Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 198 Ingelfingen, Friedhofskapelle St. Anna 1518

Beschreibung

Zwei Steinquader mit Bauinschriften.

I. Steinquader mit Grundsteinlegungsinschrift. Außen an der Westwand über dem vermauerten Spitzbogenportal. Sandstein, ringsum eingeputzt. Von dem Quader ist nur ein freigelegter querrechteckiger Abschnitt der Stirnseite sichtbar, der zwei zeilenweise durch Ritzlinien gerahmte Schriftzeilen zeigt. Die Zeilenenden, die schon zuvor beschädigt waren1, liegen unter Putz. Verwittert; kleinere Ausbrüche an der Oberfläche.

Maße: H. (freigelegte Fläche) 29, B. 72, Bu. 9,0–10,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

  1. Anno · d(omi)ni [·] m · vc xviii vff [dens]/taga) · petri · pauli wart · d(er) · erst stey(n) [g(elegt)]b)

Datum: 19. Juni 1518.

II. Steinquader mit Angabe des Baujahrs und Heiligennamen. Außen an der Südseite des Langhauses, rechts neben dem westlichen Fenster in Brusthöhe eingemauert. Sandstein. Unter dem Verputz ist von der Fläche des Quaders nur die Schriftzeile freigelegt, die ringsum von Ritzlinien eingerahmt wird. Den größten Teil des gerahmten Feldes nimmt die Angabe des Baujahrs (A) ein. Außen ist an beiden Seiten jeweils ein quadratisches Feld abgegrenzt, in dem über einem quergelegten Steinmetzzeichen (Stz. nr. 8) der Name der Patronin der Kapelle eingehauen ist (B, C). Verwittert; zahlreiche kleinere, bei einer Restaurierung 1977/78 ausgebesserte Ausbrüche an der Oberfläche. Schwarze Farbreste in den Schriftkerben.

Maße: H. (freigelegte Fläche) 18, B. 109, Bu. 8,5–10,0 (A), 1,7 cm (B, C).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A), Frühhumanistische Kapitalis und Gotische Minuskel (B, C).

  1. A

    · ANNO · D(OMI)NIc) · 15 · 18

  2. B

    AnnA

  3. C

    AnnA

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

Kommentar

Die Gotische Minuskel der Grundsteinlegungsinschrift ist äußerst unbeholfen ausgeführt. Die Buchstaben sind sehr schmal und gestreckt, die Schäfte sind unterschiedlich breit und mit uneinheitlicher Ausrichtung, gelegentlich sogar mit krummer Strichführung eingehauen. Die Brechungen der Bögen und Schäfte sind häufig ausgerundet (d, o, v, w), im Kontrast dazu sind einige Bögen (g, p) rechtwinklig gebrochen. Ober- und Unterlängen sind nur schwach ausgeprägt und meist waagerecht geschnitten. Soweit erkennbar, sind f und langes s als Buchstaben mit Unterlänge (ohne Brechung des unteren Schaftendes) konzipiert. An die Fahne des r ist ein dünner, mitunter geschwungener Zierstrich angehängt. Als Worttrenner dienen in der ersten Zeile Dreiecke, in der zweiten Zeile Quadrangel. Der A-Versal ist trapezförmig und hat einen beidseitig überstehenden Deckbalken und einen geknickten Mittelbalken.

Deutlich besser stilisiert und ausgeführt ist die Frühhumanistische Kapitalis der Inschrift (A). Die Schäfte verlaufen jeweils auf der einen Seite gerade, auf der anderen Seite sind sie nach innen durchgebogen, an den dadurch keilförmig verbreiterten Schaftenden schräg geschnitten und in der Schaftmitte mit Halbnodus (bei I mit Nodus) besetzt. Auch der Schrägschaft des N ist mit einem Halbnodus verziert. A hat einen nur einseitig nach links ragenden Deckbalken, einen senkrecht gestellten rechten Schaft und einen linksschrägen Mittelbalken. O ist oval, das weit offene unziale D dagegen fast kreisrund. Der Schaft der 1 ist fast halbrund nach rechts durchgebogen und am oberen Ende zu einem kräftigen, tief eingekerbten Keil verbreitert. Als Trennpunkte dienen Quadrangel, zum Teil mit oben und unten angesetzten, verschiedenartig gestalteten Zierlinien. Die kleinformatige Schrift der Inschriften (B) und (C) ist einfacher, bemerkenswert ist das übermäßig breite, in Inschrift (C) zudem leicht trapezförmige A mit beidseitig überstehendem Deckbalken und geknicktem Mittelbalken. Die N weisen an den Schaftenden kräftige Quadrangel auf und sind folglich als Gemeine der Gotischen Minuskel aufzufassen. Dieselben Schriftformen verwendete der Steinmetz auch im Innern der Kapelle (vgl. nr. 201).

Nach der Grundsteinlegung im Juni 1518 scheint nach Ausweis der Inschrift (A) der Kapellenbau noch im selben Jahr abgeschlossen worden zu sein. Das Steinmetzzeichen auf Quader II, das am Bau wiederholt auftritt, begegnet auch an der Ingelfinger Pfarrkirche (vgl. nr. 121) und dürfte den für die Errichtung der Kapelle verantwortlichen Baumeister bezeichnen2. Die westlich vor der Stadt errichtete Kapelle erhielt erst nach der Verlegung des Friedhofs von der Pfarrkirche hierher in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts die Funktion einer Friedhofskapelle. Die hl. Anna, die in den Inschriften (B) und (C) angerufen wird, ist die Patronin der Kapelle, ihr Name ist auch im Innern des Gebäudes inschriftlich ausgeführt (nr. 201).

Textkritischer Apparat

  1. Ergänzung nach OAB Künzelsau: denstag „schwach, aber sicher lesbar“; d(ens)/tag Kdm. Künzelsau.
  2. Ergänzung nach OAB Künzelsau.
  3. Der Kürzungsstrich oberhalb der Rahmenlinie.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kdm. Künzelsau 174: „an der rechten Seite stark beschädigt“.
  2. Ebd.

Nachweise

  1. OAB Künzelsau 598 (nur I).
  2. LKA, A 29 Nr. 2201, Pfarrbeschreibung für die Pfarrei Ingelfingen 1905, p. 65 (nur erwähnt).
  3. Kdm. Künzelsau 174 (nur I, II.A).
  4. Ev. Nikolauskirche 12 (nur I).
  5. Ehrmann, Grabmäler (m. Abb.).
  6. Rauser, Ingelfinger Heimatbuch 138 (nach Kdm.) – Heinrich Ehrmann, Der Ingelfinger Friedhof (I), Oktober 2000 (Typoskr., Exemplar im KrAHK), o. S.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 198 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0019803.