Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85 Anhang 1: Stadtgottesacker (2012)

A1, Nr. 29 Bogen 29 1564

Beschreibung

Epigramm (AA) und Bibelzitat (AB), Stiftervermerk und Sterbevermerk für Hans und Gertraud Seifart (C).

  1. AA †

    CUr mortem metuam, mors non est mortis imago.a)Nam nitor merito CHRISTE benigneb) tuo.Vermis adhuc spiro, moriturus forte sub horam,Mors etenim certa est, funeris hora latet.Ergo Gnatec) DEI Tibi me jam prorogo totum,d)Vivam seu moriar, sangvine vivo tuo.1)

  2. AB †

    Leben wir, so leben wir dem HErrn, etc. Rom. 14.2)

  3. C †

    Anno 1564. haben Bartel, Andreas, Lazarus, Hans, Jsaac, Friedericus und Görge, die Seifarte, Gebrüdere, diesen Bogen lassen bauen, und ist in diesem Jahre am 1. May der Erbare und Namhaftige Herr Hans Seifart sam(m)t seiner Hausfrauen, welche am 3. Octob(ris) vorschieden, in GOtt seliglich entschlaffen.

Übersetzung:

AA Weshalb sollte ich den Tod fürchten? Der Tod ist nicht des Todes Antlitz, denn ich stütze mich auf dein Verdienst, gnädiger Christus. Ich bin ein Wurm, atme noch, vielleicht im Begriff, in dieser Stunde zu sterben. Der Tod nämlich ist sicher, die Stunde des Begräbnisses indes verborgen. Also gebe ich mich dir, Sohn Gottes, nunmehr ganz hin. Lebe ich oder sterbe ich, so lebe ich durch dein Blut.

Versmaß: Drei elegische Distichen (AA).

Kommentar

Die Verse (AA) bringen die Gewißheit zum Ausdruck, daß Christus den Tod überwunden habe und durch den Opfertod Christi dem Gläubigen das ewige Leben gewiß sei. Die Furcht vor dem Tod sei deshalb unbegründet.3) Das Epigramm gilt traditionell als ein Abendgebet Philipp Melanchthons, das „Pro beato vitae exitu“ betitelt ist. Sein früher Rezeptionsweg liegt im Dunkeln, denn die bislang bekannten Drucke desselben stammen aus dem 17. Jh.,4) sind also jünger als die vorliegende Inschrift. Mehrere geringfügig abweichende Varianten sind als mutmaßlich ältere Handschriften überliefert.5) Die Verse wurden noch einmal am Bogen 74 angebracht.

Auch hier gab vermutlich der Tod eines Angehörigen der Familie Seifart 1563 unmittelbar Anlaß, die Bogenkammer zu bauen. Einige der brüderlichen Bauherrn, die wohl alle Pfänner waren, versahen verschiedene öffentliche Ämter mittleren Ranges:6) Andreas war Kirchvater an St. Ulrich (s. Nr. 244), Friedrich Gräfenherr des Rats und wie sein Bruder Andreas Ratsbaumeister (s. Nr. 307), Görge, d. i. Georg (gestorben 1606), fürstlich-magdeburgischer Küchenmeister und Bornmeister. Bartel (gestorben 1580) war von 1567 bis 1579 Ratsverwandter;7) Hans (gestorben 1563) saß von 1544 an im Rat und übernahm 1552 das Amt des Hospitalvorstehers,8) und Lazarus, der allem Anschein nach 1560 in Wittenberg immatrikuliert worden war, bekleidete zwischen 1571 und 1582 dreimal das Amt des Talschöffen und einmal das des Talvorstehers.9) Über Isaak ist bislang nichts weiter bekannt.

Textkritischer Apparat

  1. imago] Bei Milchsack 1922, S. 112 und Hammer 1981, S. 567: „imago est“.
  2. benigne] Bei Hammer 1981, S. 567: „maxime“.
  3. Gnate] Sic! Nebenform zu Nate, dem Vokativ von Natus, Sohn; vgl. Sleumer 1996, S. 362.
  4. prorogo totum] Bei Milchsack 1922, S. 112: „porrigo totum“; Hammer 1981, S. 567: „trado, Redemptor“.

Anmerkungen

  1. Nach einer Dichtung Philipp Melanchthons; vgl. Kommentar. Der zweite Pentameter greift ein altes Sprichwort auf; vgl. Walther II, 8, 1983, S. 458 (Nr. 38345f3).
  2. Rö 14,8.
  3. Vgl. Einleitung, S. XLI f.
  4. Richter 2003, S. 165. Herrn Dr. phil. habil. Frank-Bernhard Müller, Leipzig, sei für seine Recherche gedankt.
  5. Milchsack 1922, S. 112; Hammer 1981, S. 567.
  6. Vgl. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 152 („Geschlechts-Register der Seyfarte“).
  7. StAH H B 2, S. 85, 87 f., 90 f.
  8. StAH H A 14, S. 52; StAH H B 2, S. 74 f., 77 f., 80 f., 83; Hünicken 15, 1939, S. 32.
  9. StAH H B 2, fol. 89r, 90r/v, 91v; Götze 1869, S. 152.

Zitierhinweis:
DI 85 Anhang 1, Stadtgottesacker, A1, Nr. 29 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004a1002907.