Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 418† Stadtgottesacker 1622

Beschreibung

Grabmal für Sibylla Nicander, einst vor der 74. Bogenkammer, heute verloren. Die Schriftform und die Art der Ausführung der Inschriften, eine Weiheformel, ein Sterbevermerk mit biographischen Angaben und ein Stiftervermerk mit Widmung (A) sowie ein Bibelzitat (B), nicht überliefert.

Nach Olearius.

  1. A

    D(eo) O(ptimo) M(aximo) S(acrum) Piis manibus SIBYLLAE M(AGISTRI) NICOLAI NICANDRI F(iliae) Rev(erendissimi) (et)a) Excell(entissimi) Viri D(omini) JOHANNIS OLEARII, Eccl(esiae) Hal(ensis) Pastoris (et)a) Superattendentis per XX. annos (et)a) menses 6. Uxoris, Liberorum 7. Natorum 3. Natarum 4. Matris, Natae A(nno) M.D.LXXXIV. Denatae A(nno) MDCXXII. m(ense) Sextili. Monumentum hoc amoris (et)a) observantiae testimonium, superstites Filii, Filiae (et)a) Generi poni curarunt.

  2. B

    Apoc. X. Beati mortui, qvi in DOMINO moriuntur.1)

Übersetzung:

A Gott, dem Besten und Höchsten, geweiht. Der frommen Seele der Sibylla, der Tochter des Magisters Nikolaus Nicander (und) des ehrwürdigsten und vortrefflichsten Mannes, des Herrn Johann Olearius, Pfarrer und Superintendent der hallischen Kirche, über 20 Jahre und sechs Monate Ehefrau, der Mutter von 7 Kindern, 3 Söhnen (und) 4 Töchtern, geboren im Jahr 1584, gestorben im Jahr 1622, im Monat August. Dieses Denkmal der Liebe und Zeugnis der Hochachtung ließen die hinterbliebenen Söhne (und) Töchter und die Schwiegersöhne errichten.

B Off 10. Die selig Gestorbenen, die sind im Herrn gestorben.

Kommentar

Sibylla Nicander war die zweite Ehefrau des Johannes Olearius (s. Nr. 421) und Mutter Gottfrieds, des Verfassers der 1667 erschienenen hallischen Stadtbeschreibung (s. Nr. 510).2) Ihr Vater, Nikolaus Nicander (1547–1585), kam 1576 als Diakon an die Marktkirche und erhielt schon ein Jahr später das Pastorat der Ulrichskirche.3) Als Parteigänger des hallischen Superintendenten Lucas Majus geriet er in immer heftiger werdende Auseinandersetzungen zwischen den streng lutherisch gesonnenen und den „philippistischen“ Pfarrgeistlichen und konnte erst nach Eingreifen des Stadtrats und Weggang des Majus 1579 auf eine „Pacification“ verpflichtet werden. Der Konflikt schwelte jedoch weiter bis zum Tod Nicanders.4)

Textkritischer Apparat

  1. et] Olearius: et-Ligatur.

Anmerkungen

  1. Apc 14,13.
  2. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 110 („Geschlechts-Register derer Olearius“). Als Geburtsjahr der Sibylla dort 1587 angegeben.
  3. Röber 1618a, S. 160 f.; Dreyhaupt 2, 1750, S. 678.
  4. Delius 1953, S. 136 f.; siehe auch Einleitung, S. XVII f.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 3, o. S.
  2. Olearius 1674, S. 127.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 418† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0041805.