Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 593 Forchtenberg, ehem. Gemeindebackhaus (Hauptstr. 40) 1600–1606

Beschreibung

Wappentafel des Grafen Philipp von Hohenlohe-Neuenstein. Außen an der Westseite, im ersten Obergeschoß zwischen den beiden Fenstern eingemauert. Ursprünglich am 1833 abgebrochenen Brunnentor1, wo die Tafel 1756 nach der Renovierung des gesamten Tors „mit Goldgrund und Farben“ erneuert worden war2. Das Backhaus wurde an der Stelle des Stadttors errichtet, und die Wappentafel wurde zusammen mit der Schlaguhr auf das neue Gebäude übertragen. Hochrechteckige Sandsteintafel. Der obere Rand ist beschnitten (Rahmenleiste fehlt), vielleicht besaß die Tafel ursprünglich einen Dreieck- oder Segmentbogengiebel. Erhalten ist das annähernd quadratische Bildfeld, darin ein reliefiertes Vollwappen mit zwei Helmen, und darunter ein mit gekehlter Rahmenleiste eingefaßtes Schriftfeld mit der eingehauenen Inschrift. Verwittert; mehrfach restauriert, zuletzt farbig gefaßt. Dabei wurden die – offenbar bereits bei einer früheren Renovierung nicht immer sachgemäß überarbeiteten – Schriftzeichen schwarz ausgemalt, an den gänzlich zerstörten Stellen ist die Schrift lediglich aufgemalt.

Emendierte Textedition nach der üblichen Titulatur gegen den jetzigen, verfälschten Befund.

Maße: H. (Rest) ca. 90, B. ca. 85, Bu. ca. 1,5 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. Philips Graue Von Hohenloe Vnnd Herr zu / Lanngenburg etc(etera) Leüttenant G[enera]lla) V̈b[er]a) Hollanndtb) / Seelanndt w[estfr]ie[sz]lanndtc) [B]omm[eler]d) Vnnd / Thÿllerwerthe)3) etc(etera)f)

Wappen:
Hohenlohe-Langenburg4.

Kommentar

Die in unbekanntem Ausmaß überarbeitete Inschrift taugt paläographisch nicht zur näheren Datierung der Wappentafel. Philipp ist 1550 geboren als Sohn des Grafen Ludwig Kasimir von Hohenlohe-Neuenstein und der Gräfin Anna zu Solms-Laubach. Nach Studium in Straßburg und Tübingen schlug er die militärische Laufbahn ein und stieg bis zum Generalleutnant der Generalstaaten auf. Er hielt sich in dieser Funktion vorwiegend in den Niederlanden auf und war maßgeblich an dem Befreiungskampf gegen Habsburg beteiligt. 1595 heiratete er Maria, die älteste Tochter des Statthalters der Niederlande, Wilhelms I. von Oranien-Nassau. Philipp starb am 6. März 1606 in Ijsselstein5. Die in der Inschrift aufgeführte Titulatur führte Graf Philipp bereits unter Wilhelm von Oranien († 1584), zuvor hatte er ab 1577 den Rang eines Oberstleutnants bekleidet. Der genaue Zeitpunkt der Ernennung zum Generalleutnant ist allerdings offenbar nicht bekannt6. 1582 wurde er in dieser Position von Wilhelm, 1587 von Prinz Moritz von Oranien und 1590 durch die Generalstaaten bestätigt7. Letztere belehnten ihn 1600 mit der Herrschaft Liesveld (Groot-Ammers, Gem. Liesveld, Prov. Zuid-Holland), die sich zuvor im Besitz des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig befunden hatte. Da Philipp fortan in seiner Titulatur nach dem Langenburger Titel den eines „Baron von Lißfeld“ führte8, dürfte die Forchtenberger Inschrift, die diesen Titel zwar nicht explizit berücksichtigt, aber vermutlich in dem nach Lanngenburg eingefügten etc(etera) zum Ausdruck bringt, nach der Belehnung von 1600 entstanden sein. Sicherer terminus ad quem ist jedenfalls das Todesjahr des Grafen Philipp 1606.

Das Untere Tor oder Brunnentor war der westliche der beiden ursprünglichen Durchgänge durch die Stadtmauer, zu denen 1604 als drittes das Würzburger Tor im Nordwesten hinzukam (vgl. nr. 576). Die Wappentafel wurde vielleicht anläßlich einer Baumaßnahme am Torturm angebracht. Graf Philipp hatte bei der hohenlohischen Landesteilung von 1586 die Ämter Neuenstein, Forchtenberg, Kirchensall, Langenbeutingen, Michelbach und Zweiflingen erhalten und war somit seit dieser Zeit alleiniger Stadtherr von Forchtenberg9.

Textkritischer Apparat

  1. Die in eckige Klammern gesetzten Buchstaben sind nur aufgemalt.
  2. t nicht nachgemalt, aber noch schwach erkennbar. Die Schriftformen sind durch das Übermalen verfälscht.
  3. w verrestauriert, so daß jetzt zv zu lesen ist; ursprünglicher Befund aber noch zu rekonstruieren. Danach statt des e jetzt ein großer Wortabstand, die Buchstabenfolge stfr jetzt zu Ph verändert: Phienlanndt (mit einer in der Fraktur undenkbaren Form des h).
  4. Das gesamte Wort verrestauriert, ein Teil der Buchstaben ist nur aufgemalt; jetziger Befund: Pommeren!.
  5. th nur als ch ausgemalt, Oberlänge aber noch erkennbar.
  6. Danach eine liegende doppelte Kontraschleife als Ornament.

Anmerkungen

  1. Abbruch des Tors nach Rauser, Forchtenberger Heimatbuch 84, im Jahr 1833. Das Torhaus wurde erst 1838 abgerissen.
  2. Ebd.
  3. Die zu beiden Seiten der Waal gelegenen Poldergebiete Bommelerwaard (Hauptort Zaltbommel) und Tielerwaard (Hauptort Tiel) bilden den südwestlichen Teil der Provinz Gelderland.
  4. Quadriert von Hohenlohe und Langenburg, alle Figuren einwärtsgekehrt; Helmzierden: rechts Hohenlohe, links Langenburg.
  5. Zur Person vgl. ausführlich Fischer II/1, 127–163; ferner: Eur. Stammt. NF XVII, Taf. 6. Philipp wurde in der Öhringer Stiftskirche bestattet, wo sein in ein Wandgrabmal umgearbeitetes Hochgrab erhalten ist. Die ursprünglichen Inschriften dieses Grabmals sind nicht überliefert.
  6. Fischer II/1, 130. Die Ernennungsurkunde zum Oberstleutnant (1577 XI 20): HZAN La 165 II. U4.
  7. Zu den beiden letzteren Bestätigungen vgl. Fischer II/1, 130; die Bestätigungsurkunde Wilhelms von Oranien-Nassau (1582 V 3): HZAN La 165 II. U6.
  8. Fischer II/1, 153f. Die erweiterte Titulatur z. B. auf einer Gold- und einer Silbermedaille Philipps von 1604; vgl. Albrecht, Münzgeschichte 30 Nr. 15a, Taf. II.
  9. Fischer II/1, 108.

Nachweise

  1. Rauser, Forchtenberger Heimatbuch 107 (schlechte Abb.).
  2. Der Hohenlohekreis 1, 355 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 593 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0059303.