Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85 Anhang 1: Stadtgottesacker (2012)

A1, Nr. 59 Bogen 59 1568–1574

Beschreibung

Memento mori (AA) und Bibelzitat (AB) in zwei Textblöcken nebeneinander gesetzt; AB zentriert. Der mittlere Teil des Frieses stark verwittert. In den Bogenzwickeln je ein Reliefmedaillon: darin links ein Totenschädel (vielleicht ein Wappenbild), rechts ein Vollwappen. Im Bogenscheitel ein bauzeitliches Wappenmedaillon, das mit einer Steinscheibe überdeckt ist. Steinmetzzeichen an Pfeiler,1) Bogensegmenten2) und Gebälk.3)

  1. AA

    [MENSCH · SIEH ·] WAS · DV · REDEST · ODER · THVST ·SO · BEDENCK · DAS · DV · STERBEN · [M]VST ·VND · EIN · SCHAR[F] · RECH[E]NSCHAFTa)· [MVST · / GEBEN ·]WIE · DV · HIE · GEFVRT · HAST · DIEN · LEBEN ·OB · DV · GVD[S] · ODER · BOSES · HAST · GEDHAN ·A[LSO ·] WI[..]b) [·] DV · / [EMPFAHENc)· DEI]N · LON ·WAN · DV · ZV · ERSCHEINEN · BERVFFEN · BIST ·VORM · GERECHTEN · RICHDERS[TVEL · IESV · CHRIS]T ·

  2. AB

    DER XVII PSALM / ICH ABE[R] WIL [SCHAV]EN DEIN ANTLITZ IN GERECHTIGKEIT ICH WIL SATT W[E]RDENd) / [WENN] ICH ERWACHE NACH DEINEN BILDE4)

Versmaß: Acht Reimverse (AA).

Wappen:
Oesterling (?)5)unbekannt6)

Kommentar

Die Ausführung beider Friesinschriften ist in qualitativer Hinsicht deutlich schwächer als die letzterhaltene Friesinschrift am Bogen 55. In Inschrift AA wurde das zweistöckige, oben spitze Z und ein Quadrangel auf der Mittellinie als Worttrenner verwendet. Diese Merkmale und die Ausführung von E und R unterscheidet AA von der deutlich zeilenversetzten Inschrift AB und läßt vermuten, daß die Inschrift auf dem rechten Teil des Frieses von anderer Hand eingehauen wurde. Das läßt weiterhin den Schluß zu, daß die rechte Bogenhälfte von der Erbauung des Bogens an einen anderen Besitzer hatte als die linke; andernfalls wäre sicherlich sowohl eine quantitativ und paläographisch entsprechende als auch zeilengleiche Beschriftung des Frieses erfolgt.

Gottfried Olearius schreibt, der Bogen habe sich um 1590 in Besitz von Lorenz „Oesterring“ befunden.7) Lorenz’ Sohn, Tobias Oesterling, ließ 1618 in dieser Bogenkammer ein Familienepitaph errichten (Nr. 404).

Textkritischer Apparat

  1. RECHENSCHAFT] Vielleicht Doppelung von F (oder T).
  2. WI[..] Ergänzung WIRST unsicher, da der Abstand für drei Buchstaben augenscheinlich zu gering ist.
  3. EMPFAHEN] Sic! Für EMPFANGEN; vgl. DWB 3, 1862, Sp. 577.
  4. SATT WERDEN] Das zweite T ist unter den Deckbalken des ersten gestellt. Die auf W folgenden Buchstaben des zweiten Wortes wurden wegen einer Ausflickung des Friesquaders auf Zeilenhöhe über dieser Ausflickung in kleinerem Schriftgrad nachgearbeitet.

Anmerkungen

  1. Siehe Anhang 2, Nr. 42.
  2. Ebd., Nr. 42, 64.
  3. Ebd., Nr. 42.
  4. Ps 17,15.
  5. Vgl. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, Taf. XXX.
  6. Zweig mit drei Blüten (?); Hz.: Frau mit erhobener rechter Hand.
  7. Olearius 1667, fol. Sssiiijr (Nr. 50). L. Oesterling war Chirurg in Halle; s. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 109 („Geschlechts-Register derer Oesterlinge“).

Zitierhinweis:
DI 85 Anhang 1, Stadtgottesacker, A1, Nr. 59 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004a1005905.