Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85 Anhang 1: Stadtgottesacker (2012)

A1, Nr. 53 Bogen 53 1566–1568

Beschreibung

Bibelzitat (AA) und Epigramm (AB), in zwei Textblöcken nebeneinander angeordnet. Zahlreiche Verwitterungsschäden, vor allem am rechten Teil des Frieses. Das linke Drittel des Frieses dagegen erstaunlich gut erhalten – oder erneuert. An Pfeiler1) und Gebälk Steinmetzzeichen.2)

  1. AA

    ICH WEIS DAS MEIN ERLOSER LEBET VND ER WIRT MICH HERNA[C]H AVS DER [ER]DEN A[VF]WECKEN VNND WERDE / [DARN]ACH MIT DIESER MEINNER HAVT VMGEBEN WERDEN VND WERDE I[N MEI]NNE(M) FLEIS[C]H GOT SEHEN DEN SELBE(N)a) / [WERD]E ICH MIR SEHEN VND MEINE AVGEN WERDEN IHN SCHAVEN V[N]D [KEIN]N[E]b) ANDE[R]N HIOB AM 193)

  2. AB

    [VT MORS] SA[EVA VENIT] DAMNATI EX FR[AV]DE DRACONIS /CVIVS E[S INSTIN]CTV FACTVS ADAM[E] NOCENS /SICc) A[BOLET MO]RTEM VICTORIS GRAT[I]A CHRISTI /H[INC MIHI M]ORS LVCRVM EST TV [M]IHI CHRISTE SALVS4)

Übersetzung:

AB Wenn der schreckliche Tod aus dem Betrug der verfluchten Schlange kommt, durch deren Anreiz du, Adam, schuldig gemacht wurdest, so vernichtet die Gnade des siegreichen Christus den Tod. Daher ist mir der Tod ein Gewinn, du, Christus, bist mir das Heil.

Versmaß: Zwei elegische Distichen (AB).

Kommentar

Die beiden Inschriften wurden in verschiedenen Schriftgraden und Buchstabenformen ausgeführt. Während z. B. der Mittelteil des M in AA kurz ist, reicht er in AB fast bis zur Grundlinie herab. Die Cauda des R ist in AA geschwungen, in AB hingegen stachelförmig. Diese paläographischen Eigenarten und die unterschiedliche Zeilengliederung deuten auf eine ungleichzeitige Ausführung der Inschriften hin, die vermutlich auf unterschiedliche Auftraggeber zurückgeht. In beiden Inschriften aber stehen dreieckige „Punkte“ über dem I.

Die verklausulierte Ausdrucksweise des ersten Distichons umschreibt die Verführung Adams durch Eva, den Sündenfall, der das Menschengeschlecht sterblich macht. Das zweite Distichon preist die Heilstat Christi, die die Folge des Sündenfalls, den Tod, überwindet und den Weg zum ewigen Leben bereitet.

Um das Jahr 1590 besaß Moritz Zoch, vermutlich ein Neffe des Lazarus Zoch (s. Anhang 1, Nr. 15), die Bogenkammer.5) Diese könnte aber bald geteilt worden sein, wie die von verschiedenen Händen ausgeführte Friesbeschriftung nahelegt. 1639 befand sich die halbe (?) Bogenkammer in Besitz von Konrad Merheim (s. Nr. 246).6)

Textkritischer Apparat

  1. SELBEN] Kürzung durch Kompendienstrich.
  2. KEINNE] Buchstabenfragmente nur noch im Sinnzusammenhang lesbar. Nexus litterarum von N und N. Kein Abstand zum folgenden Wort.
  3. SIC] Der erste Buchstabe überhöht.

Anmerkungen

  1. Siehe Anhang 2, Nr. 58.
  2. Ebd., Nr. 60.
  3. Hi 19,25–27 nach Luther; vgl. Volz 1972, S. 937.
  4. Nach einem Epigramm auf 1 Cor 15 von Johannes Stigel; Stigel 1566, fol. I2r. Der letzte Vers paraphrasiert Phil 1,21.
  5. Olearius 1667, fol. Sssiijv (Nr. 44).
  6. StAH A 1.1.7 Kap. XVII, Abt. E, Nr. 3, fol. 11r (Nr. 53).

Zitierhinweis:
DI 85 Anhang 1, Stadtgottesacker, A1, Nr. 53 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004a1005306.