Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 509 Waldenburg, ev. Stadtkirche 1597, 2. H. 17. Jh.?

Beschreibung

Kanzel. Der steinerne Kanzelfuß steht heute an der Westwand des südlichen Seitenschiffs am Aufgang zur Empore, während der Kanzelkorb 1972 auf einem niedrigen modernen Steinsockel rechts am Chorbogen aufgestellt wurde.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/7]

I. Kanzelfuß aus Sandstein, bemalt. Auf einem hohen viereckigen, an drei Seiten mit Flachornamenten geschmückten Sockel erhebt sich über quadratischer Basis eine marmorierte Rundsäule, die am Säulenhals mit sechs halbrunden Schilden belegt ist und ein sechseckiges Kapitell mit breit ausladendem, kanneliertem Echinus besitzt. Auf dem niedrigen, sechseckigen Abakus ist umlaufend ein Bibelspruch (A) mit schwarzer Farbe aufgemalt; auf einem Segment des Echinus oben auf der Wölbung die flüchtig aufgemalte Signatur (B).

Maße: H. 211, B. 55, T. 62, Bu. 3,0 (A), 0,6–1,0 cm (B).

Schriftart(en): Fraktur (A), schrägliegende Humanistische Minuskel (B).

  1. A

    Seÿd Thater / des Worts · un/d nicht Hörer / allein · womit ih/r eüch selbst bet/riget1) · Jacob · 1 · c(apitel) · 22 ·

  2. B

    J C Hoffman(n) [. . . .]ita) · et fecit · / · 1 [5] · 97 ·

II. Sechseckiger Kanzelkorb aus Sandstein, bemalt. Die vier Brüstungsplatten werden oben und unten von einem breiten Sims gerahmt. Alle Seitenflächen sind einheitlich in der Mitte in zwei Bildzonen geteilt, wobei oben jeweils zwei Szenen des Alten Testaments und unten zwei typologisch korrespondierende Begebenheiten des Neuen Testaments dargestellt sind. Unter den Bildern sind in weißen Randstreifen mit schwarzer Farbe erläuternde Verse aufgemalt (C–K). Von links nach rechts: 1. oben Erschaffung von Adam und Eva (C), darunter Mariae Verkündigung und Christi Geburt (D); 2. oben Opferung Isaaks und Moses mit der Ehernen Schlange (E), unten Christus am Ölberg und Kreuzigung (F); 3. oben Meerwurf und Ausspeiung des Jonas (G), unten Grablegung und Auferstehung Christi (H); 4. oben Himmelfahrt des Elias und Übergabe des Mantels an Elisäus (I), unten Himmelfahrt Christi und Pfingstwunder (K). Auf dem unteren Sims des Kanzelkorbs ist umlaufend ein Bibelspruch (L) aufgemalt, der wohl ursprünglich mit – jetzt fast völlig vergangener – Goldfarbe aufgetragen war und nur stellenweise mit gelber Farbe nachgemalt wurde. Auch die Beischriften (C–K) dürften in ihrer heutigen Form das Ergebnis einer späteren Übermalung sein. Auf der zweiten Seitenfläche des Kanzelkorbs ist unten in der Mitte unter Inschrift (F) Stz. nr. 26 eingehauen, das sich ein weiteres Mal auf dem Sims darunter befindet; auf der ersten Seitenfläche des Kanzelkorbs an entsprechender Stelle Stz. nr. 39, auf der dritten und vierten Fläche Stz. nr. 40.

Maße: H. 128, B. 121, Bu. 1,0–1,2 (C–K), 3,7 cm (L).

Schriftart(en): Fraktur.

  1. C

    Hier Bildet Gott Ausz Erd Des Adams Sehönenb) Leib / Ausz Dessen Seilenc) Ripp Auch Wundersam sein Weib .

  2. D

    Jm Jungfrauv Mutter=Leib Vom Heiljgen Geist Auch Jst / Empfangen Vnd Daraus . Gebohren Jesus Christ .

  3. E

    Jm Glauben Abraham Gott Opffert Seinen Sohn / Die Ehrne Schlang Erhöht Jm Glauben Heilet Schon

  4. F

    Der Blutig Jesus=Schweisz Aus Creütz Erhöht , Sein Tod / Hilfft Allen Glaubigen · Ausz Seel= Vnd Leibes=Nothd)

  5. G

    Jns Walfischs Bauch Als Grab Kam Jonas · und Zur Hand / Am Dritten Tag · Aufs Neu Gespien An Dasz Landd)

  6. H

    Der Tode Lebens Fürst Am Abend Kam Jns Grab / Steht Auf Am Dritten Tag Vnd Büszt Die Sünden Ab

  7. I

    Elias Fähret Auf Schickt Seinen Geist Herab / Elisa Rach Verspruch , Mit Doppelt Reicher Gabd)

  8. K

    Selbst Jesus Fehrete) Auf · Sendt Seinen Geist Herab / Denf) Jüngern = Nach verspruch Mit Grosser Wunder Gabd)

  9. L

    [– – –] / G[ottes] Wort ·g) darum Höret · / [– – –] / Gotth) [. . . . . . . . .]2) cap . 47 versz ·

Versmaß: Deutsche Reimverse (C–K).

Kommentar

Die Kanzel wurde bislang in die Zeit „um 1680“ datiert3. Dabei wurde die nur flüchtig ausgeführte und zudem stark verblaßte Künstlersignatur auf dem Kanzelfuß nicht beachtet. Dem Befund nach kann die Jahreszahl m. E. nur als 1597 gelesen werden. Der hier genannte Künstler war vermutlich der Haller Maler Jakob Hoffmann, der 1589 und 1601 auch zwei Epitaphien für die Waldenburger Kirche geschaffen hat (nrr. 444, 559). Allerdings weicht die Art der Signatur von der üblichen des Malers ab; rätselhaft ist vor allem die zweite Namensinitiale C. Die Inschrift (A) dürfte noch weitgehend ursprünglich sein. Der markante Wechsel von fetten Schattenstrichen und äußerst feinen rechtsschrägen Haarstrichen sowie die Form der Versalien ist vergleichbar mit den nachgemalten Resten der Inschrift (L) auf dem unteren Rand des Kanzelkorbs, so daß auch diese zeitgleich zu sein scheint. Dagegen weisen die wenig kunstvollen Bilder auf den Brüstungsplatten stilistisch in die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Versbeischriften taugen aufgrund ihrer offensichtlichen späteren Übermalung nicht zur zeitlichen Einordnung. Da der Kanzelkorb nach Ausweis des Steinmetzzeichens nr. 29, das auch auf den beiden 1590 geschaffenen Portalen der Waldenburger Stadtkirche (nr. 456) und an zwei der vier Langhauspfeiler erscheint, wie der Kanzelfuß aus dem späten 16. Jahrhundert stammt, müssen die Bilder nachträglich stark übermalt worden sein4. Eine stilistische Ähnlichkeit mit den – freilich ihrerseits sehr inhomogenen – Werken Hoffmanns5 läßt sich jedenfalls nicht feststellen. Ob daher die Versinschriften (C–K) auf einer Vorlage von 1597 beruhen, läßt sich nicht mehr entscheiden. Immerhin steht durch die Signatur (B) und das Steinmetzzeichen fest, daß die Kanzel in ihrer ursprünglichen Form bereits im Zuge des Kirchenneubaus des ausgehenden 16. Jahrhunderts6 errichtet wurde.

Textkritischer Apparat

  1. Die noch sichtbaren Schriftreste am Beginn des Worts erlauben keine sinnvolle Lesung.
  2. Sic!
  3. So jetzt statt Seiten.
  4. Danach ein Linienspiel als Zeilenfüller.
  5. Über dem ersten e zwei Umlaut-Punkte.
  6. Vor dem Wort ein Linienspiel.
  7. G[ottes] Wort · fast völlig verblaßt und nicht nachgezogen, in Konturen aber noch zu erkennen.
  8. Gott fast völlig verblaßt und nicht nachgezogen, in Konturen aber noch zu erkennen.

Anmerkungen

  1. Jak 1,22.
  2. Jh 8,47. Nach dem Text der Luther-Bibel : „Wer von Gott ist, der höret Gottes wort. Darumb höret jr nicht, denn jr seid nicht von Gott“.
  3. Vgl. Dehio Baden-Württemberg I, 815.
  4. Vgl. Anm. 6.
  5. Vgl. Deutsch, Jakob Hoffmann passim.
  6. Vgl. nrr. 456, 483. 1681 erhielt der Waldenburger Schreiner Hans Philipp Schuhkrafft den Auftrag, „eine gantz neue Cantzel sauber (zu) verfertigen, eine neue Stiegen dazu (zu) machen und bemelte Cantzel an dem Chorbogen auf(zu)richten“; vgl. Schmidt, Waldenburg 75f. Dies paßt mit dem heutigen Befund des noch ursprünglichen steinernen Kanzelkorbs nicht zusammen. Der Auftrag scheint demnach nicht ausgeführt worden zu sein. Vielleicht wurde damals aber die Bemalung erneuert.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 509 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0050902.