Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 114 Künzelsau, Friedhof
Künzelsau, Zollstockweg/Einmündung Nagelsberger Weg
1493

Beschreibung

Burgfriedensteine.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

I. Ursprünglich als Grenzstein an der Südwestecke des Künzelsauer Burgfriedenbezirks (alte Gaisbacher Steige an der Abzweigung des Haager Wegs)1; bei Straßenerweiterungsarbeiten um 1980 entfernt und im Eingangsbereich des Friedhofs in einer Anlage zusammen mit weiteren Steindenkmälern aufgestellt. Neuaufstellung nach Renovierung 2007. Vierkantige Stele aus rotem Sandstein, ursprünglich oben wohl zeltdachartig zugespitzt. Auf allen vier Seiten jeweils ein großer, fast bis an die Seitenkanten reichender reliefierter Wappenschild, darüber auf einer der Seiten über dem hohenlohischen Wappen eine eingehauene Jahreszahl. Der grob behauene Fundamentsockel ist gegenüber dem Schaft nur wenig verbreitert. Stark verwittert, großflächige Ausbrüche, Kopf der Stele durch Abwitterung jetzt annähernd halbkugelförmig; dadurch Zerstörung der letzten Ziffer der Inschrift.

Maße: H. (einschl. des über dem Boden sichtbaren Teils des Fundamentsockels) 114, B. (Schaft) 31, T. 39, B. (Sockel) 35, T. 40, Zi. 7,5 cm.

  1. 149[3]a)

 
Wappen:
Hohenlohe-Ziegenhain2, Stetten, Erzstift Mainz/Henneberg3, Stadt Schwäbisch Hall4.

II. An der Nordwestecke des Burgfriedenbezirks (Zollstockweg/Einmündung Nagelsberger Weg). In einer kleinen Grünanlage, tief in den Boden der Böschung eingesunken5. Gestaltung ähnlich wie Stein (I.), hier die eingehauene Jahreszahl allerdings über dem Mainzer Wappen. Stark verwittert und vermoost, die erste und letzte Ziffer der Zahl sowie eines der Wappen völlig zerstört.

Maße: H. (über dem Boden) 60, B. 32, T. 32, Zi. 7–8 cm.

  1. [1]49[.]

 
Wappen:
Erzstift Mainz/Henneberg6, Hohenlohe-Ziegenhain7, [Stetten]8, Stadt Schwäbisch Hall9.

Kommentar

Auf Stein (I.) ist die 1 wie ein i der Gotischen Minuskel als gebrochener Schaft ausgeführt, und auch der Bogen der 9 ist nach den Regeln der Textura gebrochen und so dem Duktus der Gotischen Minuskel angeglichen. Ob auch die Schlinge der 4 entsprechend gebrochen ist, läßt sich aufgrund der Beschädigung des Steins nicht mehr eindeutig erkennen. Auf Stein (II.) hat die 4 eine rautenförmige Schlinge mit leicht nach außen durchgebogenen Linien, die 9 ist rund mit offenem Bogen. Angesichts der deutlichen Abweichungen der Schriftformen dürften die beiden Grenzsteine von verschiedenen Steinmetzen angefertigt worden sein.

Die beiden Grenzsteine markierten zusammen mit zwei weiteren die vier Ecken des Künzelsauer Burgfriedenbezirks, der in dem am 10. Mai 1493 in Amorbach abgeschlossenen Burgfriedensvertrag von den damals an der Ortsherrschaft beteiligten vier Ganerben Kurmainz, Hohenlohe, Stetten und Reichsstadt Hall festgelegt wurde. Der Artikel 1 des Vertrags bestimmte ausdrücklich, daß sich innerhalb des durch die Steine zu umreißenden Gebiets weder die Ganerben selbst noch deren Amt- oder Dienstleute gegenseitig an Leib und Gut schädigen noch solche Schädigungen fördern oder dulden durften10. Die Südostecke des ungefähr trapezförmigen Bezirks lag an der Abzweigung von der Morsbacher Straße ins „Häsle“11. Der von dort stammende Burgfriedenstein befindet sich jetzt in Schloß Stetten12 und wurde in jüngerer Zeit zu einem Brunnenstock umgearbeitet. Der stark verwitterte Stein läßt nur noch das Mainzer Wappen ansatzweise erkennen13, Inschriftreste sind nicht mehr vorhanden. Nicht erhalten dagegen ist der Stein an der Nordostecke (Abzweigung von der Amrichshäuser Straße in den Wiesweg). Der von Kurmainz initiierte Künzelsauer Burgfriedensvertrag war eine Reaktion auf die vorangegangenen Konflikte vor allem zwischen den Ganerben Hohenlohe und Stetten, die daraus resultierten, daß Hohenlohe versucht hatte, seine Stadt Ingelfingen auf Kosten Künzelsaus aufzuwerten (Verlegung des Ruralkapitels von Künzelsau nach Ingelfingen, Thierberger Fehde 1487–89)14.

Textkritischer Apparat

  1. Obere Hälfte der 1 zerstört; von der 3 nur mehr das linke Ende des oberen Balkens sichtbar.

Anmerkungen

  1. Vgl. Nowak, Ganerbschaft 102.
  2. Quadriert, 1/4. Hohenlohe, 2. Ziegenhain, 3. Nidda. Die obere Hälfte des ersten Feldes ist zerstört. Wegen der darübergesetzten Jahreszahl wird diese Seite des Steins hier als die Vorderseite angesehen. Die weitere Reihenfolge der Wiedergabe: heraldisch rechte Seite, dann die linke Seite und zuletzt die Rückseite.
  3. Quadriert, 1/4. Erzstift Mainz, 2/3. wiederquadriert (durch Verwitterung nur mehr Konturen erkennbar): 1/4. Colonna (gekrönte Säule, die Krone hier überdimensional groß), 2/3. Neu-Henneberg (Henne auf Dreiberg). Wappen des Erzbischofs Berthold Graf von Henneberg, 1484–1504; vgl. Ludwig Falck, Die Wappen des Kurfürstentums Mainz, in: Mainzer Zs. 65 (1970) 189–195. Zum Henneberger Wappen vgl. Eckart Henning, Die Veränderungen des Siegel- und Wappenbildes der Grafen von Henneberg vom XII. bis XVI. Jahrhundert, in: Jb. d. Herald.-Genealog. Ges. „Adler“, 3. Folge 7 (1967/70) 45–65.
  4. Geteilt. Der Schild etwas kleiner als die übrigen drei.
  5. Der Stein galt zwischenzeitlich als verschollen, nachdem er nach dem Zweiten Weltkrieg „von amerikanischen Soldaten umgefahren und später in die Hecke geworfen (wurde), wo er noch lange lag“. Zu unbekanntem Zeitpunkt wurde er an gleicher Stelle wieder aufgerichtet. Freundl. Mitteilung von Herrn Stadtarchivar Stefan Kraut, Künzelsau.
  6. Wie Anm. 3; die Henneberger Wappenfelder völlig unkenntlich. Zur Reihenfolge der drei übrigen Wappen vgl. Anm. 2.
  7. Wie Anm. 2.
  8. Völlig zerstört.
  9. Abweichend von Stein (I.) das Haller Wappen hier in derselben Größe wie die übrigen drei.
  10. Vgl. Rauser, Künzelsauer Heimatbuch I, 372–374.
  11. Nowak, Ganerbschaft 102.
  12. So jedenfalls Nowak, Ganerbschaft 102; nach Rauser, Künzelsauer Heimatbuch I, 304 handelt es sich bei diesem Stein dagegen um den ursprünglich an der Amrichshäuser Straße aufgestellten.
  13. Das Stettensche Wappen wurde modern ergänzt.
  14. Vgl. dazu Rauser, Künzelsauer Heimatbuch I, 370f. sowie ausführlich Nowak, Ganerbschaft, passim.

Nachweise

  1. Nowak, Ganerbschaft 102 (nur erwähnt).
  2. Rauser, Künzelsauer Heimatbuch I, 304 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 114 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0011406.