Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 76 Moritzburg 15. Jh.

Beschreibung

Quader aus Sandstein mit eingehauener mehrzeiliger Inschrift, für das rechte Portalgewände eines Vorhangbogenportals im Erdgeschoß des Westflügels umgearbeiter und hochkant eingebaut, heute vom sogenannten Talamt aus sichtbar. Die Inschrift dabei weitgehend zerstört und die einzige, zumindest teilweise lesbare Schriftzeile am unteren Rand beschnitten. Die Herkunft des Inschriftsteins ist unbekannt.

Maße: H.: 20,5 cm (Quader); B.: 108 cm (Quader); Bu.: ursprüngl. mehr als 4,7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. [- - -]a) / [- - -] [.....]b) · viri · ioha(n)nisc) · seberd) · cu(m) · ista · [- - -]

Übersetzung:

(...) des Mannes Johannes Seber, als diese/mit dieser (...)

Kommentar

Die Buchstaben sind schmucklos, aber sorgfältig und regelmäßig eingehauen. Die Worttrenner haben die Form eines Paragraphzeichens; ihre Zierhäkchen sind alternierend mal in die eine, mal in die andere Richtung geschwungen. Kürzungen sind durch überschriebene Striche markiert.

Wie eine alte Fotografie zeigt, hat sich das Portal mit dem sekundär verwendeten Inschriftquader schon vor dem Bau des Talamt genannten Museumsgebäudes 1903/04 an dieser Stelle befunden.1) Sein Einbau muß deshalb vor 1503, d. h. vor dem Jahr, in dem die Moritzburg von Erzbischof Ernst bezogen wurde, erfolgt sein.2) Dementsprechend stammt die Inschrift wohl aus dem 15. Jh.

In der Überlieferung des 15. Jh. treten zwei Angehörige der Familie Seber mit dem Vornamen Johannes (Hans) hervor. Der ältere wird zwischen 1411 und 1434 sieben Mal als Ratsverwandter erwähnt, der jüngere war Schöffe und amtierte zwischen 1451 und 1467 vier Mal als Oberbornmeister.3) Zwei Männer namens Hans Seber (d. J. und d. Ä.) zählen zu den 1479 enteigneten Pfännern.4) Einer von ihnen hatte in den 1450er Jahren ein Haus in der Kleinen Klausstraße besessen,5) an dem eine große Bauinschrift angebracht gewesen sein kann, wie sie sich in der Schmeerstraße 2 erhalten hat (Nr. 45).

Textkritischer Apparat

  1. [- - -] Die unteren Buchstabenenden auf der ganzen Länge des Quaders sichtbar.
  2. [.....] Fünf Buchstabenfragmente (der vorletzte ein Schaft-s), die jedoch keine sinnvolle Lesung zulassen.
  3. iohannis] Der Kürzungsstrich wohl über a ansetzend und bis zum linken Schaft des n geführt.
  4. seber] Lesung mit Nexus litterarum unsicher.

Anmerkungen

  1. Abb. bei Gründig/Dräger 1997, S. 21.
  2. Zur Baugeschichte der Moritzburg s. Einleitung, S. XXVIII f.
  3. Spittendorff 1880, S. 505–508, 513, 515–517; siehe außerdem ebd., S. 561 f. (Register). Der Familienname wird auch „Sever“ oder „Seuer“ geschrieben. Bei Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 151 („Geschlechts-Register der Seber“) beide Namensvetter irrtümlich zu einer Person zusammengefaßt.
  4. Spittendorff 1880, S. 500, 502. Zu den Ereignissen des Jahres s. Einleitung, S. XIV.
  5. Schöffenbücher 2, 1887, S. 528 (Nr. 2299), 538 (Nr. 2357). Im Jahr 1501 als ehemaliger Hausbesitzer „in der kleynen Clauszstrassen“ erwähnt; Wachter 1882, S. 131.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 76 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0007607.