nr. 586) sowie der Jagstbrücke in Schöntal 1609 (nr. 622) aus. Im Jahr des Brückenbaus unterstützte er, der zu dieser Zeit Bürgermeister in Forchtenberg war, die Stadt Ingelfingen mit einem Kredit von 150 fl zur Auslösung einer unterhalb der Brücke gelegenen Kesselmühle7, die zwei Jahre darauf abgebrochen wurde, da das für den Mühlbetrieb durch ein Wehr zurückgestaute Wasser unter anderem die neue Brücke gefährdete8.

Graf Wolfgang II. von Hohenlohe übte seit der Landesteilung von 1586 die Herrschaft als „Landsvatter“ im Amt Ingelfingen aus9. Konrad Wölfing war dort spätestens ab 1592 herrschaftlicher Keller, 1620 war er nicht mehr im Amt10. 1637 ist er als Vogt zu Schüpf (Main-Tauber-Kreis) nachweisbar11. Der in der Inschrift als Repräsentant der Gemeinde genannte Bürgermeister Hans Grünsfeld(er) ist 1596 urkundlich bezeugt als einer von drei Vertretern der Bürgerschaft in einem Markungsstreit zwischen Ingelfingen und Criesbach12.

Textkritischer Apparat

  1. Welsting Kdm. Künzelsau; Rauser.
  2. Von i nur das untere Drittel des Schafts und der nach rechts versetzte Punkt original, von c nur das obere Drittel; Rest der beiden Buchstaben in Zementmörtel ergänzt und nachgehauen.

Anmerkungen

  1. Kdm. Künzelsau 189.
  2. Vgl. R[ause]r, Zur neuen Ingelfinger Kocherbrücke, in: Hohenloher Chronik 16 (1968) Nr. 2, I. Die Brücke war im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört und 1947 wiederaufgebaut worden; vgl. die folgende Anm.
  3. Darunter eine moderne, mittlerweile völlig verwitterte Schrifttafel mit der Inschrift (Lesung nach Foto von 1973 in der Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften): Im zweiten Weltkrieg / durch Sprengung am 3.4.1945 / zerstört. / Wiederaufbau im Herbst 1947.
  4. 1973 war die Schrifttafel noch wesentlich besser erhalten; vgl. Foto (wie Anm. 3).
  5. So für Hohenlohe.
  6. Faust, Künzelsauer Chronik 55. Dort auch Angaben zu den Ausmaßen und zum Material der Brücke.
  7. Rauser, Ingelfingens stadteigene Urkunden 39 Nr. 12 (1608 X 27).
  8. Ebd. 40 Nr. 13 (1610 VIII 5).
  9. Vgl. Fischer II/1, 108.
  10. OAB Künzelsau 604. Er war sicherlich ein Verwandter des Vogts zu Langenbeutingen Wolf Burkhard Wölfing, dessen Tochter Johanna Maria 1611 Michael Kerns Sohn, den Baumeister Georg Kern, heiratete; vgl. Elisabeth Grünenwald, Georg Kern, der hohenlohesche Baumeister, in: WFr 42 (1958) 117–132, hier: 118. Konrad Wölfing („Wülffing“) ist im Dienerbuch Graf Wolfgangs von Hohenlohe, Herrschaft Weikersheim (1588–93) ohne hinzugefügte Jahresangabe als Keller zu Ingelfingen aufgeführt, so daß davon auszugehen ist, daß er bereits bei Anlage des Verzeichnisses 1588 im Amt war. Er übte diese Funktion noch 1618 aus; vgl. HZAN La 30 Bü 2447.
  11. Seine zweite Frau Ursula geb. Hyso stiftete dort 1637 einen Krankenkelch in die Pfarrkirche; vgl. DI 1 (Bad. Main- u. Taubergrund) nr. 507.
  12. Rauser, Ingelfingens stadteigene Urkunden 33f. Nr. 8 (1596 IV 8).

Nachweise

  1. Kdm. Künzelsau 189.
  2. R[ause]r, Zur neuen Ingelfinger Kocherbrücke, in: Hohenloher Chronik 16 (1968) Nr. 2, I.
  3. Rauser, Ingelfinger Heimatbuch 132 (nach Kdm.).
  4. Dienel, Werke der Künstler Kern 5, in: Mitt. d. Stadt Forchtenberg 3 (1974) Nr. 23.
  5. Rößler, Michael Kern II, 31f. (m. Abb.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 610 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0061003.