Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 275 Öhringen, ehem. Seelhaus (An der Walk 3) 1553

Beschreibung

Portalsturz mit Grundsteinlegungsinschrift. Segmentbogenportal außen an der Südseite des traufständig zur Gasse hin ausgerichteten Gebäudes. Gewände aus rotem Sandstein mit an den Kämpferpunkten überstabtem Rundstabprofil. Auf dem aus zwei Werksteinen bestehenden Sturz die in zwei Zeilen eingehauene und mit dunkler Farbe nachgezogene Inschrift. Stark verwittert; großflächige Ergänzungen, auch im Bereich der Inschrift, die an diesen Stellen neu eingehauen wurde. Die beiden Portalpfosten nicht mehr original. Links oberhalb des Türsturzes ist ein – sicherlich gleichzeitig entstandener – Wappenstein eingemauert.

Maße: H. 101, B. 204, T. 25, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

  1. Alls · man zalltt · nach · Ch(ri)stia) · geburtt · vns[ers · Erlose]rsb) Mc) · 5 · 53 · Jar · vn(d) · Jm · / mittwuch · Nachd) · Lettare · ist · der · Erst · [stein · gelegt]e)

Datum: 15. März 1553.

Wappen:
Stadt Öhringen1.

Kommentar

Die deutlich ausgeprägten Oberlängen der schmal proportionierten Minuskel sind rechtsschräg geschnitten. Der Bogen des h ist lediglich oben spitz gebrochen, ansonsten aber ganz ausgerundet und reicht bis weit unter die Grundlinie. Ebenfalls völlig ausgerundet ist der untere Bogen des zweistöckigen z. Der breite A-Versal am Beginn der Inschrift ist weit unter die Grundlinie vergrößert. Aufgrund der weitgehenden Zerstörung sind nicht mehr alle Einzelheiten zu erkennen, doch scheint der stumpfwinklig nach oben gebrochene und seitlich nicht überstehende Deckbalken an der Spitze und an den Ecken mit kleinen Dreiecken verziert zu sein. Der Mittelbalken ist verdoppelt und geknickt. Die übrigen Versalien sind sehr schlicht. C hat eine spitz ausgezogene Bogenschwellung, und der Schrägschaft des spiegelverkehrten N ist markant geschwungen und als haarfeine Linie ausgeführt. E scheint, falls die ergänzten Passagen sich am ursprünglichen Befund orientieren, dem Kapitalis-Alphabet entnommen zu sein. Während die Gotische Minuskel in Öhringen auf Grabdenkmälern schon im frühen 16. Jahrhundert von der Frühhumanistischen Kapitalis und dann von der Kapitalis völlig verdrängt wird, ist die vorliegende Bauinschrift ein bemerkenswert spätes Zeugnis für die Verwendung dieser Schriftart im inschriftlichen Bereich.

Das in der südöstlichen Ecke der Öhringer Altstadt errichtete, drei Stockwerke hohe Gebäude2, das mit seinem Ostgiebel auf der Stadtmauer aufsitzt, diente als Wohnheim für etwa dreißig gebrechliche, alte und bedürftige Frauen. Verwaltet wurde das sogenannte „Seelhaus“ von der Stiftungspflege, deren Grundlage die Stiftung des „Reichen Almosens“ durch Graf Albrecht II. von Hohenlohe an die Stadt Öhringen im Jahre 1490 bildete3. Wegen der Lage des Hauses direkt an der Stadtmauer lief der Wehrgang bis zu seiner Entfernung im 19. Jahrhundert durch das 1. Obergeschoß des Gebäudes. Das Haus wurde in einer für die damalige Zeit ausgesprochen fortschrittlichen Wandfachwerktechnik errichtet4. Das Erdgeschoß wurde vom Öhrn in der Mitte, von einer gemeinsamen Wärmestube, von der Gemeinschaftsküche und vermutlich von weiteren Wirtschafts- und Lagerräumen eingenommen, während in den Obergeschossen die Kammern untergebracht waren5. Unter der Osthälfte des Hauses liegt ein von einem älteren Gebäude stammender Keller, dessen Hals und Eingang später mehrfach erneuert wurden6.

Textkritischer Apparat

  1. Kurzer waagerechter Kürzungsstrich durch den Schaft des h.
  2. Die zwischen eckige Klammern gesetzte Textpassage in verfälschten Schriftformen ergänzt; vns davor vielleicht auch komplett erneuert oder zumindest nachgehauen.
  3. Der linke Schaft des M in der Mitte durchkreuzt.
  4. N spiegelverkehrt.
  5. Die zwischen eckige Klammern gesetzte Textpassage in verfälschten Schriftformen ergänzt; Erst · davor vielleicht auch komplett erneuert oder zumindest nachgehauen.

Anmerkungen

  1. Schräggelegter Schlüssel in schräglinksgeteiltem Schild.
  2. Darüber ein ursprünglich dreigeschossiges Satteldach, dessen beide oberen Geschosse 1991 abgebrannt sind; vgl. Gromer (wie unten) 53.
  3. Zu der Stiftung vgl. u. a. Martin Roth, Unter mehreren Landesherren, in: Öhringen. Stadt u. Stift 117–133, hier: 129f.
  4. Vgl. dazu ausführlich Gromer (wie unten) 57–60.
  5. Ebd. 65f.
  6. Ebd. 65 sowie hier nr. 900.

Nachweise

  1. Knoblauch II/1, 317.
  2. Johannes Gromer, Das Seelhaus in Öhringen. Ergebnisse einer baugeschichtlichen Untersuchung des Hauses auf der Walk 3, in: Südwestdeutsche Beiträge zur historischen Bauforschung 2 (1994) 53–67, hier: 53, 62 (nur erwähnt), 63 (Abb.).
  3. Öhringer Bürgerhäuser 2, 137 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 275 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0027504.