Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 545 Niedernhall, Rathaus 16. Jh./n. 1511

Beschreibung

Holztafel mit Spruch. Ursprünglich „auf einer der Türen“ im zweiten Stock (am Eingang zum Ratssaal?), vermutlich als Türsturz1, um 1960 im Amtszimmer des Bürgermeisters2. Seit 2003 im Sitzungssaal im zweiten Obergeschoß an der Südwand über der Tür in einen modernen Holzrahmen eingelassen. Querrechteckiges Brett mit eingeschnitzter zweizeiliger Inschrift; mit schwarzer Farbe gestrichen, Schrift golden ausgemalt.

Maße: H. 15, B. 79, Bu. 3,8–5,2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Fremdformen.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. Einsa) mans ret ein halbe ret : /man sol sie horen al betb)3) :c)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Die ungelenk mit flacher, unebener Kerbe eingeschnitzte Schrift ist noch weitgehend dem Formenkanon der Gotischen Minuskel verpflichtet. Die nur wenig über den Mittellängenbereich hinausragenden Schäfte von b, h und l sind tief gespalten, die gebrochenen Bögen von b und h setzen tief am Schaft an. Die Brechungswinkel sind sehr ungleichmäßig, so verlaufen etwa der obere und der untere Bogenabschnitt des Schluß-s waagerecht. Einfluß der Fraktur zeigt sich im langen s, dessen Fahne zwar noch „gotisch“ gebrochen ist, dessen Schaft aber die Grundlinie durchstößt und am unteren Ende steil rechtsschräg geschnitten ist – freilich ohne eine Schaftschwellung auszubilden. Das o ist ohne jede Brechung oval oder kreisrund.

Eine Datierung nach den Schriftformen ist aufgrund der unbeholfenen Ausführung schwierig, doch wird man sie aufgrund der Fremdformen innerhalb des 16. Jahrhunderts wohl nicht allzu früh, wegen der konservativen Minuskelformen aber wahrscheinlich auch nicht allzu spät ansetzen dürfen. Das erste Jahrzehnt scheidet ohnehin aus, da der von Kloster Schöntal 1477 errichtete Bau (vgl. nr. 84) erst 1511 für 200 fl an die Bürgerschaft verkauft worden war4 und der Spruch sicherlich erst nach dem Funktionswechsel des Gebäudes zum Rathaus angebracht wurde. Vergleichbare Rechtsweisheiten, die das gute Regiment zum Inhalt haben, finden sich auch andernorts in inschriftlicher Ausführung in und an Rathäusern5.

Textkritischer Apparat

  1. Seltsamer E-Versal in Form eines Zweigs oder einer Blattranke.
  2. D. h. alle beide.
  3. Danach eine vierblättrige Blüte mit Kelchblättern als Zeilenfüller.

Anmerkungen

  1. OAB Künzelsau 728.
  2. Kdm. Künzelsau 255.
  3. Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Ruth Schmidt-Wiegand u. Ulrike Schowe, München 1996, 235f.
  4. Vgl. Taddey, Das Rathaus 18.
  5. Derselbe Wortlaut z. B. im Goslarer Rathaus, vgl. DI 45 (Stadt Goslar) nr. 59 A13 (n. 1510?); außerdem im Nördlinger Rathaus (1582); leicht variierter Text in Lübeck, Kassel, Frankfurt am Main, Basel, Winterthur, Nürnberg und Ulm; vgl. Deutsche Reime. Inschriften des 15. Jahrhunderts und der folgenden, gesammelt v. H. Draheim, Berlin 1883, 24.

Nachweise

  1. OAB Künzelsau 728.
  2. FS zur 600-Jahr-Feier Niedernhall 59.
  3. Kdm. Künzelsau 255.
  4. Rauser, Niedernhaller Heimatbuch 134 (nach Kdm.), 185 (Abb.).
  5. Taddey, Das Rathaus 33f. (m. Abb.).
  6. Carlheinz Gräter/Peter Fuchs, Hohenlohe. Bilder eines alten Landes, Stuttgart 1984, 84.
  7. Walter Nimmerrichter, Niedernhall. Eine der ältesten Dauersiedlungen Württembergs (Heimatbücher 15), Fellbach 1985, 61.
  8. Der Hohenlohekreis 2, 173.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 545 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0054501.