Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 123(†) Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche) um 1497?

Beschreibung

Figürliche Gewölbekonsolen an den acht Langhauspfeilern zwischen Mittelschiff und Seitenschiffen. Auf den zum Mittelschiff weisenden Seiten der Pfeiler, bei der südlichen Pfeilerreihe auch auf der Seitenschiffseite, jeweils die Büste eines Mannes oder eines Engels mit Schriftband. Sandstein, farbig gefaßt, die Inschriften mit schwarzer Farbe auf weißem Grund aufgemalt. Der heutige Befund weicht zum Teil erheblich von dem kopial überlieferten des 19. Jahrhunderts ab und ist das Ergebnis einer unsachgemäßen Neufassung, sowohl was den Wortlaut als auch was die Schriftformen betrifft. Die Edition der einzelnen Inschriften folgt daher der Kopialüberlieferung, soweit eine solche vorliegt. Ursprünglich waren über einigen der Büsten außerdem Namen oder Bibelstellenangaben aufgemalt. Diese Inschriften wurden bei der Neufassung nicht mehr berücksichtigt und sind jetzt spurlos getilgt.

Nördliche Pfeilerreihe, Mittelschiffseite, von Osten nach Westen: I. junger Mann mit Kappe, darüber eine schon im 19. Jahrhundert nicht mehr lesbare Inschrift, auf dem Schriftband Inschrift (A); II. bartloser Mann in Gelehrtentracht mit Barett, darüber Inschrift (B), auf dem Schriftband (C); III. junger Mann mit spitzer „phrygischer“ Mütze, darüber Inschrift (D), auf dem Schriftband (E); IV. bärtiger Mann ohne Kopfbedeckung, auf dem Schriftband Inschrift (F).

Südliche Pfeilerreihe, Mittelschiffseite, von Osten nach Westen: V. Maria mit Jesusknabe, ohne Inschrift (ehem. Kanzelpfeiler); VI. barhäuptiger, bärtiger Mann mit engem, geknöpften Gewand, darüber Inschrift (G), auf dem Schriftband (H); VII. bärtiger König, den rechten Zeigefinger erhoben, mit dem linken auf das Schriftband deutend, über der Figur Inschrift (I), auf dem Schriftband (K); VIII. junger Mann mit schulterlangem, gelocktem Haar, darüber Inschrift (L), auf dem Schriftband (M).

Südliche Pfeilerreihe, Südseite, von Osten nach Westen: IX. bartloser Mann in enganliegendem modischen Gewand und Hut mit breiter, wulstartiger Krempe, Inschrift (N); X. Engel, Inschrift (O); XI. Engel, Inschrift (P); XII. junger, bartloser König mit Lilienszepter, Inschrift (Q).

Inschriften (A)–(F), (H)–(M) nach Albrecht (HZAN GA 55 IX. Bü 272), (G) nach Albrecht (HZAN GA 55 IX. Bü 273), (N)–(Q) nach derzeitigem Befund.

Siehe Lageplan.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien1.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/18]

  1. A

    Panem celi dedit eis2) . p(s)a(lm)(us)a) . lxxuii ·b)

  2. B

    Th(om)as · de aq(ui)noc)

  3. C

    Ecce panis angelorum3)

  4. D

    Moyses // Exodi XII .

  5. E

    Hic est panis de celo · dat(us)d)4)

  6. F

    Panem de caelo praestitisti eise)5)

  7. G

    petrif) · p(er)lonag) · / p(ro)h) eccl(es)ia R(esponde)ti) · taloik)

  8. H

    Jlla est benedicta inter filias hierusale(m)l)6) .

  9. I

    Sal(omonis) . Can(tici) . VI .

  10. K

    Que est illa que uadit quasi aurora (con)surgensm)7)

  11. L

    Balaa(m)8)

  12. M

    Orietur stella ex Jacob9) .

  13. N

    Deo soli [gl]oria

  14. O

    Jubilate deo , omnis terra10)

  15. P

    Allel(uia) confitemini dom[ino]11)

  16. Q

    Benedictu[s q]ui [u]enit in [. . . . .] domini12)

Übersetzung:

Das Brot des Himmels hat er ihnen gegeben. (A) – Siehe, das Brot der Engel. (C) – Hier ist das vom Himmel gegebene Brot. (E) – Brot hast du ihnen vom Himmel gegeben. (F) – Jene ist die gesegnete unter den Töchtern Jerusalems. (H) – Wer ist jene, die da schreitet, gleichsam aufsteigend wie die Morgenröte? (K) – Es wird ein Stern aufgehen aus Jakob. (M) – Gott allein die Ehre. (N) – Lobpreiset Gott, alle Welt! (O) – Hallelujah, bekennt lobend dem Herrn! (P) – Gesegnet, wer da kommt, im (Namen) des Herrn. (Q)

Kommentar

Die alttestamentlichen und liturgischen Texte in den Schriftbändern an den Nordpfeilern sind auf das christliche Abendmahl zu beziehen, die an der Innenseite der südlichen Pfeiler auf Maria und auf Christi Geburt. Die Gewölbekonsolen wurden sicherlich in nicht allzu großem zeitlichen Abstand zur Einfügung der Gewölbeschlußsteine des Langhauses (vgl. nr. 70) um 1497 farbig gefaßt und mit den Inschriften versehen.

Textkritischer Apparat

  1. Ursprünglicher Befund nach der Abzeichnung Albrechts: p, danach wohl ein us-Haken mit übergeschriebenem offenen a.
  2. Jetziger Befund: Panem coeli dedit eis . Ps . 78 . 24.
  3. So nach der buchstabengetreuen Abzeichnung Albrechts eindeutig zu lesen. Albrecht selbst konnte den Befund nicht deuten und edierte (Albrecht, Stiftskirche Oehringen): Elias de a…
  4. Jetziger Befund: Hic est panis de coelo da[. . .] . Ex . 16 . 15 .
  5. Jetziger Befund: Panem de coelo praestitisti eis . Ps . 105 , 40 .
  6. Albrecht (HZAN GA 55 IX. Bü 273); petr . . Albrecht, Stiftskirche; fehlt Albrecht (HZAN GA 55 IX. Bü 272).
  7. Sic! Befund nach der getreuen Nachzeichnung aber eindeutig; emend. p(er)sona Albrecht, Stiftskirche.
  8. Albrecht (HZAN GA 55 IX. Bü 273); p (mit nicht genau wiedergegebenem Kürzungszeichen) Albrecht, Stiftskirche; fehlt Albrecht (HZAN GA 55 IX. Bü 272).
  9. R mit schräg durchgestrichener Cauda, danach ein hochgestelltes winziges t Albrecht (HZAN GA 55 IX. Bü 273); das t fehlt in allen weiteren Überlieferungen.
  10. Über oi ein Kürzungsstrich Albrecht (HZAN GA 55 IX. Bü 273); salo mit Kürzungsstrich über dem o Albrecht (HZAN GA 55 IX. Bü 272); saloi Albrecht, Stiftskirche. Der gesamten Inschrift läßt sich kein Sinn abgewinnen.
  11. hierusalem in der jetzigen Fassung völlig verballhornt.
  12. Der jetzige Befund bietet einen weitgehend sinnlosen Text.

Anmerkungen

  1. Vgl. die buchstabengetreue Abzeichnung einiger Wörter durch Albrecht.
  2. Ps(G) 78,24.
  3. Beginn der viertletzten Strophe des als Fronleichnamssequenz gesungenen Hymnus „Lauda Sion“ des Thomas von Aquin; vgl. AH 50, 584 Nr. 385.
  4. Nach Ex 16,15.
  5. Nach Ps(G) 104,40.
  6. Nach der Antiphon vor den Rorate-Messen „ista est speciosa inter filias Jerusalem“.
  7. Nach Ct 6,9.
  8. Bileam.
  9. Nm 24,17.
  10. Nach Ps 99,2.
  11. Ps 104,1.
  12. Ps(H) 117,26; Mt 23,39.

Nachweise

  1. HZAN GA 55 (Nachlaß Albrecht) IX. Bü 272 (Öhringen Stiftskirche) (nur A–M, z. T. Abzeichnung der Schriftformen).
  2. Albrecht HZAN GA 55 (Nachlaß Albrecht) IX. Bü 273 (Öhringen Stiftskirche), loser Zettel mit unbezeichneter Bleistiftnachzeichnung von Inschrift (H).
  3. Albrecht, Stiftskirche Oehringen 19.
  4. Boger, Stiftskirche Öhringen 64f. (nach Albrecht).
  5. Elisabeth Grünenwald, Der Neubau der Stiftskirche wurde 1454 begonnen, in: Hohenloher Chronik 3 (1955) Nr. 9, 3f., hier: 3 (nur erwähnt).
  6. Knoblauch I/1, 385f., 388 (nach Albrecht); I/2, Taf. XIX, 16 (F, Q), Abb. 113 (F), Abb. 114 (M).
  7. Öhringen. Stadt u. Stift, Abb. 63–65 (C, K, N).
  8. Erdmann, Stiftskirche Öhringen 11, 14 (nach jetzigem Befund), 16f. (Abb. von N, Q).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 123(†) (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0012305.