Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 572 Öhringen, Altes Rathaus 1603

Beschreibung

Türgewände mit Mahnspruch und Tür mit Jahreszahl. Eingang zum Ratssaal im zweiten Obergeschoß.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/7]

I. An der Außenseite schmales hölzernes Gewände in Form einer spitzgiebeligen Ädikula, mit einfachen Intarsien. Auf dem von kannelierten Pilastern gestützten Gebälk die aus ausgesägten, einzeln aufgeleimten und mit Goldfarbe gestrichenen Buchstaben gebildete Spruchinschrift (A). Von einigen der Buchstaben sind Teile abgebrochen, die jedoch deutliche Spuren auf dem Schriftgrund hinterlassen haben.

Maße: H. 272, B. 173, Bu. 5,5 cm.

Schriftart(en): Verfremdete Kapitalis.

  1. A

    PVLCHRAa) EST CONCORDIA CORDIS ET ORIS1)

Übersetzung:

Schön ist die Eintracht von Herz und Mund.

II. An der Innenseite prunkvolle triumphbogenartige Türrahmung aus Sandstein, Holz und Kalkschneidearbeit, bunt bemalt. In der zweistöckigen Bekrönung oben die von zwei Tugendpersonifikationen (Spes? und Fides) begleitete Figur des Jesusknabens, darunter Vollwappen mit zwei Helmen, seitlich zwei Standfiguren: links Justitia, rechts Prudentia. Der Architrav in der Mitte belegt mit einem Wappenschildchen; seitliche Rahmung durch Muschelnischen zwischen Paaren von kannelierten Pilastern und mit vorgesetzten Rundsäulen; reicher plastischer Schmuck. Die Innenseite der hölzernen, mit gravierten Eisenbeschlägen versehenen Tür ist mit zwei Kassettenfeldern geschmückt; im oberen eine geschnitzte und mit Intarsien reich verzierte Ädikula; in deren Gebälk die in erhabener Flachschnitzerei ausgeführte Jahreszahl (B), im Sockel die bei einer Restaurierung angebrachte, ebenfalls erhaben geschnitzte Jahreszahl 1950.

Maße: H. (Portal) 328, B. 315, H. (Tür) 190, B. 86, Zi. 4,5 cm.

  1. B

    1603

 
Wappen:
Hohenlohe-Langenburg; Stadt Öhringen.

Kommentar

Die Kapitalis ist einheitlich und in Anlehnung an Formen der Frühhumanistischen Kapitalis gestaltet. Die freien Schaft-, Balken- und Bogenenden sind zumeist keilförmig verbreitert und rund eingekerbt. Der Balken des L, der untere Balken des E und die Cauda des R sind markant geschwungen und am Ende rund hochgebogen. Auch der Schrägschaft des N ist geschwungen. A hat einen beiderseits weit überstehenden Deckbalken und einen geknickten Mittelbalken. Der verkürzte Schaft des offenen D reicht kaum bis zur Zeilenmitte hinauf, und der Mittelbalken des H ist nach oben ausgebuchtet. Die verspielten Zierformen der Jahreszahl auf der Innenseite der Tür passen stilistisch zu den Buchstaben der Spruchinschrift, so daß wohl davon auszugehen ist, daß beide Inschriften von derselben Hand ausgeführt worden sind. Nach E. Grünenwald handelt es sich vermutlich um eine Arbeit des Schreiners Bernhard Blumenhauer2. Die Kalkschneidearbeiten an der Innenseite des Portals wurden wahrscheinlich von dem Öhringer Michael Schenkhard ausgeführt3.

Das nach einem Brand des Vorgängerbaus 1504 neu errichtete (vgl. nr. 150) und 1570 mit einem Glocken- und Uhrturm versehene4 Rathaus wurde im frühen 17. Jahrhundert im Innern zumindest teilweise umgestaltet. Der große Ratssaal im zweiten Obergeschoß erhielt zusammen mit dem prunkvollen Portal damals auch die erhaltene Kassettendecke mit in Stuckarbeit dargestellten Personifikationen der fünf Sinne5. Im selben Jahr wurde die hintere Ratsstube im selben Stockwerk ausgemalt (vgl. nr. 573).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.

Anmerkungen

  1. Vgl. Daniel de la Feuille, Devises et Emblèmes anciennes et modernes tirées des plus celèbres auteurs, Augsburg 1697 (Wolfenbüttel Herzog-August-Bibliothek Sign. Xb 2867), 32: „concordia cordis et oris“ als Motto zu dem Bild des Avocadobaumes, dessen Blätter zungenförmig und dessen Früchte herzförmig sind.
  2. Grünenwald, Oehringen und sein Rathaus 2.
  3. Ebd. Demnach erhielt Schenkhard 120 Gulden „von dem Ips von der Ratsstuben zu machen“. Das hohenlohische Wappen wurde erst 1606 von dem Maler Hans Marquardt farbig gefaßt, wofür er 2 Gulden erhielt; vgl. ebd. 3.
  4. Martin Roth, Unter mehreren Landesherren, in: Öhringen. Stadt und Stift 117–133, hier: 119. Zur Baugeschichte allgemein vgl. Knoblauch II/1, 253–258.
  5. Knoblauch, Beschreibung Slevogt 191 erwähnt „lateinische Namen“, die angeblich als Beischriften diese Personifikationen bezeichneten. Derartige Beischriften sind aber weder erhalten noch in Slevogts Beschreibung von Öhringen von 1778 überliefert; vgl. HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) IX. Bü 271 (Öhringen).

Nachweise

  1. HZAN GA 55 (Nachlaß Albrecht) IX. Bü 271 (Öhringen). = Knoblauch, Beschreibung Slevogt 185.
  2. OAB Öhringen 115.
  3. Grünenwald, Oehringen und sein Rathaus 2.
  4. Max Esenwein, Öhringen vor 400 Jahren. Die hohenlohische Stadt im Spiegel des Eidbuchs von 1582, in: Hohenloher Chronik 11 (1964) Nr. 2, 4; Nr. 3, 1–4; Nr. 4, 1–3; Nr. 5, 3f., hier: Nr. 3, 2 (Abb. von A).
  5. Knoblauch II/1, 256.
  6. Gräter/Lusin, Schlösser 13.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 572 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0057208.